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20.02.2019 15:02

Brustkrebs in der letzten Lebensphase: effektive Schmerztherapie mit Kurz- od. Einzeitbestrahlung

Dr. Bettina Albers Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e. V.

    Bei Brustkrebs-Patientinnen, bei denen alle Möglichkeiten für eine Heilung ausgeschöpft sind, ist es die Aufgabe der Medizin, die Lebensqualität so weit wie möglich zu sichern. In der Palliativmedizin spielt in diesem Zusammenhang die „High-Tech“-Radiotherapie eine große Rolle, „denn sie ermöglicht wie kaum eine andere Therapie bei minimierten Nebenwirkungen eine effektive Behandlung von tumorassoziierten Symptomen. Gerade Schmerzen bei Knochenmetastasierung sprechen oft schon auf eine einmalige Bestrahlung an“, erklärt Prof. Dr. med. Birgitt van Oorschot, Leiterin des Interdisziplinären Zentrums Palliativmedizin, Klinik und Poliklinik für Strahlentherapie, Universitätsklinikum Würzburg.

    Brustkrebs ist die häufigste Krebsform bei Frauen. Dank Fortschritten der modernen Medizin haben die Heilungschancen in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen [1, 2]. Die 5-Jahres-Überlebensrate liegt heute bei ca. 88 %, die 10-Jahres-Überlebensrate bei 82%. Auch bei weiter fortgeschrittenen Fällen oder bei Rückfällen (Rezidiven) wird heute in der Regel versucht, eine Komplettremission zu erzielen, also den Krebs vollständig zurückzudrängen und alle Krebszellen zu zerstören.

    Bei Patientinnen, die keine Aussicht auf Heilung haben, kommt der Palliativmedizin eine entscheidende Bedeutung zu, um die Lebensqualität der verbleibenden Zeit so lange wie möglich so gut wie möglich zu halten. Durch Metastasen- oder den Tumor-bedingte Symptome kann die Lebensqualität jedoch erheblich vermindert werden. Metastasen können in verschiedenen Organen auftreten, dazu gehören bei 20% der Patientinnen die Knochen [3, 4], sowie Lunge, Gehirn und Leber. Neben Schmerzen können in Abhängigkeit vom Ort der Metastasen auch Probleme wie Luftnot, Schluckstörungen, Blutstauung, neurologische Symptome wie Lähmungen oder lokale chronische Hautwunden, Entzündungen und Geschwüre (Exulzerationen, z. T. mit Geruchsbildung) auftreten.

    Eine an die Situation angepasste Bestrahlung kann solche belastenden Symptome effektiv lindern. „Darüber hinaus gibt es die Möglichkeit der palliativ-präventiven Bestrahlung zur Sicherung der Lebensqualität – d. h. drohende Komplikationen bzw. zu erwartende Symptome können im Vorfeld verhindert oder abgeschwächt werden“, so Frau Prof. van Oorschot.

    Eine Bestrahlung hat – bereits bei niedrigen Strahlendosen – verschiedene Wirkmechanismen [3]. Sie wirkt nicht nur lokal wachstumsbremsend und tumorverkleinernd, sondern auch entzündungshemmend, abschwellend (antiödematös) und antisekretorisch – das alles trägt zur schmerzlindernden Wirkung bei. Auch wenn eine Lebensverlängerung nicht primäres Ziel einer palliativen Bestrahlung ist, so kann es mit der verbesserten Lebensqualität auch zu etwas mehr Lebenszeit kommen.
    „Entscheidend ist, dass der Nutzen einer palliativen Radiotherapie eventuelle Nachteile oder Nebenwirkungen überwiegen muss, was individuell auch unterschiedlich wahrgenommen und bewertet wird und daher mit der Patientin besprochen werden sollte“, so Frau Prof. van Oorschot.

    Moderne radiologische Techniken helfen dabei, die Nebenwirkungen einer Strahlentherapie zu reduzieren: So ist mit der „stereotaktischen Hochpräzisionsbestrahlung“ (auch Radiochirurgie) eine punktgenaue, hochdosierte Bestrahlung einzelner Metastasen ohne Schädigung umliegenden Gewebes möglich. Vorab erfolgt anhand von Röntgen- und CT-Bildern die exakte dreidimensionale Berechnung des Bestrahlungsfelds („virtuelle Simulation“). Bei erneut auftretenden Metastasen kann die Behandlung wiederholt werden.

    Das Verfahren der „Rückenmarkschonung“ (durch exakte Berechnung und Einstellung der Strahlenfelder) kommt bei Knochenmetastasen in der Wirbelsäule zum Einsatz. Bei metastasenbedingter erhöhter Knochenbruchgefahr kann die Strahlentherapie die Knochendichte innerhalb von 3–4 Monaten stabilisieren. Außerdem kann eine Bestrahlung erfolgreich bei Knochenmetastasen zur Schmerzlinderung eingesetzt [5, 6]. In 70% kam es innerhalb eines Monats zur Schmerzreduktion, bei 60% hielt dies auch nach 2 Monaten noch an [6].

    Damit die Vorteile der palliativen Bestrahlung überwiegen, müssen nicht nur mögliche direkte Nebenwirkungen minimal gehalten werden, sondern auch die allgemeine Behandlungsbelastung, die durch wiederholte Bestrahlungstermine oder Klinikaufenthalte entstehen kann. Dies ist besonders in der Schmerzbehandlung bei voraussichtlich sehr kurzer Lebenszeit bedeutsam. „In diesen Situationen kann die sogenannte Einzeitbestrahlung mit einer höheren Einmaldosis sinnvoller sein als eine fraktionierte Therapie“, erläutert Frau Prof. van Oorschot.

    Die Schmerzlinderung ist bei unkomplizierten Knochenmetastasen mittels Einzeitbestrahlung vergleichbar effektiv und fast so nebenwirkungsarm wie bei Fraktionierung [3, 5, 6, 7, 8]. Das Update der S3-Leitlinien „Strahlentherapie bei Knochenmetastasen“ [5] betont daher die Bedeutung der Einzeitbestrahlung (meist 1 x 8 Gy) und empfiehlt sie für die Schmerzbehandlung bei einer Lebenserwartung von wenigen Wochen oder Monaten. Bei längerer Prognose ist eine fraktionierte Bestrahlung zu favorisieren (z. B. 5 x 4 Gy oder 10 x 3 Gy), besonders wenn der längerfristige Effekt auf die Knochendichte (frühestens nach 3 Monaten) genutzt werden soll. Außerdem kann nach Einzeitbestrahlung eine Re-Bestrahlung im Verlauf erforderlich sein, was aber problemlos möglich ist.

    In Deutschland konnte sich die Kurz- oder Einzeitbestrahlung noch nicht durchsetzen. Das liegt an teilweise fehlender Erfahrung, Vorbehalten und Bedenken wegen der Verträglichkeit (erhöhte Nebenwirkungsrate), Notwendigkeit von Re-Bestrahlung und der allgemeinen Behandlungsbelastung am Lebensende (Transporte und Lagerung).
    „Wir hoffen, dass künftig die Einzeitbestrahlung mehr geeigneten Patientinnen angeboten wird. Eine große Bedeutung kommt immer der optimalen Zusammenarbeit von Strahlentherapeuten und Palliativmedizinern zu“, ergänzt DEGRO-Pressesprecherin, Professor Stephanie Combs. „Dies betrifft die Einschätzung der individuellen Situation (also Allgemeinzustand, Lebenserwartung), um realistische Therapieziele zu definieren, und die Wahl (gemeinsam mit der Patientin und ggf. den Angehörigen) einer effektiven – bzw. der individuell sinnvollsten Behandlung sowie die Anpassung aller Supportivmaßnahmen im Verlauf.“

    Literatur
    [1] Krebsregisterdaten Robert Koch Institut https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Content/Publikationen/Krebsgeschehen/Krebsges...
    [2] https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/k...
    [3] van Oorschot B, Beckmann G, Schulze W et al. Radiotherapeutic Options for Symptom Control in Breast Cancer. Breast Care 2011; 6(1): 14-19
    [4] Coleman RE: Clinical features of metastatic bone disease and risk of skeletal morbidity. Clin Cancer Res 2006; 12: 6243–49
    [5] van Oorschot B, Höller U, Ottstadt M et al. Update – Palliative Strahlentherapie von Knochenmetastasen. Onkologe 2018; online 30. Januar https://doi.org/10.1007/s00761-018-0347-6
    [6] Dennis K, Wong K, Zhang L et al. Palliative radiotherapy for bone metastases in the last 3 months of life: worthwhile or futile? ClinOncol 2011; 10:709–715
    [7] Chow R, Hoskin P, Hollenberg D et al. Efficacy of single fraction conventional radiation therapy for painful uncomplicated bone metastases: a systematic review and meta-analysis. Ann PalliatMed 2017; 6(2): 125–42
    [8] Chow R, Hoskin P, Chan S et al. Efficacy of multiple fraction conventional radiation therapy for painful uncomplicated bone metastases: a systematic review. Radiother Oncol 2017; 122(3): 323–31

    DEGRO-Pressestelle
    Dr. Bettina Albers
    Telefon 03643 / 776423
    Mobil 0174 / 2165629


    Weitere Informationen:

    http://www.degro.org


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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