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21.02.2019 09:00

Kleine Helfer: Phosphor-Anomalie im Schwarzen Meer lässt sich mit bakteriellem Abtransport erklären

Dr. Barbara Hentzsch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde

    Einem Team um die Mikrobiologin Heide Schulz-Vogt gelang der Nachweis, dass auffällige Phosphor-Anomalien im Schwarzen Meer auf die faszinierenden Fähigkeiten bestimmter großer Bakterien zurückzuführen sind. Das Phänomen galt bislang in der Wissenschaft als unverstanden. In einem in der Fachzeitschrift The ISME Journal erschienenen Artikel weisen die Autoren nun nach, dass so genannte magnetotaktische Bakterien, die zu Polyphosphat-Einlagerungen fähig sind und dank ihrer magnetischen Eigenschaften innerhalb der Wassersäule auf direktem Wege wandern können, Hauptverursacher der Phosphat-Verlagerungen sind. So helfen sie dabei, den Phosphat-Gehalt im Oberflächenwasser zu kontrollieren.

    Das Schwarze Meer ist ein idealer Ort, um die Auswirkungen von Sauerstoffmangel auf die Stoffkreisläufe im Meer zu studieren, denn hier ist die Grenze zwischen den beiden Welten „Mit-Sauerstoff“ (oxisch) und „Ohne-Sauerstoff“ (anoxisch) sehr stabil. Außerdem schließt sich hier im Gegensatz zu vielen anderen Seegebieten mit Sauerstoffmangel unter der oxischen Schicht ein mehrere Dezimeter mächtiger Wasserkörper an, der zwar keinen Sauerstoff mehr enthält, aber noch frei von H2S ist. Prozesse, die nach dem Verschwinden von Sauerstoff auftreten, lassen sich in dieser suboxischen Zone in hoher Auflösung untersuchen.

    Bereits Mitte der 1980er Jahren wurde entdeckt, dass diese suboxische Zone auf das Verhalten von Phosphor im Wasser offenbar großen Einfluss hat: Mit dem Einsetzen des Sauerstoffmangels, also an der obersten Grenze der suboxischen Zone, erreichen die Konzentrationen an gelöstem Phosphat ihr Minimum, während am unteren Ende, dort wo sich H2S ausbreitet, ein ausgeprägtes Maximum auftritt. Zwischen beiden Extremen lässt sich immer eine deutliche Anreicherung von partikulärem Phosphor detektieren.

    Für keinen anderen Nährstoff lässt sich ein vergleichbares Verhalten feststellen, weshalb das Phänomen als „Phosphor-Anomalie“ in die wissenschaftliche Literatur einging. Eine frühere Erklärung, wonach die gelösten Phosphate beim Ausfällen von Eisenoxiden im obersten Bereich der suboxischen Zone miteingebaut und beim Auflösen dieser Verbindungen in Kontakt mit H2S wieder freigesetzt werden, konnte das Phänomen nur unzureichend erklären. Es mussten weitere Prozesse existieren, die solche Ab- und Anreicherung auslösen.

    Heide Schulz-Vogt, Leiterin der Sektion Biologische Meereskunde am IOW, und ihre Warnemünder KollegInnen berichten nun in der internationalen Zeitschrift The ISME Journal von einem Prozess, der die Phosphor-Anomalie umfassend erklären kann. Sie postulieren, dass große magnetotaktische Bakterien, wie zum Beispiel Magnetococcus, mit Beginn der Sauerstoffmangelzone Phosphate in Form von Polyphosphaten einlagern und diese in Kontakt mit H2S – also an der unteren Begrenzung dieser Zone – wieder abgeben. Heide Schulz-Vogt beschäftigt sich schon lange mit der faszinierenden Welt der großen Bakterien: „Wenn wir von großen Bakterien sprechen, dann geht es um 5 µm – nur ein Zwanzigstel des Durchmessers eines Haares, aber immerhin die 5-fache Größe normaler Bakterien.“ Ein solcher Größenunterschied ermöglicht am Ende, dass die großen Bakterien 125-mal mehr an Polyphosphaten aufnehmen können, als ihre kleinen Verwandten. „Wir konnten Magnetococcus in der fraglichen Zone nachweisen und es gelang uns auch in dem Bereich des Phosphat-Maximums über Genexpression zu zeigen, dass hier von unterschiedlichen Bakteriengruppen Polyphosphate abgebaut werden“, erläutert Heide Schulz-Vogt methodische Ansätze des Nachweises. Der entscheidende Hinweis kam jedoch über das Rasterelektronenmikroskop, das REM: „Bei einer 10.000 fachen Vergrößerung von Phosphorpartikeln aus der suboxischen Zone konnten wir Kettenstrukturen erkennen, wie sie für magnetotaktische Bakterien typisch sind. Erst da wussten wir, wonach wir suchen müssen.“

    Magnetotaktische Bakterien sind hochmobil. Ihre eingelagerten Magnetosome ermöglichen ihnen eine Orientierung entlang des Erdmagnetfeldes. Dadurch können sie zielgerichtet zwischen „oben“ und „unten“ hin und her pendeln und einen effektiven Phosphat-Shuttle aufbauen.

    Mit einem solchen bakteriellen Abtransport von Phosphaten in tiefere Wasserschichten werden diese Nährstoffe von der produktiven Zone ferngehalten und stehen damit zum Beispiel für die Bildung von Blaualgen-Blüten nicht mehr zur Verfügung. Welche Rolle dieser Prozess in der Ostsee spielt, wo Blaualgen-Blüten in jedem Sommer in Form riesiger Teppiche auftreten, die nach ihrem Absterben die Sauerstoffzehrung im Tiefenwasser dramatisch steigern, muss weiter untersucht werden. Hinweise auf einen solchen bakteriellen Phosphor-Shuttle gibt es jedoch auch in der Ostsee.

    Das IOW ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der zurzeit 95 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung gehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Bund und Länder fördern die Institute gemeinsam. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Institute etwa 19.100 MitarbeiterInnen, davon sind ca. 9.900 WissenschaftlerInnen. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Mrd. Euro. www.leibniz-gemeinschaft.de


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Heide Schulz-Vogt | Tel.: 0381 – 5197 200 | heide.schulz-vogt@io-warnemuende.de, Sektion Biologische Meereskunde, Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde


    Originalpublikation:

    Schulz-Vogt, H. N., Pollehne, F., Jürgens, K., Arz, H. Beier, S., Bahlo, R., Dellwig, O., Henkel, J. V., Herlemann, D. P. R., Krüger, S., Leipe, T., Schott, T (2019): Effect of large magnetotactic bacteria with polyphosphate inclusions on the phosphate profile of the suboxic zone in the Black Sea. The ISME Journal online first, https://doi.org/10.1038/s41396-018-0315-6


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

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