Im Alter nimmt die Anzahl an Stammzellen im Gehirn von Mäusen dramatisch ab. Die verbleibenden schützen sich vor dem völligen Verschwinden, indem sie in Schlaf versinken, wie Wissenschaftler aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum nun in der Zeitschrift CELL veröffentlichen. Die alten Stammzellen lassen sich nur schwer aufwecken. Doch einmal erwacht, sind sie genauso leistungsfähig wie junge. Der Schlaf wird durch Entzündungssignale aus der Umgebung der Stammzellen gefördert. Entzündungshemmende Wirkstoffe könnten daher ein Schlüssel sein, um die Stammzellen zu wecken und auch im Alter Reparaturprozesse im Gehirn anzuregen.
Stammzellen in bestimmten Bereichen des Gehirns erwachsener Mäuse sind zeitlebens dazu in der Lage, neue Nervenzellen bereit zu stellen. Die Stammzellen werden durch Verletzungen des Gehirns aktiviert. Sie gelten auch als Ursprungszellen bestimmter Gehirntumoren.
Doch im Laufe des Alterns lässt die Nachschubproduktion an jungen Nervenzellen nach. Wissenschaftler um die Stammzellexpertin Ana Martin-Villalba im Deutschen Krebsforschungszentrum haben nun mit Kollegen von den Universitäten Heidelberg und Luxemburg eine Ursache für diesen Funktionsverlust entdeckt: Sie fanden heraus, dass die Anzahl der Stammzellen mit dem Altern stark zurückgeht. „Das liegt daran, dass die meisten Stammzellen beim Ausdifferenzieren zu reifen Gehirnzellen verschwinden, nur ein kleiner Teil von ihnen erzeugt wieder neue Stammzellen“, erklärt Martin-Villalba. „Würden sie nicht mit dem Alter mehr und mehr in eine Schlafphase ohne Teilungsaktivität eintreten, wäre im Gehirn einer alten Maus der Vorrat an Stammzellen völlig aufgebraucht. Durch den Schlaf gewinnen sie gewissermaßen Zeit.“
Nicht nur die Anzahl schlafender Stammzellen steigt mit dem Alter, sondern sie lassen sich auch schwerer durch Notsignale wie etwa Verletzungen aus dem Schlaf aufwecken. Doch sind sie erst einmal aufgewacht, so sind sie bei der Produktion neuer Nervenzellen so leistungsfähig wie junge Stammzellen.
Das Team fand heraus, dass offenbar Entzündungsbotenstoffe und Signale der wichtigen Wnt-Signalkette aus der direkten Umgebung der Stammzellen, der so genannten „Nische“ schlaffördernd wirken. Werden diese Signale durch Antikörper unterbunden, so steigt die Teilungsaktivität der neuralen Stammzellen wieder an und sie stellen sowohl mehr Nervenzellen für den Alltag als auch für Reparaturprozesse bereit.
„Zentral an unserer Arbeit ist die Erkenntnis, dass der durch Entzündungen geförderte Schlaf ein Schlüsselmerkmal der alternden Hirnstammzellen ist“, sagt Ana Martin-Villalba. „Doch Entzündungen lassen sich mit Medikamenten unterdrücken. Das ist vielleicht ein Ansatz, auch im Alter die Bildung neuer Nervenzellen anzuregen und Reparaturmechanismen im Gehirn einzuleiten.“
Kalamakis Georgios, Brüne Daniel, Ravichandran Srikanth, Bolz Jan, Fan Wenqiang, Ziebell Frederik, Stiehl Thomas, Catalá-Martínez Francisco, Kupke Janina, Zhao Sheng, Llorens-Bobadilla Enric, Bauer Katharina, Limpert Stefanie, Berger Birgit, Christen Urs, Schmezer Peter, Mallm Jan Philipp, Berninger Benedikt, Anders Simon, Del Sol Antonio, Marciniak-Czochra Anna, Martin-Villalba Ana: Quiescence modulates stem cell maintenance 1 and regenerative capacity in the aging brain
CELL 2019, DOI: 10.1016/j.cell.2019.01.040
Das Deutsche Krebsforschungszentrum (DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien, die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene, interessierte Bürger und Fachkreise über die Volkskrankheit Krebs auf. Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet, in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren.
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CELL 2019, DOI: 10.1016/j.cell.2019.01.040
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Medizin
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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