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20.03.2019 14:26

Die Spur der Edelsteine

Stephan Laudien Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Dr. Kim Siebenhüner ist neue Professorin für Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Jena

    „Eppur si muove“ – „Und sie bewegt sich doch“, soll Galilei gemurmelt haben, als er den Gerichtssaal verließ. Der Gelehrte hatte sich vor der Römischen Inquisition verantworten müssen, weil seine Schriften zum kopernikanischen System Argwohn erregt hatten. Wie aber erging es den vielen Namenlosen, die vor den Inquisitor treten mussten?

    In einer Mischung aus Kulturgeschichte und historischer Kriminalitätsforschung ging Prof. Dr. Kim Siebenhüner dieser Frage nach. Die neu berufene Lehrstuhlinhaberin für die Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Jena hatte das Glück, als eine der Ersten die Akten der Inquisition bearbeiten zu können, nachdem der Bestand 1999 für die Forschung freigegeben worden war.

    Insbesondere hat sie die Ehegerichtsakten erforscht. „Das Vergehen der Bigamie wurde zu einem Glaubensdelikt umdefiniert“, sagt Kim Siebenhüner, „auf diese Weise wurde das Ehesakrament benutzt, um konfessionelles Terrain zu profilieren, zu sichern und zu erweitern“. Viele Fälle kamen durch Selbstanzeigen der Delinquenten vor Gericht – ein Spezifikum der Inquisition, die den Beichtvätern verordnet hatte, derartige Sünder nicht zu absolvieren.

    Freilich machten Eheangelegenheiten nur einen kleinen Teil der Gerichtsaktivitäten aus, das Hauptaugenmerk galt der Verfolgung von Häresie, Magie und Hexerei und dem Besitz verbotener Bücher, etwa von Autoren wie Luther und Calvin. Die Inquisitionsakten wertete die gebürtige Essenerin für ihre Promotion in Basel aus.

    Ihr Studium der Geschichte, Philosophie und Germanistik hatte die 47-Jährige in Clermont-Ferrand begonnen, später in Freiburg im Breisgau fortgesetzt. Nach einer einjährigen Zwischenstation in Rom ging es nach Basel.

    Eine plurale religiöse Landschaft

    Auf die Promotion folgte ein Postdoc in Oxford, wo sich Kim Siebenhüner mit frühneuzeitlichen Glaubenswechseln befasste. „Der Glaube durchdrang die Lebenswelt“, sagt Kim Siebenhüner. „Und die Konversionen zeigen – trotz konfessioneller Kämpfe – wie religiös plural die europäische Landschaft in vielen Regionen war.“

    Nach dem Postdoc wandte sich Kim Siebenhüner einem ganz anderen Forschungsfeld zu: der Geschichte der Dinge und ihrer globalen Zirkulation. Um der Frage nachzugehen, wie mit Gütern umgegangen wurde, was sie ihren Besitzern bedeuteten und wie sie gehandelt und bewirtschaftet wurden, untersuchte Kim Siebenhüner in ihrer Basler Habilitationsschrift zunächst die Geschichte der Juwelen, in dem anschließenden Projekt auf einer Berner Forschungsprofessur die Geschichte der Textilien.

    In beiden Fällen ging es darum, Prozesse der frühen Globalisierung zu erhellen und anhand des Umgangs mit Objekten neue Einblicke in die frühneuzeitlichen Gesellschaften zu gewinnen. Nicht nur kostbare Edelsteine, sondern auch Baumwollstoffe wurden aus Indien importiert und veränderten Konsum und materielle Kultur in Europa. „Viele Dinge wurden mehr wertgeschätzt als heute, weil Rohstoffe mühsam zu beschaffen, Materialien kostbar waren und die Herstellung größte Kunstfertigkeit erforderte.“ Auf jeden Fall sei die Halbwertszeit der Dinge im Vergleich zur Gegenwart hoch gewesen.

    In Jena möchte sich Kim Siebenhüner einer etwas anderen materiellen Kultur zuwenden, wobei sie wieder die Religion in den Blick nimmt: „Wie veränderte sich materielle Kultur durch Reformation und Konfessionalisierung?“ Siebenhüner möchte erforschen, was aus den religiösen Alltagsgegenständen wie etwa den Rosenkränzen oder Heiligenbildern wurde, als die Menschen sich dem neuen Glauben zuwandten. Ein noch weitgehend unbeackertes Feld, bei dem die Mutter einer Tochter sicher ihre Studierenden einbeziehen wird. Die Lehre ist Kim Siebenhüner ein wichtiges Anliegen: „Lehren ist kontinuierliches Lernen“, so ihr Credo. Das soll in Jena nicht anders sein als in Basel oder Bern.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Kim Siebenhüner
    Historisches Institut der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Fürstengraben 13, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 944431
    E-Mail: kim.siebenhuener[at]uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de


    Bilder

    Prof. Dr. Kim Siebenhüner lehrt Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Jena.
    Prof. Dr. Kim Siebenhüner lehrt Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Jena.
    Foto: Anne Günther/FSU
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften, Religion
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Kim Siebenhüner lehrt Geschichte der Frühen Neuzeit an der Universität Jena.


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