idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
05.04.2019 10:53

Wie sich Milcherzeuger gegen schwankende Milchpreise wappnen können

Dr. Michael Welling Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei

    Die Preise für Milch fahren Achterbahn: Erhielten Erzeuger für einen Liter Milch 2013 bis zu 42,3 Cent pro Liter, so waren es 2016 nur 22,8 Cent und 2018 schon wieder 35,3 Cent. Das macht die Milchproduktion für die landwirtschaftlichen Betriebe zu einem riskanten Geschäft. Was kann dagegen getan werden? Das Thünen-Institut hat in einer Publikation verschiedene häufig vorgeschlagene Optionen untersucht.

    Zum einen geht es um die Erhöhung des EU-Milchpreisniveaus. Das ließe sich erreichen, wenn die Milch auf dem Weltmarkt teurer wird oder wenn sich das EU-Preisniveau vom Weltmarkt ablöst. Dafür wären in jedem Fall drastische Reduktionen der EU-Milcherzeugung erforderlich. Der Versuch, das Weltmarktpreisniveau durch Einschränkung der EU-Milcherzeugung zu erhöhen, würde allerdings Marktreaktionen in anderen milcherzeugenden Ländern nach sich ziehen: Für die dortigen Produzenten würde es lukrativ werden, ihre Milchmengen zu erhöhen. Ein Effekt wäre also nur von zeitlich sehr kurzer Dauer. Eine Ablösung des EU-Preisniveaus von den Weltmarktpreisen wäre nur möglich, wenn sich die EU bei Milch und Milcherzeugnissen vom Nettoexporteur zum Nettoimporteur wandelt. Dies würde wiederum erhebliche Einschränkungen der EU-Milcherzeugung voraussetzen. Unter den gegenwärtigen Marktbedingungen und bei den gegenwärtigen Strukturen der Milcherzeugung und -verarbeitung ist das nicht realistisch.

    Ein anderer Vorschlag – eine Verteilung des Risikos auf mehrere Schultern innerhalb des Milchsektors – erscheint zielführender und wird in der neuen Thünen-Studie ebenfalls umfassend beleuchtet. Dabei ist wichtig zu wissen, dass rund zwei Drittel der Rohmilchmenge in Deutschland durch Molkereigenossenschaften und ein Drittel durch Privatmolkereien verarbeitet wird. Molkereigenossenschaften haben damit nicht nur einen hohen Marktanteil, sondern auch eine hohe Marktverantwortung. Zwar betrafen die extremen Preisausschläge der vergangenen Jahre alle beteiligten Marktakteure. Es zeigte sich aber, dass das Markt- und Preisrisiko in der Wertschöpfungskette Milch recht ungleich verteilt ist. Fallen die Preise stark in den Keller, kann das bei den Milcherzeugern zu existenzbedrohenden Liquiditätsengpässen führen. Das Markt- und Preisrisiko wäre bereits fairer verteilt, wenn die Genossenschaften zwei Veränderungen vornähmen. Erstens müssten sie ihre bisherige Methode zur Berechnung der Erzeugerpreise ändern und den Wert der Rohmilch zum Zeitpunkt der Anlieferung als Grundlage nehmen und nicht zum Zeitpunkt des Verkaufs der Verarbeitungsprodukte. Und zweitens müssten sie die Regelungen zur Abnahmegarantie flexibilisieren und den heutigen Markterfordernissen anpassen. Denn aufgrund dieser Garantie müssen die Genossenschaftsmolkereien aktuell alle Rohmilch ihrer Genossenschaftsmitglieder abnehmen. Dies auch dann, wenn es für die daraus hergestellten Produkte eigentlich keinen Markt gibt. Die Folge ist ein steigender Marktdruck und sinkende Preise. Beide Anpassungen würden dazu führen, dass der Milchpreis seine Kernaufgabe wieder besser ausführen kann – nämlich über den aktuellen Marktzustand zu informieren. Darauf basierend könnten die Milcherzeuger marktgerechtere Produktionsentscheidungen treffen. Für beide Änderungen müssten die Satzungen und Lieferordnungen der Genossenschaften geändert werden.

    Zudem wäre das Preisrisiko geringer, wenn Molkereien und/oder Erzeuger eine Preisabsicherung an der Warenterminbörse vornähmen. Bisher finden solche Sicherungsgeschäfte noch nicht in ausreichendem Maße satt, etwa weil der Börse misstraut wird, der Aufwand zu hoch erscheint oder die Notwendigkeit nicht gesehen wird.

    Beide Maßnahmen könnten die Mitglieder der Genossenschaft beschließen. Doch ist ein solches Vorgehen noch nicht ausreichend verbreitet. Dies lässt den Schluss zu, dass entweder der Leidensdruck noch nicht groß genug ist oder dass sich bisher keine Mehrheit für eine Änderung finden konnte. Aus Sicht des Thünen-Instituts werden die notwendigen Veränderungen in jedem Fall kommen, denn die Politik verliert zusehends das Vertrauen in die Selbstregulierung des Sektors. Noch haben die Marktakteure selbst Chance dazu und sollten nicht auf Vorgaben der Politik warten.

    Die Studie ist als Thünen Working Paper 118 veröffentlich und über die Webseite des Thünen-Instituts als PDF downloadbar.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Sascha Weber
    Thünen-Institut für Marktanalyse, Braunschweig
    Tel.: 0531 596-5326
    Mail: sascha.weber@thuenen.de


    Originalpublikation:

    Stabile und hohe Milchpreise?! - Optionen zur Beeinflussung der Milchpreise
    Thünen Working Paper 118
    DOI:10.3220/WP1549288041000
    https://www.thuenen.de/media/publikationen/thuenen-workingpaper/ThuenenWorkingPa...


    Bilder

    Die Preise für Milch fahren Achterbahn
    Die Preise für Milch fahren Achterbahn
    (stock.adobe.com/Thünen-Institut)
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Tier / Land / Forst, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Die Preise für Milch fahren Achterbahn


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).