idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
25.04.2019 09:55

Schlaf macht den Hippocampus frei für neue Gedächtnisinhalte

Dr. Karl Guido Rijkhoek Hochschulkommunikation
Eberhard Karls Universität Tübingen

    Forschungsteam der Universität Tübingen verfolgt, wie die Großhirnrinde als langfristiger Informationsspeicher arbeitet

    Zwei Regionen unseres Gehirns werden zur Speicherung von Gedächtnisinhalten verwendet: der Hippocampus und die Großhirnrinde. Während ersterer vor allem kurzfristig zur Aufnahme neuer Informationen benötigt wird, kann letztere große Informationsmengen für lange Zeit speichern. Lea Himmer, Dr. Monika Schönauer und Professor Steffen Gais vom Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie der Universität Tübingen haben gemeinsam mit ihrem Team untersucht, wie sich die Gehirnbereiche die Aufgaben bei der Verfestigung von neu Gelerntem teilen und welche Rolle Schlaf dabei spielt. Das Forschungsteam wies mithilfe bildgebender Verfahren nach, dass in der Großhirnrinde durch wiederholtes Üben schon innerhalb kurzer Zeit neue Gedächtnisspuren aufgebaut werden können. Allerdings sind diese nur dann allein ausreichend, wenn auf das Lernen eine Schlafphase folgt – anderenfalls muss das Gehirn zur dauerhaften Speicherung der neuen Gedächtnisinhalte zusätzlich auf den Hippocampus zurückgreifen. Die Studie der Tübinger Neurowissenschaftlerinnen und Neurowissenschaftler erscheint im Fachjournal Science Advances.

    In der neuen Studie stellten die Wissenschaftler ihren Probanden eine Lernaufgabe, in der diese sich in sieben Wiederholungen eine Wortliste einprägen sollten. Während sie diese Aufgabe ausführten, wurde ihre Gehirnaktivität in einem Magnetresonanztomografen (MRT) aufgezeichnet. Zwölf Stunden später wiederholten die Probanden die gleiche Aufgabe mit der bereits gelernten und einer neuen Wortliste. Die Hälfte der Personen hatte in dieser Zeit geschlafen, die andere Hälfte war wach geblieben. Wiederholtes Üben führte schon innerhalb einer Stunde dazu, dass das Gelernte mithilfe des hinteren Parietallappens, einer Region der Großhirnrinde, abgerufen wurde. Entsprechend verringerte sich die Beteiligung des Hippocampus.

    Schnelle Bildung von Gedächtnisspuren

    „Dieses Muster weist auf eine schnelle Bildung von Gedächtnisspuren in der Großhirnrinde hin“, sagt Monika Schönauer. „Außerdem zeigt der Parietallappen auch nach zwölf Stunden eine stärkere Aktivität bei gelernten Wörtern im Vergleich zu neuen Wörtern, was für eine Langzeitstabilität dieser Spuren spricht.“ Allerdings blieb der Hippocampus nur dann unbeteiligt, wenn die Probanden nach der ersten Sitzung mehrere Stunden lang schliefen. Blieben sie wach, wurde er auch bei bereits bekannten Wörtern wieder benötigt, ebenso wie bei neuen Wörtern. „Damit zeigen wir, dass im Schlaf Gedächtnisprozesse ablaufen, die über das reine Wiederholen hinausgehen. Lernwiederholungen können langfristige Gedächtnisspuren anlegen. Ob die Inhalte unabhängig vom Hippocampus dauerhaft gespeichert werden können, hängt jedoch entscheidend von einer Schlafphase ab“, sagt Lea Himmer.

    Der Schlaf wirkte sich im Experiment also vor allem auf den Hippocampus aus. „Wie Hippocampus und Großhirnrinde genau zusammenspielen, bleibt noch offen“, stellt Steffen Gais, der Leiter der Arbeitsgruppe, fest. „Diese Interaktion zu verstehen, ist ein wichtiger Schritt zur Weiterentwicklung der gängigen Theorien zur Gedächtnisbildung.“ Das Wissen, unter welchen Bedingungen Gedächtnisinhalte direkt in der Großhirnrinde gespeichert werden und welche Rolle der Hippocampus dabei spielt, sei auch zum grundlegenden Verständnis von Lern- und Gedächtnisstörungen von Bedeutung.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Lea Himmer
    Universität Tübingen
    Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie
    Telefon +49 7071 29-73264
    E-Mail lea.himmer[at]uni-tuebingen.de


    Originalpublikation:

    L. Himmer, M. Schönauer, D. P. J. Heib, M. Schabus, S. Gais (2019): Rehearsal initiates systems memory consolidation, sleep makes it last. Science Advances, https://dx.doi.org/10.1126/sciadv.aav1695


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Biologie, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).