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29.05.2019 14:13

Künstliche Intelligenz verbessert Erdbebenanalyse

Monika Landgraf Strategische Entwicklung und Kommunikation - Gesamtkommunikation
Karlsruher Institut für Technologie

    Die Herausforderung, Erdbebensignale optimal zu analysieren, wächst zusammen mit der Menge der verfügbaren seismischen Daten an. Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) haben Forschende nun ein neuronales Netz eingesetzt, um die Ankunftszeit von seismischen Wellen zu bestimmen und dadurch Erdbebenzentren genau zu lokalisieren. Sie berichten im Fachjournal Seismological Research Letters, dass Künstliche Intelligenz die Daten ebenso genau auswerten kann wie ein erfahrener Seismologe. (DOI: 10.1785/0220180312)

    Die Ankunft der vielen Erdbebenwellen an der Seismometerstation, den sogenannten Phaseneinsatz, genau zu bestimmen, ist wichtig für das präzise Lokalisieren der Erdbebenereignisse, was weitere exakte seismologische Auswertungen erst ermöglicht. Diese können unter anderem dazu dienen, Nachbeben vorherzusagen, die manchmal schwerere Schäden verursachen können als das erste Beben. Durch genaue Lokalisation von Erdbebenzentren lassen sich auch physikalische Prozesse in der Tiefe besser unterscheiden, was wiederum Rückschlüsse auf den Aufbau des Erdinnern erlaubt. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass Künstliche Intelligenz die Erdbebenanalyse wesentlich verbessern kann – nicht nur bei großen Datenmengen, sondern auch bei begrenzter Datenlage“, erklärt Professor Andreas Rietbrock vom Geophysikalischen Institut (GPI) des KIT.

    Durch Auswertung der Seismogramme, dem sogenannten Picken, lassen sich die Einsatzzeiten der einzelnen Phasen ermitteln. Dies geschieht traditionell von Hand. Doch beim manuellen Picken kann die Subjektivität des jeweiligen Seismologen die Genauigkeit beeinträchtigen. Vor allem aber erfordert die manuelle Auswertung mittlerweile einen nicht mehr zu vertretenden Zeit- und Personalaufwand, weil die Menge der verfügbaren seismischen Daten immer größer wird und die Seismometer-Netzwerke immer dichter werden. Um alle Informationen schnell zu nutzen, bedarf es einer automatischen Auswertung. Die bisher entwickelten Pickeralgorithmen erreichen allerdings nicht die Genauigkeit des manuellen Pickens durch einen erfahrenen Seismologen, weil Entstehung und Ausbreitung von Erdbeben äußerst komplexe Vorgänge sind und verschiedene physikalische Prozesse das seismische Wellenfeld beeinflussen.

    Künstliche Intelligenz (KI) aber kann die Daten ebenso genau auswerten wie der Mensch. Dies haben Wissenschaftler am GPI, an der University of Liverpool und an der University of Granada nun gezeigt. Wie die Forscher in der Zeitschrift Seismological Research Letters berichten, setzten sie ein faltendes neuronales Netz (Convolutional Neural Network – CNN) ein, um Phaseneinsätze eines seismisches Netzwerk in Chile zu bestimmen. CNNs sind von biologischen Nervensystemen inspiriert und bestehen aus verschiedenen Schichten von miteinander verbundenen künstlichen Neuronen. Beim sogenannten Deep Learning, einer Methode des Maschinellen Lernens, werden die erkannten und gelernten Merkmale von Schicht zu Schicht weitergereicht und dabei immer weiter verfeinert.

    Bei einem Erdbeben breiten sich seismische Wellen verschiedenen Typs durch die Erde aus. Haupttypen sind die Kompressions- oder Primärwellen (P-Wellen) und die Scher- oder Sekundärwellen (S-Wellen). Zunächst treffen die schnelleren P-Wellen an einer seismologischen Station ein, dann die langsameren S-Wellen. Erdbebenwellen lassen sich in Seismogrammen aufzeichnen. Die Forscher trainierten das CNN mit einem relativ kleinen Datensatz zu 411 Erdbebenereignissen im Norden von Chile. Daraufhin bestimmte das CNN die Einsatzzeiten von unbekannten P-Phasen und S-Phasen mindestens so genau wie ein erfahrener Seismologe beim manuellen Picken und genauer als ein klassischer Pickeralgorithmus.

    Originalpublikation

    Jack Woollam; Andreas Rietbrock; Angel Bueno; Silvio De Angelis: Convolutional Neural Network for Seismic Phase Classification, Performance Demonstration over a Local Seismic Network. Seismological Research Letters, 2019. DOI: 10.1785/0220180312

    Abstract unter https://doi.org/10.1785/0220180312

    Weiterer Kontakt:

    Sarah Werner, Redakteurin/Pressereferentin, Tel.: +49 721 608-21170, E-Mail: sarah.werner@kit.edu


    Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft“ schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 25 100 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen.

    Diese Presseinformation ist im Internet abrufbar unter: http://www.sek.kit.edu/presse.php


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    sarah.werner@kit.edu


    Weitere Informationen:

    https://doi.org/10.1785/0220180312
    http://www.sek.kit.edu/presse.php


    Bilder

    Erdbebenwellen optimal auszuwerten brauchte bislang viel menschliches Know-how. Mit dem neuronalen Netz des KIT lassen sich nun mehr Daten schneller auswerten. (Bild: Manuel Balzer, KIT)
    Erdbebenwellen optimal auszuwerten brauchte bislang viel menschliches Know-how. Mit dem neuronalen N ...
    Bild: Manuel Balzer, KIT
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    Anhang
    attachment icon Künstliche Intelligenz verbessert Erdbebenanalyse

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Geowissenschaften, Informationstechnik, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Erdbebenwellen optimal auszuwerten brauchte bislang viel menschliches Know-how. Mit dem neuronalen Netz des KIT lassen sich nun mehr Daten schneller auswerten. (Bild: Manuel Balzer, KIT)


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