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26.06.2019 09:48

Wenn der ermächtigte Meister zum Problem wird

Jan Vestweber Pressestelle
Universität Witten/Herdecke

    In seinem neuen Buch präsentiert Prof. Dr. Werner Vogd aktuelle Ergebnisse aus dem Forschungsprojekt „Buddhismus im Westen“ und beleuchtet die Macht- und Missbrauchsdynamik in spirituellen Gruppen

    Eine von vielen Menschen geschätzte und verehrte öffentliche Person – der spirituelle Leiter eines weltweiten Netzwerkes des tibetischen Buddhismus, Sogyal Rinpoche – ist in Ungnade gefallen. In einem 2017 veröffentlichten Brief schreiben acht seiner Schülerinnen und Schüler, viele davon in hohen Verantwortungspositionen:

    „Warum bist du uns und unseren Freundinnen und Freunden (…) gegenüber so gewalttätig geworden? Warum hast du uns geschlagen, geohrfeigt, getreten, uns an den Haaren gezogen? Weil dein Essen nicht heiß genug war, weil du eine halbe Stunde zu spät aus deinem Nickerchen geweckt wurdest, weil in deiner Telefonliste ein Name fehlte oder eine Schrift die falsche Größe hatte, weil das Internet zu langsam war, dein Assistent nicht aufmerksam genug war, wir uns nicht richtig ‚auf deinen Geist einstellten‘ und nicht vorhersehen konnten, was du wolltest, oder weil du schlechter Laune warst wegen einer Verstimmung mit einer deiner Liebhaberinnen. Es gibt Hunderte von Beispielen trivialer Vorfälle, die dich ausrasten ließen und dich dazu brachten, so brutal zu reagieren.“ (Quelle: Buddhismus aktuell)
    Neben dem körperlichen Missbrauch werfen sie ihrem Lehrer sexuelle Übergriffe, massive Gewalt und einen verschwenderischen, auch durch Spendengelder finanzierten Lebensstil vor.

    „Schnell sind Erklärungen bei der Hand und auch moralische Urteile lassen nicht lange auf sich warten. Aber stellt sich das Verhältnis von Täuschung und Enttäuschung wirklich so einfach dar? Hat man nicht selbst auch getäuscht – sich selbst und andere?“, sagt Prof. Dr. Werner Vogd, Leiter des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten Projektes Buddhismus im Westen und Inhaber des Lehrstuhls für Soziologie an der Universität Witten/Herdecke (UW/H). „Anhand von Gesprächen, die mit Schülerinnen und Schülern Sogyal Rinpoches und aktiven Mitgliedern der von ihm gegründeten Rigpa-Gemeinschaft geführt wurden, haben wir rekonstruiert, wie sich Sichtweisen und Positionen wechselseitig stabilisieren und konditionieren. Die im Buch aufgezeigten Missbrauchsdynamiken können im Prinzip in allen Bereichen auftreten, in denen Menschen zusammenkommen, um etwas zu erreichen, was über sie selbst hinausweist.“ Dies betreffe insbesondere spirituelle und religiöse Gemeinschaften, aber auch therapeutische Gruppen, so Vogd. „Da gerade hier nicht sein kann, was nicht sein darf, treten Wünsche und Dogmen an die Stelle lebendiger Beziehungen. Die damit einhergehende Blindheit ist gefährlich, da sie Illusionen nährt, die mit schwerem Leid und schließlich sogar mit Weltverlust einhergehen.“

    Zugleich untersucht der Leiter des Studiengangs „Ethik und Organisation“ (M.A.) an der UW/H in seinem Buch, warum es immer wieder zu Konstellationen des Missbrauchs kommt. „Es ist für uns Menschen nicht leicht, zu begreifen, dass der Kern eines jeden ernsthaften spirituellen Weges darin liegt, uns Menschen als schwache, fehlbare, leidende, von anderen abhängige Wesen zu erkennen. Wir möchten aber viel lieber daran glauben, dass uns ein allmächtiger Meister mit einem Trick in den Himmel, ins Nirvana oder eine sonst wie geartete Erlösung katapultieren kann.“

    Werner Vogd: Der ermächtigte Meister. Eine systemische Rekonstruktion am Beispiel des Skandals um Sogyal Rinpoche.
    Carl Auer Verlag (Heidelberg), 2019
    137 Seiten, Kartoniert, 19,95 € ISBN 978-3-8497-0282-3

    Interview zum Thema:
    Susanne Billig im Gespräch mit Werner Vogd: „Liebe heißt sehen, dass auch der Meister fehlbar ist.“ Buddhismus Aktuell 3/2019. S. 62-65.
    Leseprobe unter: https://buddhismus-aktuell.de/artikel/ausgaben/20193-jung-alt/liebe-heisst-sehen...

    Weitere Informationen zum Studiengang Ethik und Organisation: www.uni-wh.de/studium/studiengaenge/ethik-und-organisation-

    Über uns:
    Die Universität Witten/Herdecke (UW/H) nimmt seit ihrer Gründung 1982 eine Vorreiterrolle in der deutschen Bildungslandschaft ein: Als Modelluniversität mit rund 2.600 Studierenden in den Bereichen Gesundheit, Wirtschaft und Kultur steht die UW/H für eine Reform der klassischen Alma Mater. Wissensvermittlung geht an der UW/H immer Hand in Hand mit Werteorientierung und Persönlichkeitsentwicklung.

    Witten wirkt. In Forschung, Lehre und Gesellschaft.

    www.uni-wh.de / #UniWH / @UniWH


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Werner Vogd, werner.vogd@uni.wh.de oder 02302 / 926-500 / Sek.-812


    Bilder

    Prof. Dr. Werner Vogd
    Prof. Dr. Werner Vogd
    UW/H
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Kulturwissenschaften, Religion
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Prof. Dr. Werner Vogd


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