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10.11.2003 11:52

Fluchtreflex versus Entdeckung der Langsamkeit

Stefanie Hahn Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Neue Nachwuchsforschergruppe "Lauflabor" an der Universität Jena nimmt am 14.11. die Arbeit auf

    Jena (10.11.03) Ein Profi-Sprinter braucht nach dem Startschuss 70 Millisekunden, um zu reagieren. Verglichen mit technischen Systemen vergeht eine sehr lange Zeit, bevor er sich in Bewegung setzt. Denn die Informationsübertragung durch die Nerven ist langsam. Doch einmal in Bewegung läuft der Mensch noch jedem Laufroboter davon. Funktional hinkt die Technik der Natur offenbar hinterher. Alltägliche Bewegungen wie das Laufen zu analysieren und in dieser Eleganz mit technischen Systemen nachzubilden, ist das Anliegen einer neuen Nachwuchsforschergruppe an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Am 14. November nimmt das bisher dreiköpfige Team des "Lauflabors" um Dr. André Seyfarth offiziell die Arbeit auf.

    Die 2003 gegründete Nachwuchsgruppe wird im Rahmen des Emmy-Noether Programms von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für insgesamt sechs Jahre gefördert. Die Laufzeit für die Forschungsprojekte in Jena beträgt, nach dem im Programm vorgeschriebenen Auslandsaufenthalt, noch vier Jahre. Um richtig loszulegen, fehlt den Nachwuchsforschern momentan noch das wichtigstes Gerät: ein High-Tech-Laufband. Eine normale "Tretmühle" aus dem Fitness-Studio reicht für die Experimente von Dr. Seyfarth, Heidi Knüsel und Hartmut Geyer nicht aus.

    "Im Laufband selbst müssen Sensoren eingebaut sein, die die Kraft, mit der der Läufer auftritt, sowohl für Vorwärts- als auch Seitwärtsbewegungen messen", erläutert Seyfarth. "Gleichzeitig wird mit an den Beinen befestigten Elektroden die Aktivität der Muskelgruppen erfasst", ergänzt Geyer. Die gesammelten Daten werden in den Computer eingespeist, der wiederum das spezielle Gangmuster modelliert. So wollen sich die beiden Physiker Schritt für Schritt ihrem Ziel nähern, die Prinzipien der Bewegung aufzudecken.

    Worauf läuft das hinaus? "Hat man die Prinzipien erkannt, nach denen biologische Bewegung funktioniert und welche Kräfte dahinter stecken, kann man abstrahieren und technische Lösungen finden, beispielsweise für die Rehabilitation Gehbehinderter", nennt Seyfarth eine Zielrichtung. "Aber auch die Entwicklung von Laufmaschinen kann durch Bewegungsanalysen entscheidend vorangebracht werden", ergänzt Geyer. "Bei schnellen dynamischen Bewegungen verschwinden die Details, die Muskulatur muss sich mit grundlegenden Mechanismen begnügen", illustriert Seyfarth. Beim Sprinten würden demnach nicht unbedingt alle 50 Beinmuskeln unterschiedlich benutzt, fährt er fort. Hier vereinfacht die Natur. Genau das müssen Ingenieure bei der Entwicklung von Laufrobotern beherzigen. Sie müssen nach den einfachsten Grundfunktionen suchen, die Bewegungen innewohnen.

    Während der zweijährigen "Vorlaufzeit" hat Seyfarth im "Leg-Lab" des renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston, USA, gearbeitet. Dort wurde u. a. der erste Laufroboter der Welt entwickelt. Am Züricher Unispital "Balgrist" studierte Seyfarth schließlich den so genannten "Lokomaten". Mit dieser Gehhilfe auf Roboterbasis lernen z. B. querschnittsgelähmte Patienten wieder das Laufen. "Da die Art der Lähmung - je nach Unfallart - sehr unterschiedlich ist, können Bewegungsabläufe bei entsprechendem Grundverständnis individuell wieder antrainiert werden", erläutert Seyfarth. Er will in Jena "am laufenden Band" die Bewegungsabläufe gesunder Probanden studieren, die während des Laufens auf Signal die Gangart wechseln - also vom Gehen ins Rennen verfallen und umgekehrt.

    So wollen die Wissenschaftler herausfinden, welche Muskeln wann aktiv sein müssen, um diese oder jene Bewegung auszuführen. "Dieses Wissen kommt in der Bewegungstherapie zum Einsatz. Die Bewegungsvorgaben des ,Lokomaten' könnten genau auf die jeweilige Störung der Patienten zugeschnitten werden", hofft Seyfarth. Eines haben die Wissenschaftler bereits herausgefunden: Es ist viel einfacher für uns, vom Gehen ins Rennen zu wechseln als umgekehrt. Hier scheint in der Evolution der Fluchtreflex über die Entdeckung der Langsamkeit funktional gesiegt zu haben.

    Hinweis für die Medien:
    Die Vertreter der Medien sind herzlich eingeladen zur Eröffnung des Lauflabors am 14. November, um 16 Uhr, in den Räumen des "Lauflabors" (Dornburger Str. 23).

    Kontakt:
    Dr. André Seyfarth
    DFG-Nachwuchsgruppe "Lauflabor" am
    Institut für Sportwissenschaft der Uni Jena
    Dornburger Str. 23, 07743 Jena
    Tel.: 03641 / 945730; Fax: 03641 / 945732
    E-Mail: oas@uni-jena.de


    Weitere Informationen:

    http://www.uni-jena.de/Lauflabor.html


    Bilder

    Das neue "Lauflabor-Team" der Uni Jena: (v.l.) Dr. André Seyfarth, Heidi Knüsel und Hartmut Geyer. (Foto: FSU-Fotozentrum/Günther)
    Das neue "Lauflabor-Team" der Uni Jena: (v.l.) Dr. André Seyfarth, Heidi Knüsel und Hartmut Geyer. ( ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Mathematik, Medizin, Physik / Astronomie, Sportwissenschaft
    überregional
    Forschungsprojekte, Personalia
    Deutsch


     

    Das neue "Lauflabor-Team" der Uni Jena: (v.l.) Dr. André Seyfarth, Heidi Knüsel und Hartmut Geyer. (Foto: FSU-Fotozentrum/Günther)


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