Solaranlagen auf den Dächern von Wohnhäusern produzieren oft genau dann Energie, wenn die Bewohner sie nicht nutzen können. Stationäre Batterien erlauben es, diese Energie erst abends, nachts oder an einem Regentag zu nutzen. Ein Forschungsprojekt an der Empa untersucht, ob der Einsatz stationärer Batterien für die Verbraucher wirtschaftlich sinnvoll ist – und gleichzeitig Vorteile für die Energieversorger bieten kann.
Auf immer mehr Schweizer Dächern finden sich Solaranlagen. Das stellt die Netzbetreiber vor Herausforderungen. Denn an einem sonnigen Tag können plötzlich grosse Mengen Strom ins Netz strömen. Falls es nicht dafür ausgelegt ist, bricht es schlimmstenfalls sogar zusammen. Eine Möglichkeit, einem solchen Blackout vorzubeugen, wäre, die Netzinfrastruktur für viel grössere Maximallasten auszubauen. Dies führt aber zu deutlich höheren Kosten.
Eine Alternative ist, zu verhindern, dass das Netz mit grossen Strommengen geflutet wird. Der lokal produzierte «Überschussstrom» müsste also lokal zwischengespeichert werden. Doch lohnt sich das für die Betreiber der Dachanlagen? Welche Speichermöglichkeiten bieten sich an? Und lässt sich so das Stromnetz tatsächlich stabilisieren?
Diesen Fragen ist Empa-Forscher Philipp Heer nachgegangen. Er nutzte für sein Projekt reale Messdaten des lokalen Dübendorfer Energie-und-Wärme-Versorgers Glattwerk und untersuchte zwei Batterietypen: Lithium-Ionen-Batterien sowie Flüssigsalzbatterien des Typs Natrium-Nickelchlorid, ZEBRA-Batterie genannt (siehe Kasten). In Computersimulationen rechnete Heer 160 verschiedene Szenarien durch und variierte dabei Batteriegrössen und Systeme, die auf einem zentralen oder aber mehreren dezentralen Batteriespeichern basieren können.
Prosumer und Verteiler
Es gibt zwei Parteien mit unterschiedlichen Interessen. Zum einen die Netzbetreiber: Mit Stromnetzen im Mittel- und Niederspannungsbereich verteilen sie Strom an die Endkunden. In der Schweiz gibt es rund 650 Netzbetreiber, die zusammen ein Netz von rund 200 000 Kilometer betreuen. Ihr Ziel ist es, das Ausfallrisiko im Netz zu minimieren, ohne die Infrastruktur auf eine selten zu erwartende Maximallast ausbauen zu müssen.
Auf der anderen Seite stehen die Konsumenten, die gleichzeitig selbst Strom erzeugen – die sogenannten Prosumer. Ihr Ziel ist es, ihre Energiekosten zu minimieren. Das bedeutet: der selbst produzierte Strom soll dann konsumiert werden, wenn die Energiekosten hoch sind. Da zurzeit die Einspeisetarife im Vergleich zu den Bezugstarifen sehr niedrig ausfallen, lohnt es sich für die Prosumer kaum, den erzeugten Strom ins Netz einzuspeisen.
Wie kann man nun stationäre Batterien so einsetzen, dass beiden Seiten davon einen Nutzen haben? Betrachten wir einen sonnigen Tag: Die Photovoltaikanlagen liefern während des Tages Strom, wenn viele Bewohner nicht zu Hause sind. Speisen sie den Strom zum tiefen Einspeisetarif ins Netz ein, entstehen Nachteile – und zwar für beide Seiten: Die Konsumenten müssen den Strom am Abend zum höheren Bezugspreis wieder einkaufen, und die Netzbetreiber müssen ihr Netz ausbauen, um tagsüber die hohe Strommenge aufnehmen zu können. Wird der selbst erzeugte Strom hingegen in lokalen Batterien zwischengespeichert, kann er am Abend von den Erzeugern selbst konsumiert werden – und das Netz wird entlastet.
Sharing economy für Batterien
Natürlich haben auch Batterien nicht nur Vorteile. Ihre Effizienz liegt nicht bei 100%. Insgesamt steigt also der durchschnittliche Energieverbrauch im Gesamtnetz, wenn Batteriespeicher eingesetzt werden. Um die Nützlichkeit der Batterie für alle Beteiligten zu erhöhen, wäre es daher sinnvoll, die Batteriesteuerung auf die unterschiedlichen Interessen der Stakeholder zu optimieren, anstatt etwa nur die Kostenersparnis für den einzelnen Prosumer zu maximieren. Im ungünstigsten Fall würden nämlich alle Prosumer ihre Batterien mit überschüssigem PV-Strom füllen, bis sie zum Beispiel am Mittag voll sind – und dann plötzlich alle gleichzeitig den Strom ins Netz einspeisen. Dadurch entstünde den Netzbetreibern wieder ein Peak an eingespeister Energie.
Eine optimierte Batteriesteuerung würde die Batterie genau dann laden, wenn dem Netz mehr Strom zugeführt als daraus verbraucht wird. Und das rechnet sich: «Die Simulationen zeigen, dass Batterien, die auf die kombinierten Steuerziele hin optimiert werden, eine bis zu 15% höhere durchschnittliche Rendite erzielen als solche, die nur auf einen einzelnen Stakeholder hin optimiert sind», erklärt Heer. Bereits kleine, dezentrale Batterien können sich also für beide Seiten lohnen – doch grössere, geteilte Speicher könnten noch grössere Vorteile bringen.
Simulationen verifizieren
Um zu sehen, ob sich die Resultate der Simulation bewahrheiten, planen Heer und sein Team nun, eine derart optimierte Batteriesteuerung in einem realen System zu testen. Dafür nutzen sie den Energiedemonstrator der Empa, den «Energy Hub», kurz ehub. Die verschiedenen Units des NEST funktionieren dabei als aktive Prosumer, die verschiedene Mengen an Energie produzieren und verbrauchen. Sowohl eine Flüssigsalz- als auch eine Lithium-Ionen-Batterie stehen für die Tests zur Verfügung. «Bewähren sich die Simulationsresultate in der Realität, könnte das analysierte Dübendorfer Verteilnetz als Pilotprojekt dienen», so Heer.
Philipp Heer
Group Leader ehub
Telefon: +41 58 765 49 90
philipp.heer@empa.ch
https://www.empa.ch/web/s604/batterien-im-quartier
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Energie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
Deutsch
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