Wie ist die Mobilität von Menschen im mediterranen Raum verteilt? Das hat ein Forscherteam aus Göttingen, Paris und London untersucht. Das Ergebnis: ein Bild extremer Ungleichheit. Süd-Nord-Bewegungen über das Mittelmeer sind sehr selten, die meisten Bewegungen finden zwischen Ländern im Norden des Mittelmeerraums statt, insbesondere zwischen Spanien, Italien und Frankreich. Die Ergebnisse sind in der Fachzeitschrift Global Networks erschienen.
(pug) Dr. Emanuel Deutschmann vom Institut für Soziologie der Universität Göttingen wertete gemeinsam mit Prof. Dr. Ettore Recchi vom Sciences Po Paris/European University Institute und Prof. Dr. Federica Bicchi von der London School of Economics/EUI Daten der Welttourismusorganisation aus. Sie untersuchten die Verteilung und Entwicklung von Reiseströmen im Mittelmeerraum im Zeitraum von 1995 bis 2016. Dabei zeigt sich, dass Reisen vor allem zwischen den nördlichen Mittelmeeranrainern stattfinden. Viel weniger Mobilität gibt es entlang der südlichen Küste. Mobilität vom Süden in den Norden und umgekehrt – also über das Mittelmeer selbst hinweg – ist im Vergleich extrem gering. Bewegungen zwischen Frankreich, Italien und Spanien machen knapp 57 Prozent aller Bewegungen im Mittelmeerraum aus, obwohl diese drei Nationen kaum mehr als ein Prozent aller Länderverbindungen im Mittelmeerraum darstellen.
„Wir waren überrascht vom Ausmaß dieser Ungleichheit“, sagt Deutschmann. „Während in den Medien oft ein Bild von Menschenmassen gezeichnet wird, die vom Süden aus das Mittelmeer überqueren, zeigen unsere Analysen, dass diese Mobilität in Wahrheit nur einen winzigen Bruchteil ausmacht. Das Bild in der Öffentlichkeit ist also stark verzerrt.“ Auch im 21. Jahrhundert wirke das Mittelmeer wie ein trennender Graben, ähnlich wie der Rio Grande in Nordamerika, folgert das Forschungsteam.
Die Studie zeigt auch, dass die Verteilung der Mobilität im Mittelmeerraum stark mit der geografischen Distanz zwischen den Ländern zusammenhängt. Auch Einschränkungen der Reisefreiheit über Visaregulierungen haben einen großen Einfluss, Armut oder Reichtumsunterschiede hingegen eine geringere Bedeutung. „Die Ergebnisse werfen Fragen nach dem Zusammenhalt im Mittelmeerraum auf. Wie kann Teilnahme und Austausch, der von der EU wiederholt gefordert wurde, stattfinden, wenn nur ein kleiner Bruchteil der Bevölkerung einer Region wirklich mobil ist?“, so Deutschmann. „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass liberalere Visaregulierungen hier eine entscheidende Rolle spielen könnten. Ob der politische Wille da ist, Menschen aus dem Süden die Reise zu erleichtern, wird sich jedoch zeigen müssen.“
Dr. Emanuel Deutschmann
Georg-August-Universität Göttingen
Institut für Soziologie
Platz der Göttinger Sieben 3, 37073 Goettingen
Telefon: 0551 3920474
E-Mail: emanuel.deutschmann@uni-goettingen.de
Deutschmann, Emanuel, Ettore Recchi & Federica Bicchi. Mobility Hub or Hollow? Cross-border Travelling in the Mediterranean, 1995–2016. Global Networks (2019). https://onlinelibrary.wiley.com/doi/epdf/10.1111/glob.12259
Die meiste Mobilität im Mittelmeerraum findet zwischen Spanien, Italien und Frankreich statt.
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Dr. Emanuel Deutschmann
Lukas Klose
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Gesellschaft
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
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