Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und der Washington University in St. Louis haben im Rahmen einer Langzeitstudie eine Population von westlichen Flachlandgorillas im Loango Nationalpark, Gabun, dabei beobachtet, wie sie mit ihren Zähnen die harten Schalen von Coula edulis-Nüssen aufbrechen. Indem sie Daten aus Freilandbeobachtungen und aus mechanischen Tests an Nussschalen miteinander kombinierten, belegten die Forscher: um Zugang zu dieser energiereichen Nahrungsquelle zu erhalten, ist das Gebiss der Gorillas einer extrem starken Beanspruchung ausgesetzt.
Trotz ihrer beeindruckenden Körpergröße sind Gorillas dafür bekannt, dass sie sich vegetarisch ernähren und dabei fast ausschließlich Blätter und Obst zu sich nehmen. Ihre Backenzähne sind im Vergleich zu denen anderer Menschenaffenarten größer und besitzen höhere Höcker mit schärferen Scherkanten, was als Anpassung an das langanhaltende Kauen faserigen Pflanzenmaterials gilt. Andererseits sind ihre Zähne nicht gut für den Verzehr von harter und spröder Nahrung geeignet, wie zum Beispiel von Nüssen, die von einer verholzten Schale umschlossen sind. Die hohen Scherkanten ihrer Backenzähne können dadurch beschädigt werden. "Ich war erstaunt, als wir die Gorillas zum ersten Mal dabei beobachteten, wie sie Nüsse fraßen", sagt Martha Robbins, Seniorautorin der Studie. "Wir können es nicht nur sehen, sondern auch hören, wenn die Nussschale unter der unglaublichen Stärke des Bisses nachgibt. Gorillas haben offensichtlich große, kräftige Kiefer; trotzdem hatten wir dieses Verhalten eigentlich nicht erwartet, weil ihre Zähne dafür nicht gut geeignet sind."
Die Nüsse von Coula edulis sind von einer harten, verholzten Schale umgeben. Um sie zu knacken, muss ein Gewicht von etwa 270 Kilogramm auf die Schale einwirken, was einer Kraft von 2.648 Newton entspricht. Für die drei Monate, in denen die Nüsse übers Jahr verfügbar sind, konzentriert sich die Ernährung der Gorillas im Loango Nationalpark in Gabun auf diese energiereichen Nusskerne. Sie verbringen dabei bis zu drei Stunden täglich, um sich zu dem weichen Kern durchzubeißen. Das ist überraschend, denn Tiere, die sehr harte Nahrung zu sich nehmen, haben in der Regel starke, abgerundete Backenzähne, die wie Mörser und Stößel wirken und spröde Nahrung sehr effizient aufknacken. Wie bei anderen Laubfressern haben Gorillazähne hohe Zahnhöcker mit zusätzlichen Kanten zum Zerschneiden von zäher Nahrung. Unter der gewaltigen Beißkraft, die zum Knacken von Nüssen erforderlich ist, können scharfkantige Zähne leicht brechen und nutzen sich schneller ab. Dass Gorillas in Loango regelmäßig ihre Zähne aufs Spiel setzen und bis an ihre mechanische Belastungsgrenze bringen, hat die Forscher überrascht. Während andere Primaten, wie Schimpansen, ihre Zähne schützen, indem sie zum Nüsse knacken Werkzeug benutzen, scheinen Gorillas im Loango Nationalpark hingegen rohe Gewalt anzuwenden, um die verholzten Schalen der Coula edulis-Nüsse zu durchbrechen. Dass sie dies Jahr für Jahr tun zeigt: Gorillazähne sind wohl stärker als bisher angenommen.
Die Studie lässt außerdem darauf schließen, dass westliche Flachlandgorillas eine viel größere Nahrungspalette haben, als bisher angenommen. Da andere Gorillapopulationen keine Nüsse knacken, obwohl diese in ihrem Lebensraum ebenfalls vorkommen, könnte es sich dabei um ein kulturelles Verhalten handeln, das Gorillas bei anderen Gruppenmitgliedern beobachten und das von ihnen erlernen. "Dass wir das Nüsse essen in Loango beobachten, aber nicht in anderen Wäldern Zentralafrikas, in denen auch Nüsse vorkommen, verdeutlicht noch einmal mehr, wie wichtig die Erforschung und der Schutz von Gorillas in ihrem gesamten natürlichen Verbreitungsgebiet ist", sagt Robbins.
Die Entdeckung, dass einige Gorillas regelmäßig Nüsse mit ihren Zähnen knacken, könnte auch Auswirkungen darauf haben, wie Forscher zukünftig die fossilen Überreste unserer menschlichen Vorfahren interpretieren. Obwohl ihre Zähne scheinbar nur für eine blattreiche Ernährungsweise geeignet sind, zeigt die Studie, dass westliche Flachlandgorillas durchaus in der Lage sind, regelmäßig Nüsse zu knacken. Auch für die Rekonstruktion der Ernährung unserer menschlichen Vorfahren anhand der Beschaffenheit ihrer Zähne könnten diese neuen Erkenntnisse relevant sein.
Dr. Martha Robbins
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig
+49 341 3550-210
robbins@eva.mpg.de
Dr. Adam van Casteren
Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie, Leipzig &
Washington University in St. Louis
+44 738 783-4202
adam.vancasteren@gmail.com
Adam van Casteren, Edward Wright, Kornelius Kupczik, Martha Robbins
Unexpected hard‐object feeding in Western lowland gorillas
American Journal of Physical Anthropology, 02 August 2019
http://dx.doi.org/10.1002/ajpa.23911
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Martha Robbins
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Geschichte / Archäologie, Tier / Land / Forst, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Im Loango Nationalpark in Gabun haben Wissenschaftler eine Population von westlichen Flachlandgorill ...
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