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12.11.2003 13:14

FiBS entwickelt StudienCredit-Modell zur Hochschulfinanzierung in Baden-Württemberg

Birgitt A. Cleuvers Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Forschungsinstitut für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS)

    Pressekonferenz der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag zum Gutachten des Kölner Forschungsinstituts

    Dr. Dieter Dohmen, der Leiter des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) stellt in der heutigen Pressekonferenz der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landtag von Baden-Württemberg seine Vorschläge zur Umstrukturierung der Hochschulfinanzierung des Landes Baden-Württemberg vor.
    Das so genannte StudienCredit-Modell (SCM), das im Rahmen einer Studie für die Landtagsfraktion entwickelt wurde, lässt sich wie folgt zusammenfassen.

    1. Die Studierenden sollen für ein Bachelor- und Masterstudium ein virtuelles Studienkonto mit 360 StudienCredits erhalten, mit dem sie an den Hochschulen Bildungsleistungen nachfragen können. Nach Festlegungen der Kultusministerkonferenz sind für die erfolgreiche Absolvierung eines BA- und MA-Studiums 300 Credits einzulösen, so dass die Studierenden nach erfolgreichem Studienabschluss noch bis zu 60 Credits für Weiterbildungsveranstaltungen zur Verfügung haben. Die Credits werden mit der Anmeldung zu einer Veranstaltung vom Verfügungs-Konto abgebucht und bei erfolgreichen Durchlaufen der Haben-Seite gutgeschrieben. Hat also eine Vorlesung eine Wertigkeit von 2 Credits oder ein Seminar eine Wertigkeit von 4 Credits, dann werden bei Anmeldung 2 bzw. 4 Credits abgebucht und bei Bestehen gutgeschrieben.

    2. Für das Bachelorstudium sind die StudienCredits kostenlos. Für das Masterstudium werden Gebühren erhoben. So beträgt die Gebühr je StudienCredit für kostengünstige und vergleichsweise weniger ertragreiche Studienfächer (z.B. Sprach- und Kulturwissenschaften) EUR 15. Für teurere und/oder ertragreichere, d.h. meist mit einem höheren Einkommen verbundene Studienfächer, wie etwa Medizin, Rechts- oder Wirtschaftswissenschaften wird eine höhere Gebühr von EUR 25 pro StudienCredit angesetzt. Für Ingenieurwissenschaften oder Mathematik und Naturwissenschaften beträgt die Gebühr EUR 20. Die Beschränkung der Gebühr auf das Masterstudium verhindert, dass Studierende aus bildungsfernen oder einkommensschwachen Familien von der Studienaufnahme abgehalten werden.

    3. Diese Gebührenstruktur führt zu einer maximalen Belastung von EUR 3.000 zzgl. EUR 230 Zinsen bei einem Medizin-, Jura- oder BWL-Studium bei einer Dauer von zwei Jahren. Im Falle längerer Studienzeiten, z.B. bei einem Teilzeit-Studium, erhöhen sich die Zinsbelastungen am Studienende auf bis zu EUR 435. Dieser Unterschied erscheint vertretbar. Bei einem Rückzahlungsbetrag von EUR 100 pro Monat ist der Betrag von EUR 3.232 für ein Medizin- oder Jura-Studium in 33 Monaten zurückgezahlt und der etwas höhere Betrag in 35 Monaten.

    4. Diese Orientierung der StudienCredits an den einzelnen Studienleistungen, die zukünftig in Credits und nicht mehr in Semesterwochenstunden ausgewiesen wird, ermöglicht den Studierenden eine freie Gestaltung. Das Modell passt sich flexibel an das Studierverhalten an. Es sind keine gesonderten Regelungen mehr erforderlich, wann ein Teilzeit-Studium möglich ist. Wer seine 300 Credits in 13 Semestern erwerben möchte, kann dies ebenso ohne Einschränkungen wie jemand, der/die dies in 10 Semestern anstrebt.

    5. Allerdings soll der Status eines (ordentlichen) Studierenden auf diejenigen beschränkt werden, die pro Semester mindestens 50 Prozent der üblichen Leistungen anstreben, d.h. pro Semester mindestens 15 StudienCredits einlösen. Dies erhöht die Hürden für die Immatrikulation als pro-Forma- oder "Schein-Student" zur Erlangung materieller Vorteile, etwa beim Semester-Ticket etc.

    6. Für die Hochschulen ist die Einlösung von StudienCredits mit der Zuweisung entsprechender Finanzmittel verbunden. Das heißt, sie erhalten in Zukunft einen Großteil ihrer Zuweisungen nur noch in Abhängigkeit von der tatsächlichen Nachfrage der Studierenden. Melden sich also zur Vorlesung 50 Studierende an, dann erhält die Hochschule auch Geld für 50 Studierende. Sind es 30 Studierende, werden entsprechend weniger Mittel zugewiesen. Die Hochschulen haben somit ein Interesse daran, dass ihre Studienkapazitäten ausgelastet werden.

    7. Der Zuweisungsbetrag (Creditwert) orientiert sich an den tatsächlichen Lehrkosten und ist somit z.B. für Ingenieurwissenschaften oder Medizin höher als für Sprach- und Kulturwissenschaften oder Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Dies verhindert eine Verzerrung zugunsten günstigerer Studienfächer.

    8. Als Bank für eine solche Studiengebühr kommt nur eine Einrichtung wie die Kreditanstalt für Wiederaufbau oder eine vergleichbare Landesbank in Betracht. Bei allen anderen Banken ist mit Selektionsmechanismen zu rechnen, die bestimmte Gruppen von Studierenden benachteiligen oder gar ausschließen.

    Fazit: Insgesamt zeigt sich im FiBS-Gutachten, dass das bestehende Hochschulfinanzierungssystem wenig Anreize für eine optimale Studienorganisation seitens der Studierenden und der Hochschulen enthält, trotz aller leistungsorientierten Mittelzuweisung. Das StudienCredit-Modell hingegen erhöht die Abhängigkeit der Hochschuleinnahmen von der tatsächlichen Inanspruchnahme ihrer Kapazitäten und Angebote durch die Studierenden. Hochschulen, die mehr Studierende erreichen als andere, erhalten höhere Zuweisungen als Hochschulen, die nur von wenigen Studierende genutzt werden. Davon ausgehend, dass die Studierenden eine gute Studienorganisation und gute Lehrveranstaltungen positiv bewerten, führt dies zu einer Honorierung attraktiver und hochwertiger Lehrangebote und Hochschulen. Es kommt zu einem Leistungswettbewerb zwischen Hochschulen und Fachbereichen, der zugleich zur Verkürzung der Studienzeiten führen wird. Die Ausgestaltung des StudienCredit-Modells ermöglicht den Studierenden eine flexible Gestaltung des Studiums. Sie können ihre Veranstaltungen dort belegen, wo sie das beste Angebot erwarten und erhalten. Lange Wartezeiten oder unzureichende Kapazitäten werden zur Abwanderung von Studierenden führen, was zur Zeit nur sehr begrenzt möglich ist. Anders als im heutigen System haben die Hochschulen im neuen Modell einen Anreiz, zusätzliche Veranstaltungen anzubieten, wenn die Nachfrage der Studierenden größer ist als das geplante Lehrangebot, da die dadurch realisierte höhere Inanspruchnahme zu zusätzlichen Einnahmen führt. Durch die Einführung einer Studiengebühr für das Master-Studium erhöhen sich die verfügbaren Finanzmittel für die Hochschulen beträchtlich. Dies ermöglicht weitere Verbesserungen an den Hochschulen und verstärkt noch einmal die Anreize zur Organisationsreform, zur Leistungssteigerung und zur Kapazitätsanpassung.

    Für die Studierenden gewährleistet das StudienCredit-Modell eine unbürokratische Anpassung an ihre persönlichen Erfordernisse. Ein Teilzeit-Studium ist uneingeschränkt möglich. Die Beschränkung des Studierenden-Status verringert die Anreize, sich ohne Studienabsicht einzuschreiben. Die diversen Mitnahmeeffekte des Studierenden-Status werden deutlich eingeschränkt, wodurch es zu Einsparungen in den öffentlichen Haushalten kommen wird.

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    Kontakt: Birgitt A. Cleuvers (FiBS), Tel. 02 21 / 550 95 16
    Wir freuen uns über einen Hinweis auf Ihre Berichterstattung.


    Weitere Informationen:

    http://www.fibs-koeln.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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