Neue Bilder aus dem Mikroskop deuten darauf hin, dass die kürzlich entdeckten Mikroben Methanoliparia Methan aus Rohöl erzeugen können – und zwar ohne fremde Hilfe.
Die winzigen Organismen klammern sich an Öltröpfchen und vollbringen Großes: Ganz allein scheinen sie Öl in Methan umzuwandeln, in einem Verfahren namens Alkan-Disproportionierung. Bislang war dies nur von Symbiosen zwischen Bakterien und Archäen bekannt. ForscherInnen des Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie haben diese Mikrobe namens Methanoliparia nun weltweit in Öllagerstätten gefunden.
Erdöl und Erdgas treten an sogenannten „Seeps“ vielerorts aus dem Meeresboden aus. Dort wandern die Kohlenwasserstoffe aus dem Quellgestein durch Risse und Sedimente Richtung Sedimentoberfläche. In den oberen Sedimentschichten werden viele Kohlenwasserstoffe, vorrangig Alkane, abgebaut und ermöglichen am dunklen Meeresgrund die Entstehung einer Vielzahl dicht besiedelter Lebenräume. Auch tief drinnen im Sediment, wo kein Sauerstoff vorhanden ist, bilden sie eine wichtige Energiequelle für unterirdische Mikroorganismen, darunter einige der sogenannten Archäen.
Die Archäen waren in den letzten Jahren immer wieder für eine Überraschung gut. Nun liefert eine Studie des Bremer Max-Planck-Instituts für Marine Mikrobiologie und des MARUM, Zentrum für Marine Umweltwissenschaften, erste Bilder, Genome und Umweltinformationen einer Mikrobe, die das Potenzial hat, langkettige Kohlenwasserstoffe in Methan umzuwandeln. Ihre Ergebnisse veröffentlichen die Forschenden im Fachmagazin mBio.
Spaltung von Öl in Methan und Kohlendioxid
Diese Mikrobe, eine Archäe namens Methanoliparia, verwandelt die Kohlenwasserstoffe mittels der sogenannten Alkan-Disproportionierung: Sie spaltet das Öl in Methan (CH4) und Kohlendioxid (CO2). Bislang dachte man, dass diese Umwandlung nur in einer komplizierten Teamarbeit zwischen zwei verschiedenen Organismengruppen, Archäen und Bakterien, möglich ist. Nun zeigen die Forscher vom Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie und vom MARUM, dass es auch noch eine andere Lösung gibt. „Es ist das erste Mal, dass wir eine Mikrobe sehen, die eigenständig Öl zu Methan abbauen kann“, so Erstautor Rafael Laso-Pérez.
Während einer Ausfahrt im Golf von Mexiko sammelten die WissenschaftlerInnen Sedimentproben vom Chapopote Knoll, einem Öl- und Gasaustritt in 3000 Meter Wassertiefe. Nach ihrer Rückkehr nach Bremen analysierten sie diese Proben und stellten fest, dass Methanoliparia bisher unbekannte Enzyme besitzt, um das recht unreaktive Öl ohne Sauerstoff zu nutzen. „Der neue Organismus, Methanoliparia, ist eine Art Mischwesen“, sagt Gunter Wegener, Initiator und einer der Hauptautoren der Studie. „Einige seiner Verwandten sind Archäen, die kettenförmige Kohlenwasserstoffe mit abbauen, andere sind die altbekannten Methanogenen, die Methan bilden.“ Methanoliparia kombiniert die enzymatischen Werkzeuge dieser beiden Verwandten, baut also das Öl ab und bildet dabei Methan. Den ForscherInnen ist es außerdem gelungen, die Organismen auf Leinwand zu bannen. Die entstandenen Bilder stützen ihre Vermutung: „Im Mikroskop konnten wir zeigen, dass Methanoliparia an Öltröpfchen haftet. Wir fanden keine Hinweise, dass es Bakterien oder andere Archäen als Partner braucht“, so Wegener weiter.
Sehr häufig und weltweit verbreitet
Methanogene Mikroorganismen waren im Laufe der Zeit für unser Klima sehr wichtig, da ihr Stoffwechselprodukt Methan ein starkes Treibhausgas ist – mehr als 25 Mal stärker als Kohlendioxid. Daher wollten Laso-Pérez und seine Kollegen wissen, wie verbreitet der neue Organismus ist. „ Wir durchsuchten DNA-Bibliotheken und entdeckten, dass Methanoliparia häufig in Öllagerstätten – und nur in Öllagerstätten – im ganzen Ozean zu finden ist. Dieser Organismus könnte also eine Schlüsselrolle bei der Umwandlung langkettiger Kohlenwasserstoffe zu Methan spielen“, erklärt Laso-Pérez.
Darum wollen die Bremer Forschenden jetzt noch mehr über den Lebenswandel dieser Mikrobe herausfinden. „Wir haben nun den genomischen Nachweis und Bilder von der weiten Verbreitung und den erstaunlichen Fähigkeiten von Methanoliparia. Aber wir können sie noch nicht im Labor züchten. Das ist unser nächster Schritt, der uns erlauben wird, noch viel mehr spannende Details zu erforschen“, so Wegener. „Ist es beispielsweise möglich, den Prozess umzukehren und dadurch das Treibhausgas Methan in Kraftstoff umzuwandeln?“
Dr. Rafael Laso-Pérez
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Telefon: +49 421 2028-876
E-Mail: rlperez@mpi-bremen.de
Dr. Gunter Wegener
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Telefon: +49 421 2028-867
E-Mail: gwegener@mpi-bremen.de
Dr. Fanni Aspetsberger
Pressesprecherin
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie, Bremen
Telefon: +49 421 2028-947
E-Mail: faspetsb@mpi-bremen.de
Rafael Laso-Pérez, Cedric Hahn, Daan M. van Vliet, Halina E. Tegetmeyer, Florence Schubotz, Nadine T. Smit, Thomas Pape, Heiko Sahling, Gerhard Bohrmann, Antje Boetius, Katrin Knittel, Gunter Wegener: Anaerobic degradation of non-methane alkanes by Ca. Methanoliparia in hydrocarbon seeps of the Gulf of Mexico. mBio. DOI: 10.1128/mBio.01814-19
https://www.mpi-bremen.de/Page3832.html
Das Tauchfahrzeug MARUM-QUEST sammelt Sedimentproben an Ölaustritten im Golf von Mexiko.
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften
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Epifluoreszenzmikroskopisches Bild von Methanoliparia-Zellen, die an einem Öltröpfchen haften. Die w ...
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
Das Tauchfahrzeug MARUM-QUEST sammelt Sedimentproben an Ölaustritten im Golf von Mexiko.
MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften
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Epifluoreszenzmikroskopisches Bild von Methanoliparia-Zellen, die an einem Öltröpfchen haften. Die w ...
Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie
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