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13.11.2003 12:39

Das "Echo" von Prof. Micha Ullman im Neuenheimer Feld wird der Öffentlichkeit übergeben

Dr. Michael Schwarz Kommunikation und Marketing
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg

    Einladung an die Medien zur Übergabe am 18. November 2003 in Anwesenheit des israelischen Künstlers - Kunsthistoriker Prof. Riedl: "Einer der angesehensten Gegenwartskünstler"

    "Dem 'Echo' im Neuenheimer Feld ist die Wirkung zu wünschen, die Micha Ullman jedem Werk als Intention mitgibt: Menschen einen Ort zu geben und Menschen zu verbinden", beschreibt der Heidelberger Kunsthistoriker Prof. Dr. Peter Anselm Riedl das neue Werk des israelischen Künstlers, das am kommenden Dienstag in Anwesenheit von Prof. Ullman der Öffentlichkeit übergeben wird. Hierzu lädt das Universitätsbauamt Heidelberg die Medien herzlich ein (Dienstag, 18. November 2003, 9.30 Uhr, vor dem Eingang auf der Nordwest-Seite des Kirchhoff-Instituts für Physik, Im Neuenheimer Feld 227, 69120 Heidelberg).

    Prof. Riedl würdigt das Werk von Micha Ullman: "Die Frage, wie Kunst beziehungsreich ins Leben einzubinden sei, ist in dem Maße dringlicher geworden, in dem Kunst an selbstverständlicher Evidenz verloren hat - einer Evidenz nämlich, die an vertraute Formen und Symbole gebunden ist. Wenn es einem Gestalter wie Micha Ullman gelingt, mit aktuellen Sprachmitteln alte Symbole neu zu beleben und neue zu stiften, dann ist dem umso mehr eine breite Aufmerksamkeit gewiss, als die ästhetische Komponente dabei leitend im Spiel ist."

    Riedl: "Als Ullman 1995 unter der Stelle des August-Bebel-Platzes in Berlin, an der 1933 die barbarische Bücherverbrennung stattfand, einen kahlen Raum mit leeren Bücherregalen aus Beton anlegte und diese Höhlung teilweise durch eine Glasplatte abdeckte, schuf er ein an kunstvoller Einfachheit kaum zu überbietendes Denkmal: Die nachts erleuchtete, entleerte Bibliothek gewährt Einblick, ohne dass sie sich betreten ließe; ihre Blöße zeugt von der Brutalität und Geistlosigkeit eines vergangenen Regimes, während das Fenster die Dünne des Bodens signalisiert, welche die Betrachtenden vom historischen Ereignis trennt. Formenklarheit und Stringenz der Botschaft verbünden sich auf unwiderlegliche Weise."

    "Micha Ullman ist ein Meister der Boden-Eingriffe. 1980 hat er beispielsweise im israelischen Pavillon der venezianischen Biennale vier Gruben ausschachten lassen, die mit ihren leeren Sitzen und ihrem Titel 'Dritte Wache' Assoziationen in Richtung aufgegebener Unterstände oder verlassenen Geräts freisetzen, ohne eine eindeutige Erklärung zu suggerieren. Auf der documenta 8 des Jahres 1987 hat er in die Wiese der Kasseler Karlsaue eine geböschte Grube eingetieft, über der zwei erdgefüllte und mit Gras überwachsene Eisenträger hängen. Das Endstück des einen Trägers hat die Form eines kopfstehenden und folglich seiner Funktion beraubten Stuhls. Über den Tatbestand der Zweckentfremdung hinaus berichtet das Werk von Ortsentziehung und Preisgabe an das Vergessen. Erfahren wird die Grube letztlich als Grab. Als eine neuere, in diesem Falle allerdings eher poetisch-meditativ als dunkel und rätselvoll gestimmte Bodenarbeit sei noch der schöne 'Erdraum' von 2002 in Nishinomiya City in Japan genannt: ein fünfeckiger, eisenwandiger Aushub, dessen Grundriss dem Aufriss eines einfachen Giebelhauses entspricht und der mit zwei Sitzecken symbolisch zum Verweilen und zum Erleben der umgebenden Natur einlädt."

    Riedl: "Es sind aber nicht nur Arbeiten wie diese, die Micha Ullman zu einem der angesehensten Gegenwartskünstler werden ließen. Eine ständig wachsende Werkgruppe beschäftigt sich mit kosmologischen Themen, denen freilich der uns nächste Bereich des Chthonischen zugehört. Ein frühes, gleichsam von den Erdarbeiten abgeleitetes Beispiel ist das 1983 entstandene Ensemble 'Himmel' im israelischen Tal von Tel Chai: ein gemeißelter Stuhl, der zwischen zwei Felsblöcken in einer kühnen, den Himmelsblick verheißenden Schrägaufwärtsposition verharrt. Für Schloss Solitude hat Ullman - der seit 1991 eine Professur an der Akademie der Künste in Stuttgart innehat und seither zwischen Ramat Hasharon und Stuttgart pendelt - im Jahre 1994 eine faszinierende Bodenarbeit mit dem Titel 'Neumond' geschaffen. Auf eine kreisnahe Ellipse von ca.16m Durchmesser sind 29 Ansichten der Mondphasen verteilt: als kleine, in die Pflastersteine des Hofes eingetiefte Markierungen, die sich dem Blick nicht aufdrängen, aber diesen bannen, sobald man sie einmal wahrgenommen hat. Verweist die Phasenfolge auf die ältesten Kalender, nämlich den babylonischen und den jüdischen, so sind die Maße, etwa der Abstände der einzelnen Negativreliefs, vom Körper des Menschen deriviert. Ein Einzelabkömmling des Solitude-Zyklus ist der 'Abendstern' von 1996 in der Stuttgarter Stauffenbergstraße, wiederum zugleich unspektakulär und bewandtnisbeladen."

    "Zur kürzlich vollendeten Bodenarbeit mit dem Titel 'Echo' vor dem Physikalischen Institut im Neuenheimer Feld liefert Micha Ullman einen Kommentar, der hier frei, aber doch in gebotener Ausführlichkeit wiedergegeben sei. Demnach sind um einen Mittelpunkt vor dem Institutsneubau neun Kreise aus unterschiedlichen Steinsorten angeordnet. Der größte Kreis hat einen Durchmesser von nicht weniger als 280m. Alle Formen und Größenverhältnisse sind auf Körpermaße bezogen: Die Länge der Steinelemente auf die Schrittgröße, das heißt die Geschwindigkeit des Gehens, oder die Höhe und Dicke der in die Erde versenkten zentralen Säule auf die Höhen- und Schulterbreitenmaße des Künstlers. Eine kleine Mulde auf der Deckfläche des Mittelelements steht für die Sonne, nur wenige Zentimeter messende Negativkalotten auf den Steinkreisen markieren die Planeten. Micha Ullman gibt einen ganzen Katalog möglicher Assoziationen und Bedeutungen. Ganz augenfällig sei der Bezug zu konzentrischen Wellen, die ein ins Wasser fallender Stein entstehen lässt, ähnlich offensichtlich der zu den Bahnen der neun um die Sonne kreisenden Planeten. Denken könne man auch an die den Atomkern umkreisenden Elektronen, allgemeiner an Wellenphänomene im physiologisch zugänglichen Spektrum wie im instrumentell erschließbaren Bereich. Mit dem sich wandelnden Licht-Schatten-Spiel in den kleinen Mulden reagiere die Arbeit unentwegt auf die Zeitveränderungen. Aber auch der Wetterwechsel mache sich durch die trockenheits- bzw. feuchtigkeitsbedingte Verfärbung der Steine bemerkbar."

    Riedl: "'Die Skulptur wird zum Spannungsfeld', argumentiert Ullman, 'in dem die Fußgänger oder Fahrradfahrer mit ihren Bewegungen auf dem Gelände ein Teil der Komposition werden. Der offene Charakter und die Transparenz der Skulptur bezeichnet nicht nur den Ort, sondern einen Mittelpunkt, der sich mit seinen Wiederholungen (Echo) auf dem ganzen Campus verbreitet. Treffpunkt für Studenten und Lehrer, Treffpunkt von Wissenschaft, Alltag und Fantasie, Weite und Nähe, Planeten und Schritte'".

    "Der Charakter eines 'offenen Kunstwerks' lässt sich, in Absetzung vom ikonologisch und ikonographisch normierten Kunstwerk herkömmlicher Art, kaum besser beschreiben. Was Ullman, weil für ihn selbstverständlich, nur zwischen den Zeilen mitteilt, ist der ästhetische Anspruch von 'Echo'. Der Rhythmus der Kreise, der als Expansion und Konzentration erlebt werden kann, die Stimmigkeit der Proportionen, die Qualität des Steinmaterials, nicht zu vergessen: die sich auf Platzfläche und Gebäudevolumina gleichermaßen auswirkende dekorative Bindekraft - dies alles sichert der Heidelberger Arbeit einen formalen und koloristischen Reiz, der einem das Wort 'Gesamtkunstwerk' in den Mund legen könnte, würde dieser allmählich verjährende Begriff solchen zu sinnlichem Genuss und Meditation verleitenden zeitgenössischen Arbeiten gerecht."

    "Vor wenigen Tagen ging eine große Ullman-Retrospektive im Museum Wiesbaden zu Ende, die von der hier allenfalls angedeuteten Vielseitigkeit des Künstlers - auch des Malers - eine Vorstellung gab. In Heidelberg war vor drei Jahren im Rahmen der 'Zimzum'-Ausstellung eine der inzwischen berühmt gewordenen Sandschüttungen des Künstlers zu sehen, und im kommenden Jahr ist im Heidelberger Kunstverein eine Ullman-Ausstellung geplant, in der es vor allem um die kosmologischen Arbeiten gehen wird" (Prof. Riedl).

    Kurzbiographie von Micha Ullman

    1939 in Tel Aviv geboren; 1960-64 Studium an der Bezalel-Akademie für Kunst und Design, Jerusalem; 1965 Studium an der Central School for Arts and Crafts, London; 1970-78 Lehrtätigkeit an der Bezalel-Akademie; 1976 Gastprofessur an der Hochschule für Bildende Künste, Düsseldorf; 1979-85 Lehrtätigkeit an der Fakultät für Architektur und Stadtplanung, Technion, Haifa; 1979-89 Lehrtätigkeit in Plastik und Zeichnung am Fine Arts Department, Haifa University; 1985 Sabbatical in New York; 1989 DAAD-Stipendium, Berlin; seit 1991 Professur für Bildhauerei an der Akademie der Bildenden Künste, Stuttgart; seit 1996 Mitglied der Akademie der Künste, Berlin; lebt und arbeitet in Ramat Hasharon und Stuttgart

    Ein Foto des "Echo" stellen wir Ihnen gerne auf Nachfrage zur Verfügung.

    Rückfragen bitte an:
    Dr. Michael Schwarz
    Pressesprecher der Universität Heidelberg
    Tel. 06221 542310, Fax 542317
    michael.schwarz@rektorat.uni-heidelberg.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Kunst / Design, Musik / Theater
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Personalia
    Deutsch


     

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