Gewaltige Explosionen in den Tiefen des Weltalls - so genannte Gammastrahlungsausbrüche, die von der Erde aus nur als kleine Lichtpunkte zu beobachten sind - gehen auf Jet-Emissionen zurück: gerichtete Explosionen, die beim Sterben von Sternen entstehen. Einem internationalen Astronomenteam unter Beteiligung von Dr. Olaf Reimer (Lehrstuhl für Theoretische Physik, Prof. Dr. Reinhard Schlickeiser) gelang es erstmals, diesen Zusammenhang anhand von Beobachtungen zu belegen. Die Wissenschaftler berichten in der aktuellen Ausgabe von NATURE (13.11.) über ihre Forschungsergebnisse.
Bochum, 13.11.2003
Nr. 350
RUB-Astronomen beobachten Explosionen in der Tiefe des Alls
Polarisierte Jet-Emission bei Gammastrahlungsausbruch
NATURE berichtet: Beobachtungen belegen die Theorie
Gewaltige Explosionen in den Tiefen des Weltalls - sog. Gammastrahlungsausbrüche, die von der Erde aus nur als kleine Lichtpunkte zu beobachten sind - gehen auf Jet-Emissionen zurück: gerichtete Explosionen, die beim Sterben von Sternen entstehen. Einem internationalen Astronomenteam unter Beteiligung von Dr. Olaf Reimer (Lehrstuhl für Theoretische Physik, Prof. Dr. Reinhard Schlickeiser) gelang es erstmals, diesen Zusammenhang anhand von Beobachtungen zu belegen. Die Jet-Emissionen sorgen dafür, dass ein Gammastrahlungsausbruch mitunter tagelang nachleuchtet. Über ihre Funde berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe von NATURE (13. November 2003).
Gebündelte, energiegeladene Explosionen
Gammastrahlungsausbrüche (GRB) kann der Beobachter auf der Erde als solche räumlich nicht auflösen, er sieht lediglich einen Lichtpunkt. Anhand der extrem hohen Leuchtkraft der Ausbrüche und ihres Nachglühens (Afterglow) in anderen Bereichen des elektromagnetischen Spektrums haben Astronomen schon vor Jahren die Vorstellung entwickelt, dass die Ausbrüche aus sog. Jets hervorgehen, d. h. gerichteten, gebündelten (kollimierten) Explosionen.
Theoretische Annahmen ...
Um diese Theorie zumindest indirekt an Beobachtungen zu prüfen, haben Theoretiker zwei Möglichkeiten erkannt: Zum einen sollte die Lichtkurve des Nachglühens einen charakteristischen Verlauf aufweisen, nämlich eine markante Helligkeitsabnahme etwa einen Tag nach der Explosion. Zum anderen sollten Beobachtungen der Wellenausbreitung des Lichts (polarimetrische Beobachtungen) verraten, ob die Explosion nichtsphärisch war, d.h. gerichtet und nicht kugelförmig. Diese Form ist charakteristisch für eine Jet-Emission. Das von der Theorie vorhergesagte Signal in einer Lichtkurve im Nachglühen hat man vor vier Jahren, (bei GRB 990123) erstmals gefunden, und später bei einer Handvoll weiterer Gammastrahlungsausbrüche. Polarisationsbeobachtungen des Nachglühens eines GRB aber blieben bisher auf wenige Fälle beschränkt und litten unter einer sehr geringen Datenbasis. Die Helligkeiten im Nachglühen waren zudem selbst für Teleskope der 8-m-Klasse für solche Beobachtungen stets zu schwach.
... endlich belegt
Glück hatten die Astronomen erst bei "GRB030329" am 29. März 2003: Dessen Afterglow war tagelang so hell, dass mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte auf dem Cerro Paranal in Chile hochpräzise polarimetrische Beobachtungen gelangen. Die Messungen bestätigen zunächst frühere Ergebnisse, wonach die Stärke der Polarisation in den GRB-Afterglows etwa ein bis drei Prozent beträgt. Darüber hinaus konnten die Forscher aber auch die Variation der Polarisation über viele Tage hinweg messen. Damit gelang es ihnen erstmals, eine sog. Polarisationslichtkurve zu erstellen. Sie zeigt, dass sich sowohl die Stärke als auch der Winkel der Polarisation nahezu ständig ändern. Dies erlaubt nun Rückschlüsse auf den Ursprung der Polarisation: Offenbar können sich die zwei senkrecht zueinander stehenden Komponenten des Magnetfeldes im Jet um nicht mehr als 10 Prozent voneinander unterscheiden, z.B. in Form einer in sich verwundenen Spirale.
Vom sterbenden Stern zum leuchtenden Punkt
Aus diesen Funden ergibt sich folgendes Szenario: Das Zentrum eines sterbenden Sterns kollabiert zu einem Schwarzen Loch. Dabei wird eine riesige Energiemenge freigesetzt, so dass sich vom Zentrum des Sterns aus zwei entgegengesetzt gerichtete Jets ausbreiten. Innerhalb von wenigen Sekunden erreichen und durchstoßen sie die Oberfläche des Sterns und breiten sich im umgebenden interstellaren Medium aus. Im Jet entsteht der GRB in kollisionsfreien Schockwellen. Der Jet ist hochgradig gerichtet (kollimiert) und fegt in das interstellare Medium hinein. Dort wird er abgebremst und erzeugt das Nachglühen. In dem Moment, in dem der Jet den Stern durchstößt, zerreißt er ihn zugleich. Eine Supernova entwickelt sich. Auch diese ist asymmetrisch, wie die Polarisationsdaten ab etwa zwei Wochen nach der Explosion zeigen. Aus den spektroskopischen Beobachtungen ist nämlich bekannt, dass dann das Supernova-Licht dominiert. Das Licht ist zu diesem späten Zeitpunkt linear polarisiert, die eigentliche Sternexplosion muss also auch extrem asymmetrisch gewesen sein.
Hochenergieemissionen im All
Am Lehrstuhl für Theoretische Physik IV (Weltraum- und Astrophysik) der Ruhr-Universität gehen die Forscher Fragestellungen der Hochenergieemission von astronomischen Objekten, insbesondere der Teilchenbeschleunigung in Jets nach. Außerdem untersuchen sie die Gammastrahlung im Universum. Jets wie in den Gammastrahlungsausbrüchen sind ein Phänomen, das auch die sog. Aktiven Galaktischen Kerne (AGN) von weit entfernten Galaxien charakterisiert, die heute die bestbeobachteten Objekte am Gammastrahlungshimmel sind und ebenfalls in Bochum erforscht werden.
Titelaufnahme
Jochen Greiner, Sylvio Klose, Klaus Reinsch, Hans Martin Schmid, Re'em Sari, Dieter Hartmann, Chryssa Kouveliotou, Arne Rau, Eliana Palazzi, Christian Straubmeier, Bringfried Stecklum, Sergej Zharikov, Gaghik Tovmassian, Otto Bärnbantner, Christop Ries, Emmanuel Jehin, Arne Henden, Anlaug A. Kaas, Tommy Grav, Jens Hjorth, Holger Pedersen, Ralph A.M.J. Wijers, Andreas Kaufer, Hye-Sook Park, Grant Williams, Olaf Reimer: The evolution of the polarization of the afterglow of GRB 030329. In: Nature 426, s. 157-159 (Ausgabe vom 13. November 2003)
Weitere Informationen
Dr. Olaf Reimer, Lehrstuhl für Theoretische Physik IV, Fakultät für Physik und Astronomie der Ruhr-Universität Bochum, 44780 Bochum, Tel. 0234/32-22051, Fax: 0234732-14177, E-Mail: ol@tp4.rub.de, Internet: http://www.mpe.mpg.de/~jcg/grb030329pola.html
Bildzeile:
Wenn das Zentrum eines sterbenden Sterns zu einem Schwarzen Loch kollabiert, werden riesige Energiemengen frei, so dass sich vom Zentrum des Sterns aus zwei entgegengesetzt gerichtete Jets ausbreiten. Im Jet entsteht der Gammastrahlungsausbruch. Grafik: Max Planck Institut für extraterrestrische Physik
http://www.mpe.mpg.de/~jcg/grb030329pola.html
Vollständige Bildzeile s. Text. "Im Jet entsteht der Gammastrahlungsausbruch". Grafik: Max Planck In ...
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Mathematik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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