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17.11.2003 11:50

Fontane zurück am Stechlin

Josef Zens Unternehmenskommunikaton des Forschungsverbundes Berlin e.V.
Forschungsverbund Berlin e.V.

    Wissenschaftler aus dem Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei beschreiben neue Fischart aus dem Stechlinsee in Brandenburg

    Der Neuglobsower Biologe Michael Schulz und sein Berliner Kollege Dr. Jörg Freyhof vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin (IGB) haben eine neue Fischart beschrieben, die nur im Stechlinsee in Brandenburg vorkommt. Die beiden Forscher untersuchten verschiedene Populationen einer Fischart, die "Kleine Maräne" genannt wird und die als Räucherfisch eine regionale Delikatesse darstellt. Bisher war von den Maränen des Stechlinsees nur bekannt, dass hier neben einer "normalen" eine weitere, als "Tiefenform" bezeichnete Population, vorkommt. Schulz und Freyhof konnten nun zeigen, dass es sich bei der "Tiefenform" um eine eigenständige Art handelt. Dem märkischen Schriftsteller Theodor Fontane zu Ehren, der in seinem Altersroman "Der Stechlin" Land und Leute rund um den gleichnamigen See beschreibt, gaben die Forscher der neuen Fischart den Namen Fontanemaräne, Coregonus fontanae.

    Zur Klärung des Artstatus der Fontanemaräne waren umfangreiche Vergleiche der äußeren Form der Tiere, aber auch genetische Untersuchungen, notwendig. Insbesondere musste gezeigt werden, dass die "Tiefenform" des Stechlinsees nicht etwa die selbe Art ist, die in den 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts als "Quietschbauchmaräne" Coregonus lucinensis aus den Luzin-Seen um Feldberg (Mecklenburg-Vorpommern) beschrieben wurde. Bisher wurde angenommen, dass die Quietschbauchmaräne und die Tiefenmaräne des Stechlinsees identisch sind oder zumindest auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgeführt werden können. Um diese Hypothese zu prüfen, machten sich die Biologen bestimmte Eigenschaften der Erbsubstanz in den Mitochondrien zu Nutze. Die Mitochondrien sind die "Kraftwerke" der Zelle und verfügen über eine eigene Erbsubstanz. Dies ermöglicht es, Verwandtschaftsverhältnisse detailliert wiederzuspiegeln. Durch so genannte Sequenzanalysen konnte nun gezeigt werden, dass die Qietschbauchmärane des Luzinsees und die als neue Art beschriebene Tiefenform des Stechlinsees völlig unabhängig voneinander entstanden sind. Das Erstaunliche dabei ist, dass die beiden Arten einige auffällige Ähnlichkeiten zeigen, die von den Forschern durch in gleicher Richtung wirkende ökologische Kräfte diskutiert werden ("konvergente Evolution"). Beide Arten laichen nämlich, im Gegensatz zu ihren herbstlaichenden Verwandten, im Frühjahr, und zeigen einige gleiche morphologische Veränderungen. Darüber hinaus weist ihr Verhalten auf eine Anpassung an ein Leben in sehr tiefen Wasserschichten hin.

    Der eigentliche Prozess, der zur Evolution der Fontanemaräne führte, ist für die Wissenschaft von besonderem Interesse. Zum einen unterstreichen die am Stechlinsee gewonnenen Ergebnisse die revolutionäre Erkenntnis, dass die Herausbildung einer Art viel schneller als bisher angenommen stattfinden kann. Da der Stechlinsee während der letzten Eiszeit entstanden ist, geht daraus klar hervor, dass die neue Art erst während der letzten 12.000 Jahre entstanden sein kann. Zum anderen wurde hiermit auch nachgewiesen, dass Artbildung auch ohne geographische Isolation von Populationen stattfinden kann, ein Vorgang, den Wissenschaftler als "sympatrische Artbildung" bezeichnen.

    Die Entdeckung der Fontanemaräne wirft auch ein ganz besonderes Licht auf den Stechlinsee als Schutzgebiet, denn natürlich kommt die Fontanemaräne weltweit ausschließlich in diesem See vor. Damit steigt die Zahl der weltweit nur oder überwiegend in Deutschland vorkommenden Fischarten auf zwölf an, was unsere besondere internationale Verantwortung für den Erhalt von Biodiversität in aquatischen Systemen unterstreicht.

    Ansprechpartner:
    Michael Schulz, IGB, Abt. Limnologie Geschichteter Seen, email: Michael.Schulz@igb-berlin.de, Telefon: 033082/699-57
    Jörg Freyhof, IGB, Abt. Biologie und Ökologie der Fische, email: freyhof@igb-berlin.de; Telefon: 030/64181613

    Quelle: Schulz, M. & Freyhof, J. 2003. Coregonus fontanae, a new spring-spawning cisco from Lake Stechlin, northern Germany (Salmoniformes: Coregonidae). Ichthyological Exploration of Freshwaters, 14: 209-216

    Das IGB gehört zum Forschungsverbund Berlin e.V. Es betreibt multidisziplinäre Grundlagenforschung zur Struktur und Dynamik aquatischer Ökosysteme. Das IGB erarbeitet wissenschaftliche Grundlagen für neue Ökotechnologien, für nachhaltige Binnenfischerei und für ökotoxikologische bzw. -physiologische Bestimmungskriterien der Gewässergüte. Die Forschungen werden an Grundwasser, Seen, Flüssen und deren Einzugsgebieten überwiegend im nordostdeutschen Tiefland betrieben. Das Institut hat rund 170 Mitarbeiter und einen Etat von zirka elf Millionen Euro.
    Das IGB im Internet: http://www.igb-berlin.de

    Der Forschungsverbund Berlin e.V. (FVB) ist Träger von acht natur-, lebens- und umweltwissenschaftlichen Forschungsinstituten in Berlin, die alle wissenschaftlich eigenständig sind, aber im Rahmen einer einheitlichen Rechtspersönlichkeit gemeinsame Interessen wahrnehmen. Alle Institute des FVB gehören zur Leibniz-Gemeinschaft.
    Der FVB im Netz: http://www.fv-berlin.de


    Bilder

    Die neu entdeckte Maränenart  Coregonus fontanae ("Fontanemaräne"). Foto: IGB
    Die neu entdeckte Maränenart Coregonus fontanae ("Fontanemaräne"). Foto: IGB

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Geowissenschaften, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Die neu entdeckte Maränenart Coregonus fontanae ("Fontanemaräne"). Foto: IGB


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