Spinnen sind erfolgreiche Räuber. Ihr Beuteerfolg hängt maßgeblich von ihrer Fähigkeit ab, effektive Fangnetze zu bauen. Ein Wissenschaftler der Universität Greifswald hat zusammen mit Forschenden aus den USA, Taiwan und Argentinien den Aufbau und die Eigenschaften der Spinnfäden einer australischen Spinnenart genauer untersucht. Die Studie hat gezeigt, dass unterschiedliche Webtechniken die Eigenschaften von Spinnfäden vor allem hinsichtlich ihrer Elastizität entscheidend beeinflussen. Die Ergebnisse sind kürzlich in der Fachzeitschrift Scientific Reports (DOI: 10.1038/s41598-019-45552-x) erschienen.
Spinnenseide ist ein bedeutendes Biomaterial. Erkenntnisse über deren Aufbau und Zusammensetzung können ein erster Schritt sein, um innovative Materialien nach dem Vorbild der Natur zu entwickeln. Vor diesem Hintergrund hat ein Forschungsteam um einen Greifswalder Zoologen Spinnenfäden der Otway-Krallenspinne (Progradungula otwayensis) untersucht. Die endemische Otway-Krallenspinne kommt nur im Great Otway National Park in Australien vor. Die Studien an dieser seltenen Spinne zeigen erstmalig, dass eine unterschiedliche Verarbeitung verschiedener Fasertypen in komplexen Kräuselfäden natürlich vorkommt. Die Art der Verarbeitung wiederum beeinflusst die Eigenschaften des Fadens in Fangnetzen entscheidend. Bisher wurden die mechanischen Eigenschaften von Fangfäden lediglich mit deren Proteinstruktur verbunden.
Bei der Produktion der Fangfäden setzen verschiedene Spinnenarten unterschiedliche Techniken ein. Die häufigsten und am besten erforschten Fangfäden sind mit zähflüssigen Leimtröpfchen beschichtet. Die Eigenschaften dieser Fäden werden stark durch die Proteine bestimmt, aus denen sich die Fäden zusammensetzen. Die australische Krallenspinne nutzt hingegen Kräuselfäden – sogenannte cribellate Fäden – für den Beutefang. Diese sind vor allem typisch für die Fangnetze von ursprünglichen Spinnenarten. Ihre Fangfäden sind leimfrei und viel komplexer im Aufbau als die Leimfäden. Sie bestehen aus ein oder zwei axialen Fasern, die mit der Fangwolle verwoben werden. Die Fangwolle besteht aus tausenden Nanofasern. Darin werden weitere Fasern eingewoben, was für eine erhöhte Elastizität sorgt. Bei der Produktion der Kräuselfäden werden die Nanofasern mit einem Borstenkamm, der sich an den Hinterbeinen der Spinne befindet, aufgekämmt. Die Art der Verarbeitung der Nanofasern bestimmt die mechanischen Eigenschaften des Fadens. Sie ist entscheidend für die Elastizität und Klebkraft der Fangwolle.
Die Studie zeigt nun erstmalig, dass cribellate Spinnen wie die Otway-Krallenspinne auch ohne den Einsatz eines Borstenkamms Kräuselfäden produzieren kann. Die ungekämmten Kräuselfäden der Krallenspinne haben aufgrund der unterschiedlichen Verarbeitung eine deutlich verringerte Klebkraft und sind nur auf die doppelte Länge dehnbar. Die gekämmten Fäden dieser Spinne sind dagegen extrem elastisch. Sie lassen sich bis auf das 14-fache ihrer ursprünglichen Länge dehnen und sind somit die bisher elastischsten Fäden, die man von Spinnen kennt. Besonders interessant ist, dass die Krallenspinne die beiden unterschiedlich produzierten Fäden auch für verschiedene Zwecke nutzt. Die ungekämmten Kräuselfäden werden nicht zum Beutefang, sondern als Rahmenfäden im Netz verwendet. An diesen Rahmenfäden werden dann die Fangfäden angeheftet. Die ungekämmten Fäden der Krallenspinne sind jedoch deutlich elastischer als normale Rahmenfäden in Spinnennetzen, was die Gesamtelastizität des Fangnetzes erhöht.
Weitere Informationen
Michalik P., Piorkowski D., Blackledge T. A., Ramírez M. J. (2019): „Functional trade-offs in cribellate silk mediated by spinning behavior,“ in: Scientific Reports 9(1): 2045-2322. DOI: 10.1038/s41598-019-45552-x
FOTOS:
Die Otway-Krallenspinne knüpft ein leiterförmiges Fangnetz – Foto: Martín J. Ramírez
Mikroskopische Aufnahme eines gekämmten Kräuselfadens der Otway-Krallenspinne – Foto: Peter Michalik
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Ansprechpartner an der Universität Greifswald
PD Dr. Peter Michalik
Zoologisches Institut und Museum
Loitzer Straße 26, 17489 Greifswald
Telefon +49 3834 420 4099
michalik@uni-greifswald.de
http://www.zoologie.uni-greifswald.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Studierende, Wissenschaftler
Biologie
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
Deutsch
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