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24.09.2019 17:45

Eine „Gebrauchsanweisung“ für digitale Dienstleistungen: DIN SPEC 33453

Katrina Jordan Abteilung Kommunikation
Universität Passau

    Einmal ist immer das erste Mal – und die Hürde des Anfangs stellt im Bereich der digitalen Dienstleistungen für viele Unternehmen eine besondere Herausforderung dar, insbesondere, wenn sie vor der Entscheidung stehen, eine solche Dienstleistungen selbst zu entwickeln. Expertinnen und Experten aus Hochschulen, Fachinstituten und Unternehmen in ganz Deutschland – darunter auch Teams der Universität und der ZF Friedrichshafen AG in Passau – haben mit der DIN SPEC 33453 nun erstmals eine Verfahrensbeschreibung herausgegeben, die diesem Problem begegnet.

    Die DIN SPEC 33453, die aus dem Programm DIN-Connect gefördert wurde, bündelt zeitgemäße und anwendbare Abläufe und Methoden zu einem versatilen Referenzprozess. Dieser soll es Unternehmen erleichtern, neue Dienstleistungen im digitalen Bereich zu entwickeln und den damit verbundenen organisatorischen Transformationsprozess in einem industriellen Kontext zu meistern.

    Zum Beispiel Unternehmen U: U stellt Maschinen für den industriellen Einsatz her und bietet auch Wartungs- und Instandhaltungsmaßnahmen für diese Maschinen an. Um die Bestandskunden zu binden und neue Kunden anzusprechen, will U zukünftig eine produktbegleitende digitale Dienstleistung zur vorausschauenden Instandhaltung anbieten. Wartungs- und Instandhaltungsbedarfe lassen sich auf diese Weise voraussagen, Ausfälle der Maschinen vermeiden – so die Idee. Digitale Dienstleistungen sind für U neu, ebenso die damit verbundenen externen Anforderungen. Zudem fehlt den Verantwortlichen der Überblick über bereits existierende Angebote auf dem Markt – und auch über die eventuell im eigenen Haus schlummernden Ressourcen, die sich für eine eigene Plattform nutzen lassen. Was tun?

    „Das ist ein klassisches Szenario für viele Unternehmen, gerade im industriellen Bereich“, sagt Prof. Dr. Jan Schumann vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing und Innovation. Häufig greifen die Unternehmen dann zu vertrauten Verfahren, die sie aus der klassischen Produktgestaltung kennen, und versuchen, diese auf die Entwicklung von digitalen Services zu übertragen – nicht unbedingt falsch, aber in einer Welt, in der Innovationszyklen laufend kürzer und Dienstleistungen laufend komplexer werden, auch nicht unbedingt zeitgemäß und effizient.

    Hier setzt die neue DIN SPEC an: Sie bietet einen grundlegenden Leitfaden für Abläufe und Verfahren, der für Unternehmen umsetzbar ist – und zwar unabhängig davon, ob sie sich gerade erst ins Thema einfinden, vor einer Neuentwicklung stehen oder eine Weiterentwicklung bereits vorhandener Dienstleistungen planen. „Das Besondere an unserem Referenzprozess ist, dass er als Kreislauf dreier Phasen modelliert ist und flexible Einstiegspunkte ermöglicht“, fasst Schumann zusammen.

    Drei-Phasen-Modell ermöglicht flexiblen Prozesseinstieg

    „Unternehmen U, das mehr oder weniger bei Null anfängt, würde den Entwicklungsprozess demnach in der Analysephase beginnen, diese möglicherweise auch wiederholt durchlaufen, bis sich eine konkrete Idee ergeben hat, oder auch ganz abbrechen, wenn die Analysephase keinen vielversprechenden Ansatz ergeben hat. Unternehmen, die eine bereits erfolgreich implementierte Dienstleistung verbessern oder weiterentwickeln wollen, werden die Analysephase vielleicht fokussierter und kürzer durchlaufen oder sogar direkt in die Gestaltungsphase einsteigen und die Analysephase bei Bedarf nachschieben.“ Die Kreislaufstruktur ermögliche es zudem, immer wieder von Neuem den Prozess ganz oder teilweise zu durchlaufen und so flexibel und bedarfsgerecht auf neue Entwicklungen zu reagieren. Ein umfangreicher Katalog empfehlenswerter Methoden ergänzt das Modell.

    Dass die DIN SPEC den Bedürfnissen der Kunden insgesamt einen hohen Stellenwert einräumt, geht vor allem auch auf den Beitrag der Universität Passau zurück, wo sich Schumann und sein Team intensiv zu Fragestellungen des Kundenbeziehungsmanagements sowie der Kundenpsychologie im betriebswirtschaftlichen Kontext, insbesondere im Zusammenhang mit neuen Technologien, forschen. Bei Schumann ist u. a. das Projekt „Digivation“ angesiedelt, das durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut wird. Es verknüpft digitale Prozessinnovationen mit neuartigen Konzepten zur Entwicklung digitaler Dienstleistungen und untermauert auch Aspekte der DIN SPEC.

    „Neue Markt- und Kundenanforderungen schnell integrieren“

    Aus Passau ist zudem unternehmerische Expertise eingeflossen: Die ZF Friedrichshafen AG in Passau beteiligte sich ebenfalls mit einem Team am Konsortium. Der Verantwortliche für Data Analytics Dr. Christian Reischl erläutert den Mehrwert der neuen DIN SPEC für das Unternehmen: „Inmitten der digitalen Transformation ist es erforderlich den Wandel aktiv mitzugestalten. Eine Herausforderung bei unseren neuen Systemlösungen besteht darin, ‚klassische‘ Produkte mit intelligenten Zusatzfunktionen attraktiver zu gestalten und daraus neue Geschäftsmodelle abzuleiten.“

    Für die Entwicklung von neuen digitalen Dienstleistungssystemen biete die Verfahrensbeschreibung der DIN SPEC die nötige Flexibilität und Agilität, so Reischl. Sie enthalte außerdem Elemente aus dem Service Engineering, die bei der Entwicklung digitaler Systeme im industriellen Umfeld sehr gut unterstützen. „Aufbauend auf diesem Modell sind wir in der Lage, neue Markt- und Kundenanforderungen auch in laufende Innovationsvorhaben schnell zu integrieren. Die zusätzlich entstandene Sammlung an Innovationsmethoden ist eine hilfreiche Ergänzung, die es uns ermöglicht unseren Innovationsprozess strukturierter, schlanker und marktorientierter auszurichten.“

    Und Unternehmen U? Hier wird man sich auf Grundlage der DIN SPEC vielleicht für eine Kundenbefragung entscheiden – und feststellen, dass es am Markt bisher weder eine übergreifende digitale Plattform für eine vorausschauende Instandhaltung gibt, noch Wettbewerber, die eine solche planen. U hätte also gute Gründe, in eine intensive Ideen- und Beratungsphase einzutreten, um zügig die Entwicklung einer eigenen Plattform für diese Marktlücke anzustoßen. Gut möglich, dass bis zur erfolgreichen Markteinführung nicht alles reibungslos läuft – „aber dann lässt sich dank des Modells ein geeigneter Punkt finden, an dem das Unternehmen neu ansetzen kann“, so Schumann. Wie es auch kommt: Die Hürde des Anfangs ist wird dann mit hoher Wahrscheinlichkeit kein Thema mehr sein.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Jan H. Schumann, jan.schumann@uni-passau.de


    Originalpublikation:

    www.beuth.de/de/technische-regel/din-spec-33453/310511528


    Weitere Informationen:

    http://www.digivation.de - Mehr über das Gesamtprojekt Digivation


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Wirtschaft
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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