Wer an einer terminalen Störung der Nierenfunktion leidet, muss meist regelmäßig zur Dialyse. Für Betroffene ist die künstliche Blutwäsche eine große Belastung. Um die Giftstoffe aus dem Blut zu entfernen, sind erhebliche Mengen reinigenden Dialysewassers erforderlich. Bislang gibt es keine Lösung, um dieses Dialysat kostengünstig zurückzugewinnen. Fraunhofer-Forscherinnen und Forscher entwickeln derzeit mit dem Kryoverfahren eine Methode, um Verunreinigungen im Wasser zu entfernen, ohne es zu verlieren. Mit diesem Ansatz lassen sich nicht nur Kosten einsparen – auch eine tragbare künstliche Niere für eine schonendere, wasserautarke Langzeitdialyse ist somit denkbar.
Etwa 90 000 Menschen müssen in Deutschland pro Jahr dreimal pro Woche für vier bis fünf Stunden zur Dialyse, weil ihre Nieren nicht mehr funktionieren. Sie können Giftstoffe nicht ausreichend über das Organ ausscheiden. Bei dem medizinischen Verfahren werden die schädlichen Stoffwechselgifte aus dem Blut entfernt, indem sie außerhalb des Körpers durch eine halbdurchlässige Membran in eine spezielle Dialyseflüssigkeit, das Dialysat, geleitet werden. Die Poren der Membran sind so fein, dass nur Giftstoffe bis zu einer bestimmten Größe sie passieren können. Kleine Moleküle wie Wasser, Elektrolyte und harnpflichtige Substanzen – Harnstoff, Harnsäure und Kreatinin – werden durchgelassen und gelangen in die Reinigungsflüssigkeit, aber große Moleküle wie Eiweiße und Blutzellen werden zurückgehalten. Die gesamte Blutmenge wird etwa drei mal pro Stunde reinigend umgewälzt.
Dialysat nur einmal verwendbar
Für eine Dialysebehandlung werden ca. 400 Liter Dialysat benötigt. Kliniken und Dialysepraxen stellen dieses Wasser durch Umkehrosmoseanlagen bereit, die viel Energie verbrauchen und teuer sind. Die Herausforderung: Das Dialysat kann nur einmal verwendet werden, da es nach der Blutwäsche als Abwasser verschwindet. Bezogen auf ein Jahr und 90 000 Patienten sind mehr als 5,6 Millionen Kubikmeter hochreines Wasser erforderlich. In vielen Regionen weltweit ist diese Voraussetzung nicht gegeben. Schätzungen gehen davon aus, dass jedes Jahr mehr als eine Million Menschen sterben, da sie keinen Zugang zur Dialyse haben.
»Dialysewasser ist kostbar. Das Dialysewasser eines Jahres in Deutschland füllt einen Würfel mit einer Kantenlänge von 175 Meter. Bis heute gibt es jedoch kein günstiges Dialysat-Rückgewinnungsverfahren«, sagt Dr. Rainer Goldau, Wissenschaftler der Abteilung Extrakorporale Immunmodulation am Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie IZI in Rostock, dessen Forschungsarbeiten sich dieser Problematik widmen. Der Körper stellt am Tag etwa 25 Gramm Harnstoff her. Dieses Molekül ist so groß wie ein Wassermolekül, daher gelangt es durch die Filtermembran ins Dialysat. Das Umkehrosmoseverfahren, das für die Reinigung von Trinkwasser verwendet wird, hat keine ausreichende Filterleistung gegenüber Harnstoff, es eignet sich daher nicht für die Rückgewinnung. Es gibt zwar aufwändige enzymatische Verfahren, mit denen sich das Abwasser der Dialyse so reinigen lässt, dass man es am Patienten wiederverwenden kann, aber die hierfür erforderlichen Filter und Kartuschen sind sehr teuer. Regionen mit einem hohen Armutsfaktor, in denen zudem Wassermangel herrscht, können sich derartige Verfahren nicht leisten.
Dialyse mit patienteneigenem Wasser
Dr. Goldau setzt daher auf eine andere Variante: die Kryoreinigung, die auf der aus der Getränkeindustrie bekannten Gefrierkonzentration basiert. Mit dem Kryoverfahren soll aus den Patienten gewonnenes Wasser zu über 90 Prozent zurückgeführt werden. Die Idee: Man konzentriert nur in die zwei bis drei Liter Wasser pro Tag, die man ohnehin ausscheidet, die bei der Dialyse also immer entfernt werden müssen. Die Patienten können es durch Trinken ersetzen. Der Rest – in der Regel sind es 25 bis 30 Liter pro Tag – wird nach der Reinigung für die Dialyse wieder rückgeführt. »Die zu verwerfende Wassermenge liegt bei unseren Experimenten unter 10 Prozent. Diese Menge ist erforderlich, um die Giftstoffe herauszufiltern. Unser Verfahren konzentriert damit fast so gut wie die Nieren selbst«, sagt Goldau. Damit wollen der Forscher und sein Team eine vollwertige Dialyse mit patienteneigenem Wasser etablieren, ohne die Nierenkranken zu dehydrieren. Teure Filter und Kartuschen würden unnötig.
Doch wie funktioniert die Kryoreinigung? Sie nutzt das Prinzip, dass man Wasser gefriert und dass die Kristallgitterstruktur von gefrorenem Wasser alle zuvor gelösten Fremdsubstanzen ausschließt. Sie bleiben auf der Oberfläche des Kristalls. »Die beim Gefrieren von Wasser entstehenden Eiskristalle haben die Fähigkeit, Verunreinigungen auszuschließen. Die Urämietoxine, also alle Abbauprodukte, die der Körper mit dem Urin ausscheiden muss, könnten so herausgefiltert werden«, erläutert Goldau. Diesen Vorgang kann man mit einer Waschsäule erzielen, ähnlich wie sie in der Getränke- oder auch der Chemieindustrie verwendet wird. Für die mobile Dialyse ist eine kleine Waschsäule ausreichend, um etwa 30 bis 40 ml/min Dialysat herzustellen. Zum Aufbereiten des frischen Dialysats ist nur eine geringe Menge an Energie erforderlich. Der Strom könnte wahlweise aus der Steckdose kommen, aus dem Kraftfahrzeug oder von Solarzellen bezogen werden. Ein entsprechender Labordemonstrator mit Kühleinheit befindet sich im Bau, das Verfahren ist zum Patent angemeldet. Derzeit arbeiten die Forscher an einer automatisierten Lösung, für deren Entwicklung sie noch Unterstützung von Partnern aus der Industrie benötigen.
Tragbare Niere für die Heimdialyse
»Unsere Form der Dialyse lässt sich sogar mobil gestalten, eine tragbare Hämodialyse wäre möglich«. Die Vision des Rostocker Forschers: Der Patient erhält einen Gefäßanschluss, über den das Blut und das überschüssige Wasser entnommen und zugleich zurückgegeben wird. Dieses wird in eine Weste mit einer Dialyse-Filtermembran geleitet, die austauschbare, bis zu vier Liter fassende Wasserkammern enthält. Der Patient verbindet die Weste alle zwei bis drei Stunden mit der transportablen Wascheinheit, die das Alt-Dialysat gegen frisches Wasser austauscht. Das dauert nicht länger als der Gang zur Toilette bei Gesunden.
Die bisherige Dialyse in der Klinik belastet den Körper enorm – die Lebensqualität der Betroffenen ist stark beeinträchtigt. Studien zufolge leben nach zehn Jahren noch 20 bis 40 Prozent der Patienten. Mit der wasserautarken Langzeitdialyse, die jederzeit zuhause oder am Arbeitsplatz erfolgen kann, ließen sich die Morbiditätsrate und die Dialysekosten senken. Zudem würde sie Menschen in den Trockengürteln weltweit zur Verfügung stehen. Ein weiterer Pluspunkt: Dialysezentren und Kliniken könnten die Versorgung mit Wasser kostengünstiger gestalten. Goldau schätzt, mit seinem Verfahren 90 Prozent Wasser und damit auch Abwasser einzusparen, da es sich im Kreislauf befindet und wiederverwendet wird. »Das Gros des Wassers wird recycelt.« Der Physiker geht davon aus, dass das System in etwa fünf bis sieben Jahren ab Entwicklungsstart marktreif sein kann.
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Eine Hämodialyse wird heute oft stationär durchgeführt und greift sehr in den Alltag der Patienten e ...
© Fraunhofer IZI/Dr. Rainer Goldau
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Maschinenbau, Medizin
überregional
Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
Deutsch
Eine Hämodialyse wird heute oft stationär durchgeführt und greift sehr in den Alltag der Patienten e ...
© Fraunhofer IZI/Dr. Rainer Goldau
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