Digitale Sprachassistenten sind auf dem Vormarsch, laut einer Studie der Postbank spricht bereits jeder dritte Deutsche täglich mit Alexa, Siri oder Google Assistant. Während Diskussionen zu Privatsphäre und Datenschutz diese Entwicklung begleiten, blieb eine wichtige Frage zu den intelligenten Dienstboten bisher unbeantwortet: Wie verändern digitale Sprachassistenten unsere Informationsbeschaffung und unser Wissen? Im Rahmen des landesweiten Forschungsverbunds digilog@bw (Digitalisierung im Dialog) sucht das Tübinger Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) jetzt nach Antworten.
„Ok Google, wo liegt Tel Aviv?“, „Wie wird das Wetter, Alexa?“, „Siri, was sind Chromosomen?“ – 32 Prozent der Deutschen sprechen täglich mit einem digitalen Helfer von Apple, Google oder Amazon. Tendenz steigend. Die Rede ist hierbei nicht nur von Smart Speakern im Wohnzimmer, sondern auch von den Sprachassistenten, die längst Bestandteils jedes Smartphones sind. Die elektronischen Helfer erinnern an Termine, steuern das Smart Home oder sagen das Wetter voraus. Am häufigsten werden digitale Sprachassistenten aber zur Informationssuche genutzt – etwa in Form von Wissensfragen. Doch während Suchmaschinen mehrere Ergebnisse am Bildschirm auflisten, klingt bei Alexa und Co. nur eine einzelne Antwort aus dem Lautsprecher. Wie das die Suche nach Informationen und ihre Bewertung verändern, stand bisher kaum im Fokus wissenschaftlichen Interesses. Wissenschaftlerinnen der Nachwuchsgruppe Soziale Medien des Leibniz-Instituts für Wissensmedien (IWM) in Tübingen schließen diese Forschungslücke und beleuchten die Informationssuche über Sprachassistenten aus medienpsychologischer Perspektive.
Wie smart ist die Suche mit intelligenten Assistenten?
Wer einen Sprachassistenten hat, baut oftmals eine soziale Bindung mit dem technischen Helferlein auf. „Wenn Menschen sprachbasierte Software wie Alexa nutzen, um nach Informationen zu suchen, so nehmen sie diese Mensch-Maschinen-Interaktion häufig wie ein Gespräch mit einer anderen Person wahr“, erklärt Prof. Dr. Sonja Utz, Leiterin der Arbeitsgruppe Soziale Medien am IWM. Das Forscherteam um die Medienpsychologin interessiert daher beispielsweise, ob Nutzerinnen und Nutzer durch diese natürliche Interaktionsform vermehrt nach Informationen suchen und dadurch besser informierte Entscheidungen treffen oder aber etwa aufgrund von Höflichkeitsnormen den ersten Lösungsvorschlag eines virtuellen Assistenten annehmen. Durch breit angelegte Studien mit Befragungen auf Europaebene, Analysen von Logfiles sowie psychologischen Experimenten untersucht das Forscherteam, wie Menschen digitale Sprachassistenten in ihrem Alltag nutzen und wie sich der Umgang mit den KI-gestützten Technologien auf Wissensprozesse und das Vertrauen in Quellen auswirkt.
Vom Kinderzimmerfreund zum Dauerbegleiter – Medienkompetenz gefragt
Auch die Versiertheit der Nutzerinnen und Nutzer wird eine wichtige Rolle spielen: „Vielen Userinnen und Usern ist die firmengetriebene Logik hinter den Sprachassistenten gar nicht bewusst“, so Sonja Utz. Mit dem Fokus auf die Entwicklung von Medienkompetenzen bei Erwachsenen möchte das Forscherteam zudem Erkenntnisse für einen selbstbestimmten Umgang mit den digitalen Technologien liefern – ein Vorhaben mit Blick auf die Zukunft. Denn während man sich in Deutschland gegenüber den digitalen Mitbewohnern noch vergleichsweise zurückhaltend zeigt, gehören in US-amerikanischen Kinderzimmern Alexa und Co. längst zum Inventar. Mit der Gatebox aus Japan bekommt die Lautsprecherstimme sogar eine virtuelle Mädchengestalt. „Aber Deutschland zieht nach“, berichtet Projektleiterin Franziska Gaiser. Die IWM-Doktorandin konnte in ihrer Masterarbeit bereits nachweisen, dass viele Nutzerinnen und Nutzer ein persönliches Verhältnis zum Sprachassistenten aufbauen und ihn mitunter als Familienmitglied betrachten. „In Zukunft werden wir es nicht mehr komisch finden, mit einem intelligenten Gerät zu sprechen. Höchste Zeit, dass wir in Erfahrung bringen, was das mit unserem Wissen und unserer Autonomie macht.“ Dass die Digitalisierung der Gesellschaft weit mehr als nur eine Diskussion technischer Neuerungen verlangt, zeigt auch der gesamte Forschungsverbund digilog@bw.
digilog@bw: Digitalen Wandel zum Wohl der Menschheit gestalten
Im Rahmen der Digitalstrategie unterstützt das Land Baden-Württemberg Forschungsverbünde, die sich den ethischen und sozialen Fragen der Digitalisierung widmen. Um Politik und Gesellschaft wissenschaftlich fundiertes Orientierungswissen zu bieten, haben sich unter der Leitung der Universität Mannheim im digilog-Verbund das Karlsruher Institut für Technologie (KIT), das Internationale Zentrum für Ethik in den Wissenschaften der Universität Tübingen (IZEW), das Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS), das Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), das Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften (GESIS), das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) sowie das Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) zusammengeschlossen. Das IWM bringt in das auf drei Jahre angelegte und mit 2,2 Millionen Euro vom Land geförderte Projekt seine langjährige Expertise zur Wissensvermittlung mit digitalen Medien ein – und nutzt Synergieeffekte. Durch den interdisziplinären Schulterschluss mit den Projektpartnern soll auch an den ethischen und juristischen Herausforderungen gearbeitet werden, die die digitalen Sprachassistenten mit sich bringen.
Pressekontakt
Simone Falk von Löwis of Menar
Schleichstraße 6, 72076 Tübingen
Tel.: 07071 979-286
E-Mail: s.falk@iwm-tuebingen.de
Das Leibniz-Institut für Wissensmedien
Das Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen erforscht, wie digitale Technologien eingesetzt werden können, um Wissensprozesse zu verbessern. Die psychologische Grundlagen-forschung der rund 90 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ist auf Praxisfelder wie Schule und Hochschule, auf Wissensarbeit mit digitalen Medien, wissensbezogene Internetnutzung und Wissensvermittlung in Museen ausgerichtet. Seit 2009 unterhält das IWM gemeinsam mit der Universität Tübingen Deutschlands ersten Leibniz-WissenschaftsCampus (WCT), zunächst zum Thema „Bildung in Informationsumwelten“, seit 2017 unter dem Titel „Kognitive Schnittstellen“.
Smart Talk mit Sprachassistenten wird immer beliebter
Copyright Adobe Stock/Andrey Popov (Veröffentlichung nur nach Rücksprache mit IWM)
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Informationstechnik, Medien- und Kommunikationswissenschaften, Psychologie
überregional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
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