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14.10.2019 17:00

Katzengold und Kohlendioxid: Wie Pyrit das Klima beeinflusste - Neue Veröffentlichung in Nature Geoscience

Jana Nitsch Pressestelle
MARUM - Zentrum für Marine Umweltwissenschaften an der Universität Bremen

    Eiszeitzyklen prägten die letzten 2,6 Millionen Jahre der Erdgeschichte. Fest steht, dass Veränderungen der Konzentration von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre maßgeblich für diese natürlichen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten verantwortlich waren. Wodurch jedoch der Kohlendioxidanstieg ausgelöst wurde, der die Übergänge von Kalt- zu Warmzeiten prägte, war bisher nicht zufriedenstellend verstanden. Dr. Martin Kölling vom MARUM hat zusammen mit Kolleginnen und Kollegen ein neues Modell entwickelt, in dem die Verwitterung von Pyrit, einem oft vorkommenden schwefelhaltigen Mineral, hierbei eine Schlüsselrolle zukommt.

    Eiszeitzyklen prägten die letzten 2,6 Millionen Jahre der Erdgeschichte. Fest steht, dass Veränderungen der Konzentration von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre maßgeblich für diese natürlichen Wechsel von Kalt- und Warmzeiten verantwortlich waren. Wodurch jedoch der Kohlendioxidanstieg ausgelöst wurde, der die Übergänge von Kalt- zu Warmzeiten prägte, war bisher nicht zufriedenstellend verstanden. Dr. Martin Kölling vom MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen hat zusammen mit Kolleginnen und Kollegen ein neues Modell entwickelt, in dem die Verwitterung von Pyrit, einem oft vorkommenden schwefelhaltigen Mineral, hierbei eine Schlüsselrolle zukommt. Die Ergebnisse werden am 14. Oktober 2019 im Fachjournal Nature Geoscience veröffentlicht.

    „Katzengold“ lautet der umgangssprachliche Name für Pyrit, ein häufig auftretendes Mineral, das als Kristall goldene Würfel bildet, in Ablagerungen am Ozeanboden fein verteilt allerdings für eine schwarze Färbung sorgt. Bei Kontakt mit Luft verwittert Pyrit; dabei entsteht Säure, die wiederum Kalk auflöst und dabei das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid (CO2) in die Atmosphäre freisetzt. Martin Kölling vom MARUM hat jetzt die Folgen der Pyritverwitterung im Zusammenhang mit Meeresspiegeländerungen untersucht, die mit Eiszeitzyklen einhergehen. Seine Berechnungen basieren auf der Grundidee, dass in Eiszeiten der Meeresspiegel über einhundert Meter tiefer lag als heute wodurch weltweit mehr als 20 Millionen Quadratkilometer Schelf trocken lagen. Dort konnte dann Pyrit im großen Maßstab verwittern und dabei CO2 in die Atmosphäre freisetzen.

    Das MARUM gewinnt grundlegende wissenschaftliche Erkenntnisse über die Rolle des Ozeans und des Meeresbodens im gesamten Erdsystem. Die Dynamik des Ozeans und des Meeresbodens prägen durch Wechselwirkungen von geologischen, physikalischen, biologischen und chemischen Prozessen maßgeblich das gesamte Erdsystem. Dadurch werden das Klima sowie der globale Kohlenstoffkreislauf beeinflusst und es entstehen einzigartige biologische Systeme. Das MARUM steht für grundlagenorientierte und ergebnisoffene Forschung in Verantwortung vor der Gesellschaft, zum Wohl der Meeresumwelt und im Sinne der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen. Es veröffentlicht seine qualitätsgeprüften, wissenschaftlichen Daten und macht diese frei zugänglich. Das MARUM informiert die Öffentlichkeit über neue Erkenntnisse der Meeresumwelt, und stellt im Dialog mit der Gesellschaft Handlungswissen bereit. Kooperationen des MARUM mit Unternehmen und Industriepartnern erfolgen unter Wahrung seines Ziels zum Schutz der Meeresumwelt.

    Verglichen mit dem heutigen, durch Menschen verursachten CO2-Ausstoß war dies eine kleine, aber bedeutende Menge, die in der gleichen Größenordnung wie der CO2-Ausstoß von Vulkanen liegt. „Global handelt es sich dabei um eine für das Klimasystem wirksame Menge“, sagt Kölling. Vor allem sei der CO2-Ausstoß systematisch vor dem Ende von Eiszeiten erfolgt. „Wir vermuten aufgrund unserer Berechnungen, dass dieser Prozess dabei geholfen hat, die Eiszeiten zu beenden“, so der Forscher weiter. Die Pyritverwitterung könnte ein bislang unbeachteter Prozess sein, der über den Treibhauseffekt indirekt das Schmelzen der Gletscher und damit den Meeresspiegelanstieg sowie das Eiszeitende steuerte.

    Für das Modell hat Kölling in Eisbohrkernen nachgewiesene CO2-Gehalte sowie den Meeresspiegel der letzten 800.000 Jahre analysiert und miteinander verglichen. Sein Ergebnis: Nimmt man die ganz niedrigen Meeresspiegelstände in den Kaltzeiten aus, verlaufen Meeresspiegel und Kohlenstoffdioxid in erstaunlich parallelen Kurven: Steigt der Meeresspiegel um einen Meter, erhöht sich auch der CO2-Gehalt um 0,001 Promille. In den vergangenen 800.000 Jahren war der Meeresspiegel so zu einem Großteil an den Kohlendioxidgehalt gekoppelt.

    Steigt der Meeresspiegel nach einer Eiszeit an, wird der Kontinentalschelf nach und nach wieder mit Wasser bedeckt – und es kann sich in den oberen Metern des Sediments, durch den Zerfall organischer Substanz, neuer Pyrit bilden. Allerdings reicht meist die Dauer der Warmzeiten nicht aus, um den ursprünglichen Pyritgehalt im Schelf wieder "aufzufüllen". Aus diesem Grund, so Kölling, ist die so genannte Pyritverwitterungsfront, also die Schicht im Kontinentalschelf, an der in Eiszeiten in der Tiefe Pyrit oxidiert, mit jeder Vereisung weiter nach unten gewandert. Damit verlagert sich der Meeresspiegelstand, ab dem in großem Umfang Pyritverwitterung einsetzt, immer weiter nach unten. Aktuell liegt diese Front laut Kölling bei etwa 90 Meter unter dem heutigen Meeresspiegel.

    Köllings Modell berechnet das Freisetzen von CO2 in Abhängigkeit vom Meeresspiegelstand für die letzten drei Millionen Jahre. Dabei bietet es auch eine Erklärung für die länger werdenden Zyklen, in denen sich Kalt- und Warmzeiten abwechseln. Bereits seit den siebziger Jahren rätseln Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, was dazu geführt hat, dass sich vor etwa einer Million Jahren die Länge der Eiszeitzyklen von etwa 41.000 Jahren auf 80.000 bis 120.000 Jahre verlängert hat. Bekannt ist, dass die Schiefe der Erdachse, die mit einer Periode von 41.000 Jahren schwankt, einen großen Einfluss auf das Erdklima hat. Da es bisher keine schlüssige Theorie gab, warum in den letzten etwa eine Million Jahren nicht jeder Erdschiefe-Zyklus auch eine Rückkehr zu einer Warmzeit bewirkt hat, gingen die meisten Forschenden davon aus, dass ein astronomischer Zyklus mit einer Periode von circa 100.000 Jahren vor etwa einer Million Jahren an Bedeutung für das Erdklima gewonnen hat. Zyklen solcher Länge existieren, allerdings ist deren direkter Einfluss auf das Erdklima eher gering und es gab vor einer Million Jahren keine grundsätzliche Änderung der astronomischen Bedingungen.

    Eine neue Erklärung liefert nun Köllings Modell: vor rund einer Million Jahren war die Pyritverwitterungsfront weltweit in den Schelfen soweit nach unten gewandert, dass die Meeresspiegeländerung innerhalb eines Erdschiefe-Zyklus nicht mehr ausreichte, um tiefen Pyrit im Schelf freizulegen. Es wurde also kein Kohlenstoffdioxid durch Pyritverwitterung freigesetzt. Die Atmosphäre erwärmte sich nicht ausreichend und, ohne echte Warmzeit, wurde ein zweiter Erdschiefe-Zyklus durchlaufen. Hierbei sank der Meeresspiegel dann soweit ab, dass der Prozess der Pyritverwitterung einsetzen konnte und dabei half eine Warmzeit "einzuläuten".


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Martin Kölling
    Sediment-Geochemie
    Telefon: 0421 218 65111
    E-Mail: koelling@uni-bremen.de


    Originalpublikation:

    Martin Kölling, Ilham Bouimetarhan, Marshall E. Bowles, Thomas Felis, Tobias Goldhammer, Kai-Uwe Hinrichs, Michael Schulz, Matthias Zabel: Consistent CO2 release by pyrite oxidation on continental shelves prior to glacial terminations. Nature Geoscience 2019.
    DOI: 10.1038/s41561-019-0465-9


    Weitere Informationen:

    http://www.marum.de


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    Durch Pyritverwitterung versauertes Wasser im Rio Tinto, Spanien. In den Eiszeiten könnten Küstengewässer aufgrund der Pyritverwitterung in den ehemaligen Schelfsedimenten so ausgesehen haben.
    Durch Pyritverwitterung versauertes Wasser im Rio Tinto, Spanien. In den Eiszeiten könnten Küstengew ...

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    Dr. Martin Kölling mit einer Pyritknolle.
    Dr. Martin Kölling mit einer Pyritknolle.
    Foto: MARUM – Zentrum für Marine Umweltwissenschaften der Universität Bremen, V. Diekamp
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Biologie, Chemie, Geowissenschaften, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Durch Pyritverwitterung versauertes Wasser im Rio Tinto, Spanien. In den Eiszeiten könnten Küstengewässer aufgrund der Pyritverwitterung in den ehemaligen Schelfsedimenten so ausgesehen haben.


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