idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
17.10.2019 12:09

Die wahrscheinlich kleinsten Stabmagnete der Welt

Marco Körner Abteilung Hochschulkommunikation/Bereich Presse und Information
Friedrich-Schiller-Universität Jena

    Der Jenaer Chemiker Dr. Michael Böhme arbeitet mit Hilfe der Computerchemie an Molekülketten, die sich wie winzige Magnete verhalten. Die Eigenschaften dieser Ketten zu berechnen, ist jedoch technisch kaum möglich. Um die Berechnungen zu vereinfachen, betrachtete er statt einer schier endlosen Kette verschieden große Ringe. Darauf aufbauend entwickelte er mit Prof. Dr. Winfried Plass von der Universität Jena ein Computermodell, mit dem die Messdaten der realen Moleküle nun besser interpretiert und Eigenschaften genauer vorhergesagt werden können. Mit dieser in „Chemical Science“ veröffentlichten Arbeit wollen sie einen Beitrag leisten, solche magnetischen Systeme zu optimieren.

    Sogenannte Einzelketten-Magnete sind Verbindungen, bei denen bestimmte magnetische Metall-Ionen – etwa Kobalt – wie auf einer Perlenkette aufgereiht sind. „Die einzelnen Metallzentren bilden zusammen jeweils eine magnetische Domäne“, sagt Prof. Dr. Winfried Plass, der Böhmes Arbeit betreute. „Diese Domänen können magnetische Informationen speichern.“ Deren genaue Eigenschaften lassen sich aber nur schwer interpretieren oder vorhersagen. „Diese Systeme sind hochkomplex“, ergänzt Dr. Michael Böhme. „Zum einen sind die Ketten in der Wirklichkeit ja nicht unendlich – das heißt, auch ihre Enden wirken sich auf die Eigenschaften aus. Andererseits sind die Metallzentren nicht identisch aufgebaut. Je nachdem in welcher Reihenfolge sie angeordnet sind, wirkt sich das auch auf den Magnetismus aus, den wir am Ende im Experiment beobachten.“ Er fügt hinzu: „Das bringt die bisherigen theoretischen Modelle an ihre Grenzen, mit denen wir diese Eigenschaften interpretieren oder vorhersagen.“

    Näher an der Wirklichkeit

    Dazu komme ein weiteres Problem, sagt Prof. Plass: „Die bisher verfügbaren Computer sind nicht leistungsfähig genug, um die Eigenschaften langer Ketten zu berechnen. Für die sogenannten ab-initio-Berechnungen brauchen sie für ein einzelnes Metallzentrum etwa eine Woche. Eine komplette Domäne aus mehreren Zentren zu berechnen, ist mit aktuellen Computern nicht durchführbar.“ Bereits in den 1920er Jahren wurde das sogenannte Ising-Modell entwickelt, das magnetische Molekülketten stark vereinfacht betrachtet. „Im Wesentlichen wird das Ising-Modell seit einhundert Jahren bis heute benutzt“, sagt Plass. „Was Michael Böhme jetzt gemacht hat, war, ein weniger idealisiertes Modell auf der Basis von ab-initio-Berechnungen zu entwickeln, das näher an der Wirklichkeit liegt.“

    „Neben den eigentlichen Metallzentren sind auch die Bindeglieder wichtig, die die Wechselwirkung zwischen den magnetischen Zentren vermitteln“, führt Böhme weiter aus. „Diese Informationen erhalten wir, indem wir das theoretische Modell an die tatsächlich erhaltenen Messdaten anpassen. Auf diese Weise können wir schließlich die Eigenschaften der Domänen berechnen. Das erlaubt uns auch Vorhersagen darüber, wie sich bisher unbekannte Einzelketten-Magnete verhalten.“

    Ringe als „unendliche“ Kette

    Statt eine quasi endlose Kette zu berechnen, wendete Böhme sein Modell auf Ringe mit drei, sechs, neun und zwölf Gliedern an. „Zwölf ist die höchstmögliche Zahl für uns, weil es hier 4.096 mögliche Zustände gibt, die berechnet werden müssen“, erklärt Böhme. Prof. Plass ergänzt: „Wir können aber von diesem Punkt aus die Eigenschaften längerer Ketten durch Extrapolation sehr gut vorhersagen.“

    „Magnetische Materialien sind sehr gut geeignet, um Informationen zu speichern“, weiß Plass. „Einzelne, magnetische Moleküle haben zudem das Potenzial, viel mehr Information unterzubringen als die bisherigen Speichermedien, bei denen einzelne Bereiche magnetisiert werden.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Winfried Plass
    Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Friedrich-Schiller-Universität Jena
    Humboldtstraße 8
    07743 Jena
    Tel.: 03641 / 948130
    E-Mail: sekr.plass[at]uni-jena.de


    Originalpublikation:

    Böhme, M. und Plass, W.: How to link theory and experiment for single-chain magnets beyond the Ising model: magnetic properties modeled from ab initio calculations of molecular fragments, Chemical Science (2019), DOI: 10.1039/C9SC02735A


    Bilder

    Der Jenaer Chemiker Dr. Michael Böhme an einem Hochleistungsrechner der Universität Jena.
    Der Jenaer Chemiker Dr. Michael Böhme an einem Hochleistungsrechner der Universität Jena.
    (Foto: Jan-Peter Kasper/FSU)
    None


    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Chemie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Der Jenaer Chemiker Dr. Michael Böhme an einem Hochleistungsrechner der Universität Jena.


    Zum Download

    x

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).