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30.10.2019 14:00

Haben Fußballprofis ein erhöhtes Demenzrisiko?

Dr. Bettina Albers Pressestelle der DGN
Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.

    Eine aktuell im „The New England Journal“ publizierte retrospektive Kohortenstudie [1] untersuchte die durch neurogenerative Erkrankungen verursachte Sterblichkeitsrate bei ehemaligen Fußballprofis. Im Vergleich zur nicht-fußballspielenden Kontrollgruppe waren bei den Fußballern signifikant häufiger Fälle von Morbus Alzheimer, Parkinson sowie anderen Demenzerkrankungen aufgetreten. Die kardiovaskuläre Sterblichkeit war bei den Fußballern jedoch geringer. Die Studie wirft zahlreiche Fragen auf: Gibt es tatsächlich einen kausalen Zusammenhang? Und was könnte ein solches erhöhtes Risiko medizinisch erklären?

    In der retrospektiven Kohortenstudie waren 7.676 ehemalige Fußballprofis aus Schottland mit über 23.000 Menschen aus der Allgemeinbevölkerung in Hinblick auf Alter, Geschlecht und sozialen Status gematcht und beobachtet worden. Bei denen, die während der Studie verstarben, wurden die Todesursachen erhoben und ausgewertet. In median 18 Jahren verstarben 1.180 ehemalige Fußballprofis (15,4%) und 3.807 Menschen aus der Kontrollgruppe (16,5%) – und der Vergleich zeigte interessante Ergebnisse:

    Die Gesamtmortalität war in der „Fußballergruppe“ bis zum 70. Lebensjahr geringer, dann aber in der Altersgruppe über 70 Jahren höher als in der Kontrollgruppe. Die ehemaligen Fußballprofis wiesen eine signifikant geringere Sterblichkeit an ischämischen Herzerkrankungen (p=0,02) auf als die „Nicht-Fußballer“, auch waren bei ihnen weniger an Lungenkrebs (p<0,001) verstorben. Einen deutlichen Unterschied gab es aber im Hinblick auf neurodegenerative Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Motorneuronerkrankungen, Morbus Alzheimer und anderen Demenzerkrankungen. Auffällig war, dass die Rate der durch diese Erkrankungen verursachten Todesfälle in der „Fußball-Gruppe“ signifikant höher war. Insgesamt war bei 1,7% der ehemaligen Fußballer eine neurodegenerative Hauptdiagnose auf dem Totenschein vermerkt worden, aber nur bei 0,5% der Kontrollgruppe (p<0,001). Besonders häufig war bei den ehemaligen Fußballprofis der Morbus Alzheimer diagnostiziert worden: So gab es in der Fußballergruppe 64 Alzheimer-bedingte Todesfälle (0,8%), in der viel größeren Vergleichsgruppe insgesamt nur 47 (0,2%), - die Rate war also um den Faktor 4 höher. Zu diesem Ergebnis passte, dass auch mehr Studienteilnehmer in der „Fußballer-Gruppe“ Demenzmedikamente einnahmen als in der Kontrollgruppe. Interessanterweise gab es keinen Unterschied im Hinblick auf die neurodegenerative Mortalität zwischen Feldspielern und Torhütern, wohl aber hinsichtlich der Medikation: Feldspielern waren häufiger als Torhütern Demenzmedikamente verschrieben worden.

    Die Studie wirft verschiedene Fragen auf. Die geringere Gesamtmortalität bei den Fußballern in jüngeren Jahren und die geringere Rate an ischämischen Herzerkrankungen führen die Autoren auf den protektiven Effekt des Sports auf das Herz-Kreislauf-System zurück. Sie bieten allerdings keine Erklärung für die höheren Raten an neurodegenerativen Erkrankungen an. „Es kann spekuliert werden, ob Kopfbälle und Schädel-Hirntraumen zu einem höheren Risiko an neurodegenerativen Erkrankungen führen können, das wurde in der Vergangenheit immer wieder diskutiert“, erklärt Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Pressesprecher der DGN. Ähnliche Ergebnisse gibt es für Footballspieler in den USA [2]. Anhand neuropathologischer Befunde wurde die Chronische traumatische Enzephalopathie (CTE) infolge von wiederholten leichten Kopfverletzungen bei verschiedenen Sportarten (Boxen, American Football, Australian Football, Rugby, Fußball, Eishockey) beschrieben. Interessant ist, dass bei der CTE eine Tauopathie gefunden wird wie bei neurodegenerativen Erkrankungen [3]“, betont Peter Berlit, Generalsekretär der DGN. „Selbstverständlich kann die hier vorliegende retrospektive Erhebung generell keine kausalen Beziehungen nachweisen und wir sollten mit der Interpretation dieser Daten vorsichtig sein.“

    Auch die Studienautoren fordern, die Fragestellung prospektiv zu untersuchen. Sie betonen, dass die vorliegende retrospektive Studie mögliche methodische Mängel aufweist, die das Matching betreffen. Auch heben sie hervor, dass die Ergebnisse keinesfalls auf Amateurfußballer übertragen werden können.

    Literatur
    [1] Mackay DF, Russell E, Stewart E et al. Neurogenerative disease mortality among former professional soccer players. NEJM 2019; Oct 21. doi: 10.1056/NEJMoa1908483.
    [2] Mez J, Daneshvar DH, Kiernan PT, et al. Clinicopathological Evaluation of Chronic Traumatic Encephalopathy in Players of American Football. JAMA. 2017;318(4):360–370. doi:10.1001/jama.2017.8334
    [3] Kulbe JR, Hall ED. Chronic traumatic encephalopathy-integration of canonical traumatic brain injury secondary injury mechanisms with tau pathology. Prog Neurobiol. 2017 Nov;158:15-44. doi: 10.1016/j.pneurobio.2017.08.003. Epub 2017 Aug 26.

    Pressestelle der Deutschen Gesellschaft für Neurologie
    Dr. Bettina Albers
    c/o albersconcept, Jakobstraße 38, 99423 Weimar
    Tel.: +49 (0)36 43 77 64 23
    Pressesprecher: Prof. Dr. med. Hans-Christoph Diener, Essen
    E-Mail: presse@dgn.org

    Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
    sieht sich als neurologische Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren über 9900 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

    Präsidentin: Prof. Dr. med. Christine Klein
    Stellvertretender Präsident: Prof. Dr. med. Christian Gerloff
    Past-Präsident: Prof. Dr. Gereon R. Fink
    Generalsekretär: Prof. Dr. Peter Berlit
    Geschäftsführer: Dr. rer. nat. Thomas Thiekötter
    Geschäftsstelle: Reinhardtstr. 27 C, 10117 Berlin, Tel.: +49 (0)30 531437930, E-Mail: info@dgn.org


    Originalpublikation:

    doi: 10.1056/NEJMoa1908483.


    Weitere Informationen:

    http://www.dgn.org


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Medizin, Sportwissenschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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