Was hat Wissenschaft mit Diplomatie zu tun?
ERC-Grantee Maria Rentetzi forscht zum Thema „Nuclear Diplomacy“ an der TU Berlin
Von der Entdeckung der Röntgenstrahlen im 19. Jahrhundert durch Conrad Röntgen bis zu einem modernen Computer-Tomographen, Tschernobyl oder Fukushima – radioaktive Strahlung begleitet uns seit vielen Jahrzehnten. Über wirksamen Schutz vor den negativen gesundheitlichen Folgen dieser Strahlung wird nahezu ebenso lang diskutiert. „Unsere heutigen Erkenntnisse zum Strahlenschutz wurden aber nicht allein durch wissenschaftliche oder technische Forschung geprägt, sondern auch stark beeinflusst von sozialen, politischen, wirtschaftlichen und nicht zuletzt auch diplomatischen Belangen, die die Internationale Atomenergiebehörde beschäftigten“, so lautet zumindest die These von Prof. Dr. Maria Rentetzi, die jetzt mit einem ERC Consolidator Grant an die TU Berlin wechselte. Die Griechin möchte mit den zwei Millionen Euro aus den ERC-Mitteln in den kommenden fünf Jahren genauer erforschen, wie es im 20. Jahrhundert zu der Verlagerung der Deutungshoheit beim Thema Strahlenschutz weg von wissenschaftlichen Organisationen hin zu diplomatischen Organisationen wie der IAEA (International Atomic Energy Agency) gekommen ist und welche Auswirkungen diese sogenannte „Science Diplomacy“ hatte.
„Ich kam zum ersten Mal mit dem Thema Strahlenschutz in Kontakt, als mich 2011 der Direktor der IAEA einlud, die Behörde bei einem historischen Projekt zu beraten“, so Maria Rentetzi, die ihren Bachelor in Physik absolvierte, bevor sie für den Master in das Fach Geschichte wechselte: „Nicht zuletzt daher stammt auch mein Interesse an der Geschichte der Internationalen Atomenergiebehörde.“ Anfang der 20er und 30er Jahre des vergangenen Jahrhunderts lag die Forschung und damit auch die Weiterentwicklung des Wissens zum Thema Strahlenschutz in den Händen von bedeutenden wissenschaftlichen Organisationen wie dem Institut Curie in Paris oder dem Institut für Radiumforschung in Wien. Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es dann zu einer entscheidenden Verlagerung: 1957 wurde die Internationale Atomenergiebehörde gegründet. Anstelle von wissenschaftlichen Organisationen übernahm eine politisch/diplomatische Organisation die zentrale Funktion der Generierung und Verbreitung von Erkenntnissen über den Strahlenschutz.
„Genau darum dreht sich meine zentrale Forschungsfrage: Wie kam es zu dieser Verschiebung, weg von den wissenschaftlichen Organisationen hin zu einer politischen Organisation? Was bedeutete das für die Forschung und welche Auswirkungen hatte das auf die Diplomatie?“, erläutert Maria Rentetzi.
So stellte sich anfangs die Frage, ob die IAEA überhaupt über eigene wissenschaftliche Labore verfügen sollte oder nicht. Die Amerikaner waren dafür, Russland dagegen. Das erste entsprechende Labor der Organisation wurde dann 1959 in der Nähe von Wien eröffnet.
„Meiner Ansicht nach musste die IAEA international erst mal Raum schaffen für ihre eigenen Erkenntnisse. Da gab es natürlich auch Konflikte mit den bestehenden wissenschaftlichen Organisationen, die sich bis dato mit dem Thema beschäftigten. Meine These: Sie konnten diese Vorherrschaft in der Wissenschaft nur übernehmen, weil sie die politische und diplomatische Hoheit hatten“, so Maria Rentetzi.
Mit Methoden aus der Geschichte, Philosophie und Soziologie möchte sie schwerpunktmäßig drei Themenfelder untersuchen: Die Aufarbeitung der internationalen Geschichte des Strahlenschutzes in der Zeit von 1957 bis 1987; die Rolle der IAEA bei der Generierung von Wissen über den Strahlenschutz im Wettbewerb mit anderen Aufsichtsbehörden; sowie eine Untersuchung inwieweit die Standardisierung von Instrumenten, Verfahren und Vokabular der IAEA dazu dienten, den weltweiten Strahlenschutz zu lenken und zu dominieren.
Mit ihrer Arbeit möchte die Wissenschaftlerin die Diskussion um die sogenannte „Science Diplomacy“ weiter unterfüttern. „Science Diplomacy ist ein Begriff, für den es keine allgemeingültige Übersetzung gibt, der aber die Rolle und die Bedeutung von Wissenschaft und Wissenschaftler*innen in internationalen Beziehungen thematisiert“, erläutert Maria Rentetzi. „Dazu analysiere ich ein normalerweise streng technowissenschaftliches Problem – wie man die Gesellschaft am besten vor radioaktiver Strahlung schützt – im Kontext von internationaler Geschichte.“ Ihre Ergebnisse will Maria Rentetzi gegen Ende der Förderung in einer Ausstellung zusammenfassen.
Fotomaterial zum Download
http://www.tu-berlin.de/?210242
Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Prof. Dr. Maria Rentetzi
TU Berlin
Institut für Philosophie
Tel.: 030/314-21284
E-Mail: maria.rentetzi@tu-berlin.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler
Gesellschaft, Medizin, Philosophie / Ethik, Physik / Astronomie
überregional
Forschungsprojekte, Personalia
Deutsch
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