Bei Männern ist mit 26 Prozent der Prostatakrebs die häufigste Krebserkrankung. Wissenschaftler haben nun in einer klinischen Studie die Wirksamkeit einer Therapiemethode nachgewiesen, die solche fortgeschrittenen Prostatatumore und ihre Metastasen sehr erfolgreich eindämmen kann, und zwar ohne gravierende Nebenwirkungen. Das Neuartige: Sie kombinieren dafür zwei verschiedene radioaktive Substanzen, die den Krebs millimeter- bzw. mikrometergenau bestrahlen. Die Pilotstudie unter Federführung des Nuklearmediziners Professor Samer Ezziddin ist nun im renommierten European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging erschienen.
Nachrichten über neuartige Krebstherapien wecken oft große Hoffnungen und Erwartungen bei den Menschen, insbesondere natürlich bei den Betroffenen. Solcherart Erwartungen möchte Samer Ezziddin, Professor für Nuklearmedizin und Direktor der gleichnamigen Klinik am Universitätsklinikum, gar nicht erst wecken. „Heilen können wir die betroffenen Patienten, wie sie an unserem Therapieprogramm teilgenommen haben, meist nicht. Uns geht es um eine Verlängerung der Lebenserwartung um einige Monate oder auch Jahre – und zwar ohne Verlust der Lebensqualität“, erläutert der Mediziner. Zwar hat der Arzt in seiner Karriere auch selbst schon erlebt, dass Patienten eine vollständige Rückbildung der Metastasen erfahren haben, bei denen kaum noch Hoffnung bestand. Aber von diesen Sonderfällen abgesehen, die wohl eher als „statistische Ausreißer“ gelten müssen denn als Wunder, ist der Kampf gegen die vielen Spielarten des Krebses eine harte und mühsame Fleißarbeit, deren Fortschritte sich in kleinen Schritten bemisst, die erst nach langer Zeit eine große Strecke erkennen lässt.
Auch die aktuelle Studie der saarländischen Nuklearmediziner ist ein kleiner Schritt, der aber ein entscheidender sein kann für weitere Therapieansätze. Die Ärzte haben Patienten mit metastasierenden Prostatatumoren einer Strahlentherapie unterzogen, die ursprünglich in Heidelberg entwickelt wurde und die die saarländischen Mediziner nun weiterentwickelt haben. Es handelt sich dabei um die so genannte Radionuklidtherapie-Methode, bei der Tumore gezielt von innen bestrahlt und damit zerstört werden, indem eine radioaktiv strahlende Substanz, über die Vene verabreicht, kontinuierlich in die Zellen eingespeist wird.
Statt allerdings nur eine einzige Sorte radioaktiver Substanz in die Tumorzellen einzuschleusen, kombinierten die Mediziner erstmals zwei unterschiedliche radioaktive Substanzen miteinander, die jeweils unterschiedlich weit strahlen können. Zum einen kam dabei Lutetium-177 zum Einsatz. Die radioaktive Substanz hat einen Wirkradius von 0,5 bis 10 Millimetern, in dem es das umliegende Gewebe zerstört. Es wirkt sehr zielgenau, da es an Bindungsstellen andockt, die nahezu ausschließlich auf der Oberfläche der Prostatatumore vorhanden sind, andere – gesunde – Körperzellen werden also nicht zerstört. Dieser winzige Wirkungsradius von Lutetium-177 kann allerdings schon zu viel sein für winzigste Tumore, wie sie entstehen, wenn sich Metastasen in anderen Regionen des Körpers bilden. Aus diesem Grund haben sich die Forscher um Professor Ezziddin dazu entschieden, ein weiteres radioaktives Nuklid für die Therapie zu verwenden: Actinium-225. „Dieser Strahler zeigt sehr gute Ergebnisse, seine Reichweite liegt weit im Sub-Millimeter-Bereich“, erläutert Samer Ezziddin den Vorteil dieses radioaktiven Stoffes.
Das bedeutet, dass auch winzigste Tumore, im Prinzip sogar einzelne Tumorzellen, mit dem Präparat von innen bestrahlt werden können, nachdem sie „huckepack“ über den Rezeptor in die Krebszelle hineingeschmuggelt worden sind. „Umliegendes Gewebe wird dadurch nicht zerstört, da die Reichweite des Actiniums gerade einmal drei, vier Zelldurchmesser beträgt“, so der Nuklearmediziner weiter. Bisherige Radionuklid-Therapien, die auf Actinium-225 basieren, haben allerdings einen entscheidenden Nachteil: Die Speicheldrüsen der Patienten nehmen es auf, eine extreme Mundtrockenheit kann die Lebensqualität der Patienten erheblich beeinträchtigen.
In dem nun erschienenen Fachartikel, die die Wirkung der Tandem-Therapie erstmals als Pilotstudie beschreibt, konnten die saarländischen Forscher zeigen, dass diese Nebenwirkungen nicht mehr auftreten, wenn man Lutetium und Actinium miteinander auf bestimmte Weise kombiniert. „Lutetium ist für die meisten Tumorgrößen sehr gut verträglich“, erklärt Professor Ezziddin den Grund dafür. „Daher konnten wir die Dosierung von Actinium in unserem Ansatz deutlich reduzieren, so dass die Therapie sehr nebenwirkungsarm ablaufen kann.“
Die Studie analysiert die Erfahrungen an 20 Patienten im Alter von 57 bis 88 Jahren mit metastasierendem Prostatakarzinom, die sich im sehr weit fortgeschrittenem Stadium befanden und deren Tumore bereits nicht mehr auf eine Therapie alleine mit Lutetium-177 reagiert haben. „Diese Patienten waren also bereits sehr stark vortherapiert. Bei vielen hätte man bisher gesagt, dass man nichts mehr machen kann“, erläutert Samer Ezziddin. Bei 14 von 20 Patienten konnte während der Behandlung mit dem Tandem-Präparat ein starker Rückgang des Tumormarkers beobachtet werden, des Wertes also, der anzeigt, wie viel Tumormasse sich noch im Körper befindet. Während das Tumorwachstum nach Beginn der Tandemtherapie auf diese Weise im Median für ca. viereinhalb Monate stabilisiert werden konnte, bevor die Erkrankung wieder voranschritt, lag die Überlebensdauer nach Beginn der Tandemtherapie im Median bei elf Monaten – und zwar ohne gravierende Einschränkungen der Lebensqualität.
Prof. Dr. Samer Ezziddin
Tel.: (06841) 16-22201
E-Mail: samer.ezziddin@uks.eu
Fadi Khreish, Niklas Ebert, Martin Ries, Stephan Maus, Florian Rosar, Hendrik Bohnenberger, Tobias Stemler, Matthias Saar, Mark Bartholomä, Samer Ezziddin: 225Ac-PSMA-617/177Lu-PSMA-617 tandem therapy of metastatic castration-resistant prostate cancer: pilot experience; European Journal of Nuclear Medicine and Molecular Imaging, https://doi.org/10.1007/s00259-019-04612-0
Professor Samer Ezziddin, Direktor der Klinik für Nuklearmedizin, hat eine neuartige Kombination der ...
Foto: Thorsten Mohr
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Professor Samer Ezziddin, Direktor der Klinik für Nuklearmedizin, hat eine neuartige Kombination der ...
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