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03.12.2019 18:40

„1989 war keine ‚Stunde Null’“ - Potsdamer Forschungsgruppe präsentiert Studien zur Wendezeit und geht auf Dialogreise

Marion Schlöttke Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF)

    Über Ostdeutschland wird derzeit viel gesprochen. Häufig spielen dabei historische Bezüge eine zentrale Rolle. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF) erforschen die Gesellschaftsgeschichte des Umbruchs. Im Januar 2020 will ein Team erste Ergebnisse präsentieren – nicht nur in Form eines Buches mit vielen Fußnoten, sondern auf einer Dialogreise durch Ostdeutschland. Projektleiterin Dr. Kerstin Brückweh erklärt: „Wir wollen direkt mit jenen Menschen über unsere Ergeb-nisse ins Gespräch kommen, deren Leben vom Umbruch 1989 geprägt wurde.“

    Der breite Zuspruch, den Gruppierungen wie Pegida und die AfD erfahren, hat Ostdeutschland ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Um fremdenfeindliche und antiliberale Tendenzen zu erklären, wird nicht selten auf die DDR verwiesen. Andere Ansätze stellen die Transformation in den 1990er-Jahren in den Mittelpunkt: Die Unsicherheiten der Nachwendezeit seien ausschlaggebend für Ängste in der Gegenwart. Wissenschaftlich untersucht wurden die ostdeutschen Erfahrungen vor allem in einer langen Perspektive über den Bruch von 1989 hinweg bisher jedoch kaum.

    Wie haben Menschen in Ostdeutschland die letzten Jahre der DDR, die friedliche Revolution und den anschließenden Systemwechsel in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft tatsächlich erlebt? Wo und wie machte sich der Wandel konkret bemerkbar? Diese Fragen standen im Mittelpunkt des ZZF-Forschungsprojekts „Die lange Geschichte der Wende“. Kerstin Brückweh und ihr Team wollten wissen, welche Erfahrungen, Ressourcen und Emotionen Ostdeutsche in die Wendezeit einbrachten: „Die Jahre 1989/90 waren keine ‚Stunde Null’. Wenn wir Ostdeutschland verstehen wollen, müssen wir die Zeitebenen vor, während und nach dem Umbruch miteinander verbinden.“

    Vier Jahre lang hat Brückweh zusammen mit Dr. Anja Schröter und den Promovierenden Kathrin Zöller und Clemens Villinger schriftliche Quellen aus den 1980er-,1990er und 2000er-Jahren analysiert, frühere sozialwissenschaftliche Interviews neu ausgewertet und mit Zeitzeugen gesprochen. Nun wollen sie ihre Erkenntnisse zur Diskussion stellen und zwar noch bevor die Forschungsergebnisse in Büchern veröffentlicht werden. Auf einer Dialogreise durch Ostdeutschland soll auch das Publikum zu Wort kommen: „Wir wollen mit unserer Veranstaltungsreihe zu einer sachlichen und wissenschaftlich fun-dierten Debatte beitragen und zugleich den Dialog zwischen Forschenden und Beforschten fördern – ganz im Sinne der Idee „Bürger schaffen Wissen – Citizen Science“. „Wenn Wissenschaft gesellschaftlich relevant sein will, muss sie das Gespräch suchen“, betont Brückweh.

    Der Austausch begann schon vor der Reise: Das Team präsentierte seine Ergebnisse verschiedenen Zeitzeugen und bat sie um einen schriftlichen Kommentar. Nun reisen sie gemeinsam durch Thüringen, Brandenburg und Sachsen. An vier Terminen wird im Januar 2020 in Meiningen, Garrey, Kleinmach-now und Leipzig über die „Wende“ diskutiert. Nach der Tour, im Herbst 2020, werden die vorab verfassten Texte zusammen mit frischen Reise-Eindrücken des Journalisten und Autoren Christian Bangel (ZEIT Online) und Fotos der Künstlerin Clara Bahlsen als Buch im Ch. Links Verlag veröffentlicht.

    Das Projekt „Die lange Geschichte der ‚Wende‘“ startete 2016 und wurde von der Leibniz-Gemeinschaft gefördert. In vier Teilprojekten untersuchten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den gesellschaftlichen Wandel über die Zäsur von 1989/90 hinweg.
    Kerstin Brückweh analysiert das nach 1989 stark umkämpfte Feld des Wohneigentums und die Debatte um Rückgabe oder Entschädigung. Anja Schröter widmet sich lokaler politischer Kultur und dem zu-nehmenden Wunsch nach Teilhabe. Kathrin Zöller analysiert in ihrer Doktorarbeit ostdeutsche Schulen im Umbruch und Clemens Villinger erforscht die Be-deutung des Konsums für die Revolution von 1989 und die folgenden Jahre.

    Weitere Informationen zum Projekt „Die lange Geschichte der „Wende“. Lebenswelt und Systemwechsel in Ostdeutschland vor, während und nach 1989“ :
    https://www.zzf-potsdam.de/de/forschung/linien/die-lange-geschichte-der-wende-le...

    Termin-Übersicht | Dialogreise vom 21.- 24. Januar 2020:
    https://www.zzf-potsdam.de/de/news/die-wende-im-gesprach-eine-dialogreise-durch-...


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Kerstin Brückweh: brueckweh@zzf-potsdam.de


    Bilder

    Anhang
    attachment icon ZZF Potsdam PM 03.12.2019 Dialogreise Forschungsprojekt zur Wende

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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