Wer in der modernen Welt zum “Popstar” aufsteigen will, sucht die Bühne, begibt sich mitten ins Blitzlichtgewitter und möchte in aller Munde sein. Ganz anders machten es die Altägypter mit ihren Göttern: Während der Name des Sonnengottes zunächst offen als Sonne symbolisiert wurde, kam es ab dem Neuen Reich (1550 bis 1070 v. Chr.) zu einer zunehmenden Verrätselung der Gottheit. Warum das so ist und wie diese Inszenierung stattfand, beschreibt der Ägyptologe Prof. Dr. Ludwig D. Morenz von der Universität Bonn in seinem neuen Buch über graphisch inszenierte Göttersprache.
Der Wissenschaftler vergleicht das Motiv der Ägypter im Neuen Reich mit dem Rumpelstilzchen aus dem Märchen, dessen Macht sich daraus speist, dass niemand seinen Namen kennt. „Der geheime Name des Sonnengottes ist im Schrift-Bild inszeniert worden“, sagt Morenz. Die Hieroglyphen sind einerseits Bilder und andererseits Wörter. Für die Schreibungen des Gottesnamen werden drei verschiedene Zeichen gebraucht, die zusätzlich zum Lautwert in ihrer Bildhaftigkeit die Bereiche Himmel, Mensch und Erde assoziieren lassen. In den Augen des Ägyptologen handelt es sich dabei um eine morgendliche, eine mittägliche und eine abendliche Form, also drei Phasen des Sonnenlaufes.
Visuelle Poesie
„Durch den geheimen und mächtigen – vielleicht sogar allmächtigen – Namen wird die Bedeutung des Gottes deutlich gesteigert und mit Sinn aufgeladen“, sagt Morenz. Dies gelinge durch mehrfache Bedeutungen. Zum Beispiel werden für den Sonnengott als dem „Star“ unter den ägyptischen Göttern zwei, drei oder vier bekannte Hieroglyphen gleichzeitig benutzt. Der Ägyptologe bezeichnet diese Ästhetik als „visuelle Poesie“. Neben der rationalen Ebene, Krisen und den Tod mit Hilfe von Gottheiten überwinden zu wollen, gebe es auch eine dichterische und eine mystische Verständnisebene. Morenz: „Die verschiedenen Zeichen lassen rätseln und zwingen dadurch zum Weiterdenken.“ Damit mag die Vorstellung verbunden sein, wer es schafft, den geheimen Namen eines Gottes zu kennen, erlange dessen Macht.
Der Ägyptologe der Universität Bonn bezog in seine Studien Patäken ein, die besonders um das erste Jahrtausend v. Chr. im Niltal weit verbreitet waren. Dabei handelt es sich um kleine ägyptische Figuren, die offenbar zur Abwehr von Gefahren erschaffen und mit Hieroglyphen versehen sind, die mit den Göttern in Zusammenhang gebracht werden. Die Zeichen werden zu etwas Geheimnisvollem und Mächtigem inszeniert: Eine Art „Superglyphen“, die die Bedeutung der „normalen“ Hieroglyphen bei weitem übersteigt. Das Aussprechen des mächtigen Gottesnamen bedürfe viele Jahre, lautete eine Vorstellung.
Andere Kulturen übernahmen die Strategie des Geheimnisvollen
Morenz geht davon aus, dass die Ägypter im Neuen Reich wahrscheinlich die ersten waren, die den Namen eines Gottes dermaßen mit Macht aufluden und mit mehrschichtigen Bedeutungen versahen. Von dort aus, sei diese Strategie vermutlich auch in andere Kulturen übernommen worden. „Sobald man Krisensituationen mit normalen Alltagstechniken nicht mehr meistern konnte, richtete sich der Blick durch das Geheimnisvolle noch mehr auf die Götter“, sagt der Ägyptologe. „Dies schuf Handlungsspielräume, um in schier aussichtsloser Lage seine Nöte und Sorgen trotzdem zu bewältigen.“
Prof. Dr. Ludwig D. Morenz
Universität Bonn
Abteilung für Ägyptologie
Tel. 0228/735733
E-Mail: lmorenz@uni-bonn.de
Ludwig D. Morenz, Performative Superglyphen als eine graphisch inszenierte Göttersprache: Solare Patäken mit dem machtgeladenen Namen des Sonnengottes, Hans-Bonnet-Studien zur Ägyptischen Religion, Band 3, EB-Verlag, 133 Seiten, 19,80 Euro
Der Ägyptologe Prof. Dr. Ludwig Morenz von der Universität Bonn und ein Patäke mit dem geheimen Name ...
(c) Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
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Der Ägyptologe Prof. Dr. Ludwig Morenz von der Universität Bonn und ein Patäke mit dem geheimen Name ...
(c) Foto: Barbara Frommann/Uni Bonn
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, jedermann
Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Wissenschaftliche Publikationen
Deutsch
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