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26.11.2003 14:44

Vater des Adventskranzes war ein evangelischer Pfarrer aus Hamburg

Robert Emmerich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Was macht Sankt Martin mit der Gans? Warum schenken Verliebte sich zum Valentinstag Blumen? Wie kommen die Heringe zum Aschermittwoch? Woher stammt der Adventskranz? Solche Fragen soll - wissenschaftlich fundiert - ein "Kleines Lexikon der Brauch- und Festkultur" klären, das zurzeit an der Uni Würzburg entsteht. Projektleiterin ist die Privatdozentin Dr. Heidrun Alzheimer-Haller vom Lehrstuhl für Volkskunde.

    Die Würzburger Wissenschaftlerin und ihre Mitarbeiterin Dr. Inge Weid sowie der Bezirkstagspräsident von Unterfranken, Albrecht Graf von Ingelheim, und Bezirksheimatpfleger Dr. Klaus Reder stellten das Projekt, das von der Unterfränkischen Kulturstiftung gefördert wird, am Mittwoch bei einem Pressegespräch vor: Das Lexikon soll sich mit alphabetisch geordneten Artikeln an Journalisten, Volkskundler, Seelsorger und Heimatpfleger wenden, die rasch Informationen über Bräuche im Jahres- und Lebenslauf benötigen. Mit Beispielen aus der Region Unterfranken wollen die Autoren auch die Entwicklung zeigen, die der Lebensstil der hiesigen Bevölkerung im Lauf der Geschichte genommen hat.

    Zudem soll nach Möglichkeit jeder Artikel auf falsche Deutungen eingehen. Als Beispiel hierfür nennt Dr. Alzheimer-Haller den Adventskranz. "Gerne wird behauptet, er sei ein 'uraltes Symbol' der Ankunft Christi. Andere bringen sogar die Germanen und ihre Wintersonnwendfeiern ins Spiel und sehen im Adventskranz die christliche Umdeutung eines heidnischen Brauchs. In Wirklichkeit geht der Adventskranz aber auf evangelisches Brauchtum zurück", so die Volkskundlerin.

    "Erfinder" der geflochtenen und mit Kerzen bestückten Tannenzweige ist demnach der evangelische Pfarrer Johann Hinrich Wichern (1808-1881), der einen Vorläufer des Adventskranzes in einer Anstalt für elternlose Jugendliche in Hamburg einführte. Seine heutige Verbreitung erfuhr der grüne Kranz, von Norddeutschland ausgehend, in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg. Dennoch war er in vielen katholischen Gemeinden in Bayern sogar noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg unbekannt, wie Dr. Alzheimer-Haller sagt.

    "In dem Lexikon wollen wir historisch erklären, was anhand seriöser Quellen belegbar ist." Ein Großteil der heute bekannten Bräuche hat seinen Ursprung in gesetzlichen Verordnungen. Da man das Erlassdatum der Gesetze kennt, ergeben sich Rückschlüsse auf die Erhaltungsdauer der Bräuche. "So kommt man immer mehr davon ab, möglichst jeden Brauch auf einen germanischen Kult zurückzuführen", erklärt die Würzburger Wissenschaftlerin.

    Das von der Romantik übernommene Bild von "Schollentreue und Naturverbundenheit" als Motor für die Überlieferung von Bräuchen könne so nicht stehen bleiben. Die Arbeit in Archiven zeige schnell die Scheinwelt auf, die sich städtische Schwärmer von Dorf und Landleben zurechtgebastelt haben, meint Dr. Alzheimer-Haller: "Worte wie Bauernmöbel, Tracht, Volkstum, einfach, echt und typisch stehen in keinem dörflichen Aktenband. Das Dorf war und ist nicht die heile Welt, sondern ein Ort sozialer Kontrolle, an dem die Bewohner festlegen, was normal und wer Außenseiter ist."

    In dem Lexikon soll aber nicht nur Althergebrachtes Platz finden. Die Volkskundler greifen darin auch neuere Erscheinungen auf, wie zum Beispiel Friedenslichter-Aktionen und den Würzburger Residenzlauf. Sie werfen zudem einen Blick auf "Anti-Bräuche", die nicht ins heimattümelnde Schema passen, wie etwa die Silvester-Aktion "Brot statt Böller".

    Das Buch wird voraussichtlich Anfang 2005 auf dem Markt sein. Die darin beschriebenen Fakten über Bräuche und Feste würden der Öffentlichkeit auch über das Internet zugänglich gemacht, so Graf von Ingelheim. Außerdem soll aus dem Projekt eine Wanderausstellung hervorgehen, wie Bezirksheimatpfleger Dr. Reder sagte.

    Weitere Informationen: PD Dr. Heidrun Alzheimer-Haller, T (0931) 888-5607, Fax (0931) 888-4621, E-Mail:
    heidrun.alzheimer@mail.uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Advent, Advent: Der Brauch, Kerzen auf einen Kranz zu stecken, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Die Volkskundlerin Heidrun Alzheimer-Haller (links) und ihre Kollegin Inge Weid sind der Herkunft von Bräuchen auf der Spur. Foto: Patty Varasano
    Advent, Advent: Der Brauch, Kerzen auf einen Kranz zu stecken, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Die V ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Geschichte / Archäologie, Gesellschaft
    überregional
    Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Publikationen
    Deutsch


     

    Advent, Advent: Der Brauch, Kerzen auf einen Kranz zu stecken, stammt aus dem 19. Jahrhundert. Die Volkskundlerin Heidrun Alzheimer-Haller (links) und ihre Kollegin Inge Weid sind der Herkunft von Bräuchen auf der Spur. Foto: Patty Varasano


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