Ein deutsch-tschechisches Expertenteam aus Forschung und Industrie unter Leitung der Industrieforschungseinrichtung INNOVENT e.V. entwickelt plasmabasierte Verfahren zur Vorbehandlung und Haftungssteigerung funktioneller Flachgläser. Diese ermöglichen es, organische Glasverunreinigungen soweit zu reduzieren und die Benetzung zu verbessern, dass die Haftung an den behandelten Oberflächen signifikant ansteigt. Adressiert werden Architekturgläser, wie lackierte bzw. bedruckte Dekorgläser oder Verbund-Sicherheitsgläser. Die Plasmatechniken wurden erfolgreich im Labor und an Prozesslinien unter industriellen Bedingungen evaluiert.
Funktionale Gläser sind ein unverzichtbarer Bestandteil unseres Alltages. Für das Anwendungsfeld der Architekturgläser werden beispielsweise der Gebäudebau im Innen- und Außenbereich oder die Verkehrsinfrastruktur adressiert. So erhöhen Isoliergläser die Wärmedämmung im Innenraum oder bieten zusätzliche Sonnenschutzeigenschaften. Mit Schallschutzgläsern wiederum lassen sich die akustischen Belastungen ausgehend von Verkehrslärm auf ein erträgliches Maß reduzieren. Durch gezielte Glasveredelungen über Lackierprozesse, Siebdruck oder Digitaldruck ist die Glasoptik individuell und nach Kundenwunsch einstellbar. Werden zusätzlich Sicherheitsaspekte wie Durchbruch- oder Splitterschutz benötigt, spielen Einscheiben- und Verbund-Sicherheitsgläser (ESG, VSG) ihre Vorteile aus. Ausgangsmaterial für die Produktion dieser Glastypen sind in der Regel Kalk-Natron-Silikat Floatgläser, an denen die Verfahrensentwicklung unter Einsatz von flächigen Atmosphärendruckplasmen erfolgte.
Plasma – ein trockenes Vorbehandlungsverfahren
Essenziell in der Fertigung funktioneller Gläser ist eine hinreichende Vorreinigung der Glasoberflächen, um etwa die Anhaftung von Beschichtungen zu ermöglichen oder die optische Qualität zu gewährleisten. Glas-Waschmaschinen sind dabei das Mittel der Wahl. Physikalische Plasmen können den Reinigungsprozess unterstützen, insbesondere bei der Reduzierung Organik-basierter Rückstände von Trennmitteln, Schneidölen oder natürlichen Anlagerungen. Dabei zeichnen sich Plasmen an Atmosphärendruck durch folgende Merkmale bzw. Vorteile aus:
- Trockenes Vorbehandlungsverfahren
- In-Line fähig
- Skalierbar
- Keine Vakuumtechnik notwendig
- Umgebungsluft oder kostengünstige Druckluft als Plasmamedium möglich
In den Entwicklungen wurden verschiedene Plasmaprinzipien genutzt, die eine Behandlungsbreite von bis zu 60 cm ermöglichen. Zu diesen zählen Plasmajets, Oberflächen-Barriereentladungen oder Volumen-Barriereentladungen. Mit sämtlichen Verfahren ist eine deutliche Reduktion von Organikrückständen an den Glasoberflächen zu erzielen, wie analytische Untersuchungen mittels Infrarotspektroskopie und XPS ergaben. Ebenso wurden die Benetzungseigenschaften signifikant verbessert (Wasserkontaktwinkel <10°) an beiden Glasseiten (Luft- und Zinnbadseite) und homogen über die plasmabehandelte Glasbreite. Ein DCSBD Plasmasystem erwies sich dabei als besonders vorteilhaft. Mit Behandlungszeiten von maximal 2 Sekunden konnte eine effektive Aktivierung erreicht werden.
Verbesserte Lackhaftung und Verbund-Sicherheitsgläser
Eine Veredelung der Glasoberfläche mit funktionellen Schichten kann unter anderem über einen trockenen Pulverlackauftrag erfolgen. Dabei lassen sich die gewünschten Farbeigenschaften erzielen, verbunden mit einer gewissen Schutzwirkung des Glases, z.B. gegenüber Umwelteinflüssen oder Korrosionsneigung. Das Spektrum reicht von deckenden Lacken, über transparente bzw. farbig-transparente Systeme bis hin zu Effektlacken. Durch die Plasmabehandlung der Flachgläser lässt sich die Lackhaftung erheblich steigern. Beispielhaft ist in Abb.1 ein polyester-basiertes Pulverlacksystem dargestellt. Die Proben wurden einer definierten Alterung in alkalischer Umgebung bei erhöhter Temperatur unterzogen. Während an den Referenzgläsern eine vollständige Delamination des Pulverlackes auftrat, wurde durch die Plasma-Glas Interaktion die Lack-Unterwanderung begrenzt. Resultierende Zugfestigkeiten nach DIN EN ISO 4624 betrugen bis zu 12 MPa.
Die entwickelten Plasmamethoden ermöglichen weiterhin eine verbesserte Bindung von PVB Folien an die Glasoberflächen. In-Line Plasmaversuche erfolgten dabei innerhalb einer industriellen VSG-Fertigungslinie mit anschließenden analytischen Kugelfalltests nach DIN 52338 und Biegetests an den produzierten Sicherheitsgläsern. Nach Plasmabehandlung beider VSG Komponenten fand keinerlei Glasbruch bei dem Kugelfalltest statt, wie Abb.2 verdeutlicht. Die Bruchkräfte als Maß der Zerstörschwelle der Sicherheitsgläser wurden um bis zu 60% gegenüber Standard-VSG gesteigert!
Mit Hilfe der flächigen Plasmen findet eine Erweiterung der technischen Einsatzgrenzen funktioneller Gläser statt. Je nach Anforderung sind sowohl ein weiteres Up-Scaling der Plasmabreiten möglich als auch die Übertragung auf andere Materialklassen.
Über INNOVENT
Die Industrieforschungseinrichtung INNOVENT e.V. analysiert, forscht und entwickelt seit 25 Jahren in den Bereichen Oberflächentechnik, Magnetisch-Optische Systeme und Biomaterialen. Das Institut aus Jena beschäftigt etwa 130 Mitarbeiter, leitet verschiedene Netzwerke und führt bundesweit Fachtagungen durch. INNOVENT ist Gründungsmitglied der Deutschen Industrieforschungsgemeinschaft Konrad Zuse.
INNOVENT e.V. Technologienentwicklung Jena
Dr. Bernd Grünler
Prüssingstraße 27B
07745 Jena
E-Mail: bg@innovent-jena.de
Pulverlackiertes Glas nach Belastungstest in alkalischer Lösung , Gegenüberstellung von unbehandelte ...
INNOVENT e.V.
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Verbund-Sicherheitsglas nach Kugelfalltest; Gegenüberstellung von unbehandelten VSG-Referenzen im Ve ...
INNOVENT e.V.
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wirtschaftsvertreter, Wissenschaftler, jedermann
Bauwesen / Architektur, Chemie, Physik / Astronomie, Werkstoffwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse, Kooperationen
Deutsch
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