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27.12.2019 09:44

Silvester-Feuerwerk: Augenärzte fordern Schutzbrillen, Aufklärung und Abgabe-Verbote

Kerstin Ullrich Pressestelle
Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft

    Augenverletzungen durch Silvester-Feuerwerk
    Es trifft vor allem Minderjährige und Unbeteiligte – Augenärzte fordern Schutzbrillen, Aufklärung und Abgabe-Verbote

    Kinder, Jugendliche und Unbeteiligte werden zu Silvester besonders häufig Opfer von Verletzungen durch Feuerwerkskörper an den Augen. Das ist ein zentrales Ergebnis einer Umfrage der DOG – Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft an deutschen Augenkliniken für die zurückliegenden drei Jahreswechsel. Die DOG und der Berufsverband der Augenärzte Deutschlands e.V. (BVA) fordern daher Schutzbrillen, verstärkte Aufklärung über die Risiken und eine Diskussion über ein Verbot privat genutzter Feuerwerke.

    Seit dem Jahreswechsel 2016/2017 startet die DOG regelmäßig zu Silvester eine Umfrage an deutschen Augenkliniken zu Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper – an der Abfrage 2018/2019 beteiligten sich 51 Kliniken. Insgesamt erfassten die Krankenhäuser für die drei zurückliegenden Jahre anonyme Daten von 1356 Patienten, die an Augen, Händen und Gesicht behandelt werden mussten, wie eine Auswertung zeigt, die kürzlich veröffentlicht wurde.

    Gefährliche Kombination: Hitze, Mechanik, Chemikalien

    Dabei zeigt sich in jedem Jahr in der Silvesternacht ein ähnliches Bild. Drei Viertel der Patienten kommen mit Verletzungen an Augenlid, Hornhaut oder Bindehaut davon, die ambulant behandelt werden können. Jeder vierte Patient erleidet jedoch eine schwere Verletzung, die stationär oder sogar in einer Notoperation versorgt werden muss. Dazu zählen Prellungen oder Risse im Augapfel, oft in Verbindung mit Lid- und Oberflächenverletzungen. Mitunter kam es zusätzlich zu Trommelfellschäden oder Verletzungen an der Lunge, im Gesicht oder an Händen, die im Extremfall sogar eine Amputation nach sich zogen.

    Dauerhafte Sehverschlechterung und Narbenbildung

    „Feuerwerkskörper können durch die Dreifach-Kombination von Hitze, Impuls und Chemikalien sehr komplexe Schäden bewirken“, betont Studienautorin Dr. med. Ameli Gabel-Pfisterer, Augenärztin am Ernst von Bergmann-Klinikum in Potsdam. Die Konsequenzen sind nicht selten gravierend. „Schätzungsweise 40 Prozent der schwer Verletzten werden vermutlich unter dauerhaften Folgen wie Sehverschlechterung oder Narbenbildung leiden“, warnt die Ophthalmologin. „Dies ist besonders folgenschwer, wenn die Betroffenen am Beginn ihres Berufslebens stehen.“

    Männlich und minderjährig – das typische Opfer

    Wie eine weiterführende Analyse der Daten offenbart, tritt dieser Fall leider häufig ein. „Von allen Patienten, die sich in eine Klinik begeben mussten, sind rund 60 Prozent 25 Jahre oder jünger“, berichtet Professor Dr. med. Daniel Böhringer von der Universitäts-Augenklinik Freiburg. Davon wiederum macht der Anteil der Kinder und Jugendlichen im Alter von ein bis 17 Jahren fast 40 Prozent aus. Insgesamt sind drei Viertel der Verletzten männlich, wie die Statistik ausweist. „Jungen und junge Männer haben ein deutlich höheres Risiko für die schweren, operativ zu versorgenden Verletzungen“, bilanziert Böhringer, der ebenfalls Autor der Studie ist.

    Kinder verletzen sich vorwiegend an Böllern, Erwachsene an Raketen

    Die Drei-Jahres-Untersuchung gibt auch Aufschluss, welche Art der Pyrotechnik Ursache der Verletzung ist. Während sich Kinder vor allem an Knallkörpern verletzen, stehen bei den Erwachsenen Raketen im Vordergrund. „Kinder sammeln häufig Böller vom Boden auf oder behalten sie zu lange in der Hand“, erläutert Gabel-Pfisterer. Sie erleiden daher vier Mal häufiger als Erwachsene kombinierte Verletzungen an den Augen, den Händen und im Gesicht. Eltern sollten unbedingt mit ihren Kindern sprechen und sie vor den Gefahren eindringlich warnen, rät die Potsdamer Augenärztin: „Es handelt sich um hochgefährliches Material, und auch Lehrer und Erzieher sollten das Thema aufgreifen.“

    Unfälle mit Wunderkerzen, Angriffe auf Unbeteiligte

    Harmlose Pyrotechnik gibt es nicht, so ein weiteres Ergebnis der deutschlandweiten Umfragen. „In bis zu 30 Prozent der Fälle führen Bengalische Lichter oder Wunderkerzen zu Verletzungen, in einzelnen Fällen sogar die herabfallenden Reste von abgebrannten Feuerwerkskörpern“, betont Professor Dr. med. Hansjürgen Agostini von der Universitäts-Augenklinik Freiburg. Nicht einmal passives Zuschauen schützt. „Über alle Untersuchungsjahre hinweg gaben rund 60 Prozent der Patienten an, den Feuerwerkskörper nicht selbst gezündet zu haben“, berichtet der Studienautor. „Bedauerlicherweise sind auch 60 Prozent der verletzten Kinder Unbeteiligte.“ Besonders alarmierend: Einige Unfallopfer erklärten, mit Feuerwerkskörpern beworfen worden zu sein. „Absichtliche Angriffe auf Unbeteiligte sind katastrophal, das gilt auch für Attacken auf Rettungspersonal, die neuerdings stattfinden“, kritisiert DOG-Experte Agostini.

    Schutzbrillen, Aufklärung und Abgabe-Beschränkungen

    DOG und BVA fordern daher Maßnahmen, um die Zahl der Opfer zu reduzieren. „Wir befürworten Aufklärungskampagnen über die Risiken und die gleichzeitige Abgabe von Schutzbrillen mit Feuerwerkskörpern“, erklärt Dr. med. Peter Heinz, 1. Vorsitzender des BVA. „Darüber hinaus setzen wir uns für eine Diskussion über ein Verbot privat genutzter Feuerwerke ein“, ergänzt DOG-Präsident Professor Dr. med. Hans Hoerauf. „Feuerwerk gehört in die Hände professioneller Pyrotechniker.“ Ein erster sinnvoller Schritt wären eine strikte Einhaltung des Abgabe- und Weitergabe-Verbots von Feuerwerkskörpern der Kategorie 2 an Minderjährige, eine deutliche Begrenzung der Nutzungszeit wie in Holland und eine Ausweitung der feuerwerksfreien Zonen insbesondere in belebten Innenstädten, schlägt Gabel-Pfisterer vor: „Weniger ist mehr. Das verringert nicht zuletzt auch die erhebliche Feinstaubbelastung in den Silvesternächten.“

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    Die DOG hat ein Plakat erstellt, das vor Augenverletzungen durch Silvester-Feuerwerk warnt. Zum Download:
    https://www.dog.org/wp-content/uploads/2019/11/DOG_Feuerwerk-Poster_2019_270x400...

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    Quellen:

    Gabel-Pfisterer, A., Böhringer, D., Agostini, H.: Dreijahresergebnisse der deutschlandweiten Umfrage zu Augenverletzungen durch Feuerwerkskörper. 3-year results of the German nationwide survey on eye injuries caused by fireworks. Der Ophthalmologe, Oktober 2019. DOI 10.1007/s00347-019-00967-9
    https://www.researchgate.net/publication/336859982_Dreijahresergebnisse_der_deut...

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    DOG: Forschung – Lehre – Krankenversorgung
    Die DOG ist die medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft für Augenheilkunde in Deutschland. Sie vereint unter ihrem Dach mehr als 7.750 Ärzte und Wissenschaftler, die augenheilkundlich forschen, lehren und behandeln. Wesentliches Anliegen der DOG ist es, die Forschung in der Augenheilkunde zu fördern: Sie unterstützt wissenschaftliche Projekte und Studien, veranstaltet Kongresse und gibt wissenschaftliche Fachzeitschriften heraus. Darüber hinaus setzt sich die DOG für den wissenschaftlichen Nachwuchs in der Augenheilkunde ein, indem sie zum Beispiel Stipendien vor allem für junge Forscher vergibt. Gegründet im Jahr 1857 in Heidelberg ist die DOG die älteste augenärztliche Fachgesellschaft der Welt und die älteste fachärztliche Gesellschaft Deutschlands.

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    Kontakt für Journalisten:
    Deutsche Ophthalmologische Gesellschaft (DOG)
    Pressestelle
    Kerstin Ullrich
    Postfach 30 11 20
    70451 Stuttgart
    Telefon: 0711 8931-641
    Telefax: 0711 8931-167
    ullrich@medizinkommunikation.org
    http://www.dog.org


    Weitere Informationen:

    http://www.dog.org
    https://www.dog.org/wp-content/uploads/2019/11/DOG_Feuerwerk-Poster_2019_270x400...
    https://www.researchgate.net/publication/336859982_Dreijahresergebnisse_der_deut...


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Gesellschaft, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungs- / Wissenstransfer
    Deutsch


     

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