idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
27.11.2003 15:39

Langzeitstudie der Universität Kassel belegt Wirksamkeit der Kasseler Stottertherapie

Ingrid Hildebrand Stabsstelle Kommunikation und Marketing
Universität Kassel

    Die seit 1996 durchgeführte Untersuchung bei 450 Klienten zeigt in 70 % der Fälle dauerhaft flüssigeres Sprechverhalten - Paralleluntersuchung der Uni Frankfurt belegt veränderte Hirnaktivität.

    Kassel. In einer Langzeitstudie hat Prof. Dr. Harald Euler vom Fachbereich Psychologie der Universität Kassel seit 1996 die Therapieergebnisse der Kasseler Stottertherapie bei 450 Klienten im Alter zwischen 12 und 65 Jahren ausgewertet. Der Anteil der weiblichen Klienten (90) liegt bei etwa 20 Prozent. Von 50 Klienten liegen nun auch erste Ergebnisse drei Jahre nach der Therapie vor. Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Langzeitstudie, dass die Kasseler Stottertherapie über 70% der Klienten befähigt, dauerhaft flüssiger zu sprechen.
    Diese Evaluationsstudie ist eine der weltweit größten in Bezug auf Klientenzahl, Beobachtungszeitraum und Therapieerfolge.

    Die Kasseler Stottertherapie ist eine integrative Therapieform. Sie verbindet die Prinzipien des "weichen Sprechens" (fluency-shaping) mit Elementen der Körper- und Atemarbeit und der klassischen Logopädie. Wichtiger Bestandteil dieses Behandlungskonzeptes ist eine Software, mit der systematisches und kontrollierbares Üben im Intensivkurs und in der strukturierten Nachsorge möglich ist.

    Therapiewirkung von Dauer
    "Die Auswertung der Daten dokumentiert, dass sich nicht nur kurzfristige Behandlungserfolge - wie auch bei anderen Therapieformen - einstellen. Die entscheidende Frage ist, ob die Therapiewirkung von Dauer ist. Und hier weisen unsere Ergebnisse eindeutig eine langfristig gefestigte Sprechflüssigkeit bei den Klienten nach. Die vorliegenden Daten zeigen, dass sich die von Stotterern subjektiv empfundene Besserung auch objektiv bestätigt", so Prof. Dr. Harald Euler auf der heutigen Pressekonferenz in der Universität Kassel.

    Die Therapie genügt in ihrer Dokumentation hohen wissenschaftlichen Ansprüchen und entspricht international anerkannten Kriterien. Das Ausmaß des Stotterns der Klienten wird in 4 verschiedenen standardisierten Sprechsituationen gemessen:

    1. Interview mit Passanten
    2. Telefongespräch mit Fremden
    3. Lesen eines Textes
    4. Gespräch mit dem Therapeuten

    Diese Messungen werden am Tag vor Beginn des 3-wöchigen computergestützten Intensivtrainings, am letzten Therapietag sowie ein Jahr, zwei Jahre und drei Jahre später durchgeführt. Neben diesen Messungen der Sprechflüssigkeit werden subjektive Beurteilungen der Klienten per Fragebogen erfasst.

    Die Daten wurden auf ihre Gütekriterien überprüft und die Behandlungserfolge durch eine so genannte Warte-Kontrollgruppe überprüft. Diese drei Monate und einen Monat vor Therapiebeginn erhobenen Daten zeigen, dass die Ergebnisse der Kasseler Stottertherapie nur auf die Behandlung zurückzuführen sind.

    Vor der Therapie stottern die Klienten durchschnittlich bei ca. 12% der gesprochenen Silben, mit großen individuellen Unterschieden (in Extremfällen über 40 %). Unmittelbar nach der Therapie stottern die Klienten im Durchschnitt bei 1-2 % der Silben.
    Im ersten halben Jahr nach der Therapie erleben einige Klienten einen leichten Rückfall, der aber bei vielen später wieder aufgefangen werden kann, so dass sich längerfristig die mittlere Stotterrate bei 3-4% einpendelt. Die 3%-Grenze gilt als Unauffälligkeitsgrenze, weil auch Nichtstotterer gelegentlich Sprechblockierungen zeigen. Die 50 Klienten, bei denen 3-Jahres-Nachfolgedaten vorliegen, stottern dann bei 4% der Silben.

    Bemerkenswert ist, dass nur wenige Klienten die Therapie abbrechen. Die strukturierte Nachsorge der Kasseler Stottertherapie u. a. mit regelmäßigen Auffrisch-Kursen trägt entscheidend dazu bei, dass die bei Stotterern bekannte hohe Rückfallquote drastisch reduziert wird.
    Mit der Reduktion der Stotterhäufigkeit erhöht sich sowohl die Sprechgeschwindigkeit als auch die Sprechnatürlichkeit. Letzter Befund ist deswegen bemerkenswert, weil die Klienten in der Therapie eine neue, zunächst recht unnatürlich klingende "weiche" Sprechweise erlernen. Weiterhin vermindert sich mit der Abnahme des Stotterns auch die frühere Angst, zu sprechen.
    "Unsere Auswertungen dokumentieren, dass sich die Sprechflüssigkeit langfristig deutlich verbessert und sich dadurch die Lebensqualität der Klienten erhöht", resümiert Euler.

    Veränderung der Hirnaktivität
    Parallel zur Langzeitstudie von Prof. Euler untersuchte die Universitätsklinik Frankfurt in Zusammenarbeit mit dem Institut der Kasseler Stottertherapie und der Universität Kassel in den letzten drei Jahren die Hirnaktivität von Stotternden und deren posttherapeutische Änderung.

    Hierzu erklärt Dr. Katrin Neumann, Oberärztin in der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie der Universitätsklinik Frankfurt, auf der heutigen Pressekonferenz: "Die Zusammenarbeit mit dem Instituts-Leiter, Dr. Alexander Wolff von Gudenberg und den Klienten der Kasseler Stottertherapie (natürlich auf freiwilliger Basis) machte es uns erstmals in Deutschland möglich, die Unterschiede in der Hirnaktivität während Sprechplanung und Sprachproduktion zwischen stotternden und nicht stotternden Personen aufzuzeigen. Unser Interesse zielte darauf, die Auswirkungen einer Stottertherapie hirnfunktionell zu untersuchen."

    9 Klienten wurden vor Beginn der Therapie und jeweils ein Jahr und zwei Jahre später mit einer funktionellen Magnetresonanz-Tomographie untersucht. Diese Methode ermöglicht es, aktivierte Hirnregionen bildlich darzustellen. "Die Ergebnisse belegen, dass das sprechmotorische Training der Kasseler Stottertherapie damit einhergeht, dass die bei Stotterern nachgewiesenen Störungen in der linken Hirnhälfte kompensiert werden, indem benachbarte Hirnregionen nach der Therapie stärker aktiviert werden", so Neumann weiter.
    p
    5.487 Zeichen

    Info
    Universität Kassel
    Prof. Dr. Harald Euler
    Fachbereich 3
    tel (0561) 804 3577/-3579
    fax (0561) 804 3586
    e-mail euler@uni-kassel.de

    Dr. Katrin Neumann
    Oberärztin der Klinik für Phoniatrie und Pädaudiologie der Universitätsklinik Frankfurt
    tel (069) 63014196
    e-mail katrin.neumann@em.uni-frankfurt.de

    Dr. Alexander Wolff von Gudenberg
    Facharzt für Allgemeinmedizin, Stimm- und Sprachstörungen und Leiter des Instituts der Kasseler Stottertherapie
    tel (05624) 9210
    fax (05624) 921201
    e-mail AwvGudenberg@kasseler-stottertherapie.de
    Internet http://www.kasseler-stottertherapie.de


    Weitere Informationen:

    http://www.kasseler-stottertherapie.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Psychologie
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).