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28.10.1998 00:00

Schleimpilz enthüllt Geheimnisse der Zellkernverdopplung

Dr./M.A. Rudolf F. Dietze Präsidialabteilung, Bereich Kommunikation & Marketing
Universität Regensburg

    Schleimpilz enthüllt Geheimnisse der Zellkernverdopplung

    Workshop "Cellular and Molecular Aspects
    of Differentiation in Physarum polycephalum"
    26./27. November

    Am 26./27. November findet an der Naturwissenschaftlichen Fakultät III - Biologie und Vorklinische Medizin der Universität Regensburg ein Workshop mit dem Thema Cellular and Molecular Aspects of Differentiation in Physarum polycephalum statt. Physarum polycephalum ist ein Schleimpilz, der in der Natur auf faulenden Blättern und Holzmaterial zu finden ist, dem Aussehen nach ein flaches Häufchen aus gelbem Schleim, ohne Mund, Darm und Gliedmaßen, das sich fließend fortbewegt und dabei allerlei Bakterien und andere winzige Organismen in seinen Zellkörper aufnimmt und als Nahrung verdaut. Bei genauerem Hinsehen besteht ein Schleimpilz aus einer einzigen Zelle, in der Milliarden Zellkerne in einem andauernden Rhythmus hin- und herströmen und sich in regelmäßigen Intervallen von wenigen Stunden synchron verdoppeln. Im Labor kann jede dieser Zellen mit ihren vielen Zellkernen sehr groß werden und dabei Handtellergröße und mehr erreichen, ohne den Einzeller-Status zu verlieren. Diese sog. Plasmodien dienen in der Forschung als Modelle, um beispielsweise die Vorgänge bei der Zellkernverdopplung zu studieren oder die Plasmaströmung zu untersuchen. Dazu werden die Riesenzellen abgetötet und in Proteine, Nukleinsäuren und andere Moleküle zerlegt, die ihrerseits auf ihre Funktion untersucht werden. Bei solchen Analysen fand man zum Beispiel das ungewöhnliche Polymer Polyäpfelsäure, ohne das ein derartiger Riesenwuchs einer Zelle wahrscheinlich unmöglich wäre. Die genaue Funktion des Polymers ist Gegenstand intensiver Forschung.

    Wenn Trockenheit oder Nahrungsmangel einem Plasmodium das Leben schwer machen, beschließt es, einen Dauerschlaf zu halten, es bildet sog. Spherulen. Dazu synthetisiert es besondere Proteine und entwässert sich. In dem Zustand einer Sperule, einem vom Aussehen einem Sandkorn ähnlichen Gebilde, kann es lange Perioden der Dürre überbrücken; man kann es in der Hosentasche transportieren, Hitze und Kälte aussetzen. Bei Berührung mit Wasser schlüpft bald wieder ein Plasmodium, und das üppige Leben geht weiter.
    Wenn aber gleichzeitig mit einsetzendem Nahrungsmangel Sonnenlicht herrscht, will sich der Organismus vermehren. Er verfügt dazu über ein Programm, daß ihn durch Neusynthese bestimmter Proteine und radikaler Umorganisation Sporangien bilden läßt, die in einer großen Anzahl jeweils an einem kleinen Stiel sitzen (polycephalum griech.: der Vielköpfige). Die Sporenbehälter platzen und der Inhalt, die Sporen, verteilen sich mit dem Wind. Trifft eine Spore auf eine feuchte Unterlage, so schlüpft ein kleiner Einzeller, eine Amöbe, viel kleiner als ein Plasmodium und mit nur einem einzigen Kern. Trifft die Amöbe auf viel Wasser, wächst ihr eine Geisel, mit der sie sich schnell fortbewegen kann. Diese Einzeller unterscheiden sich voneinander; man könnte sagen, es gibt männliche und weibliche Zellen. Durch geschlechtliche Verschmelzung bilden sie eine Zygote, die fortan nur noch ihre Zellkerne teilt, aber nicht ihren Zellkörper: es ist ein neues Plasmodium entstanden. Viele Plasmodien können sich zusammenschließen und noch größere, riesenhafte Zellen bilden. Damit hat sich der Lebenszyklus geschlossen.

    Aufgrund des geschilderten Lebenszyklus mit seiner Anzahl charakteristischer Zellformen und insbesondere der riesenhaften Dimension des Plasmodiums wegen, in dem sich alle Zellkerne gleichzeitig teilen, hat sich Physarum polycephalum als Modellorganismus zur Untersuchung von molekularen Differenzierungsvorgängen qualifiziert. Die Arbeitsgruppe unter der Leitung von Dr. W. Marwan am Max-Planck-Institut für Biochemie in Martinsried untersucht zum Beispiel die Frage, welche physikalischen und molekularen Ereignisse bei der Belichtung von Plasmodien bei gleichzeitigem Hungern zu der erwähnten Sporulation führen. Eine andere Arbeitsgruppe am Institut für Genetik der Universität Leicester (England) unter der Leitung von Dr. J. Bailey untersucht, welche Proteine nach dem geschlechtlichen Verschmelzen von zwei Amöben gebildet werden, um das genetisch festgelegten Programm, mittels dessen die Amöbe zum Plasmodium umstrukturiert wird, aufzuklären.

    In dem angekündigten Workshop werden die genannten und andere Arbeitsgruppen ihre Forschungsergebnisse vorstellen und diskutieren. Neu bei diesem Workshop ist, daß interessierte Wissenschaftler und Studenten den Organismus live kennenlernen können. In Demonstrationsexperimenten und im eigenen Umgang mit dem Organismus können die Teilnehmer sich über seine Qualitäten und über bestehende moderne experimentelle Ansätze für seine Erforschung informieren.

    Weitere Einzelheiten sowie das ausführlkiche Tagungsprogramm sind im Internet zu finden unter:

    http://www.biologie.uni-regensburg.de/Biophysik/Holler/Phy_Workshop98.html

    Kontakt:
    Apl. Prof. Dr. Eggehard Holler,
    Universitätsdozent
    Biochemie
    Universität Regensburg
    Tel. 0941/ 943 3030
    E-Mail: eggehard.holler@biologie.uni-regensburg.de

    Rudolf F. Dietze
    Dr. Rudolf F. Dietze, M.A.
    Pressereferent


    Weitere Informationen:

    http://www.biologie.uni-regensburg.de/Biophysik/Holler/Phy_Workshop98.html


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Chemie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Informationstechnik, Medizin
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte, Wissenschaftliche Tagungen
    Deutsch


     

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