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02.12.2003 10:29

Fledermäuse: Seit über sieben Jahrzehnten werden Spuren festgehalten

Dr. Frank Stäudner Kommunikation
Leibniz-Gemeinschaft

    Wandern, so weit die Arme tragen

    Leibniz-Wissenschaftler verfolgen die Wege von Fledermäusen anhand von einzigartigen Daten aus der Bonner Beringungszentrale

    Bonn. Die rund 38 europäischen Fledermausarten zeigen ein ganz unterschiedliches Wanderverhalten: Einige lassen sich als Fernwanderer, andere als Mittelstreckenzieher und wieder andere als ausgesprochen standorttreu charakterisieren. Aufschluss über das Verhalten gibt ein historisch gewachsener Datenbestand aus der Beringungszentrale am Zoologischen Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig (ZFMK) in Bonn, der in den letzten Jahren in eine Microsoft Access-Datenbank überführt worden ist. Ein Resultat der Arbeiten wird die Zusammenstellung eines Atlas' der Fledermauswanderungen in Mitteleuropa sein, der als wesentliche Informationsgrundlage für den europaweiten Fledermausschutz (EUROBATS) dienen kann. Das ZFMK ist ein Institut der Leibniz-Gemeinschaft. Erst kürzlich hat es nach fünfjähriger Neugestaltung unter dem Motto "Unser blauer Planet - Leben im Netzwerk" seine weit über Deutschland hinaus bekannten Schausammlungen wiedereröffnet.

    "Echte Wanderburschen sind die Rauhhautfledermaus (Pipistrellus nathusii), der Große Abendsegler (Nyctalus noctula), der Kleinabendsegler (Nyctalus leisleri) sowie die Zweifarbfledermaus (Vespertilio murinus)", berichtet Rainer Hutterer, Leiter der Bonner Beringungszentrale am ZFMK. "Erst vor wenigen Jahren gelang es spanischen und deutschen Fledermausforschern, den Zug eines beringten Kleinabendseglers von Sachsen-Anhalt nach Spanien und wieder zurück zu dokumentieren - das entspricht einer Flugstrecke von 3.135 Kilometern!" Je mehr die Forscher über die Fledermaus wissen, umso eher lässt sich die nicht nur in Europa gefährdete Art schützen. Zu Hilfe kommen ihnen dabei zwei Tatsachen: Zum einen besitzen die Bonner Wissenschaftler - unter anderem auch in Kooperation mit der Dresdener Beringungszentrale - einen einzigartigen Datenbestand, dessen Anfänge ins Jahr 1932 datieren. Zum anderen sind alle Daten inzwischen datentechnisch so aufbereitet, dass sie sich mit einem Geoinformationssystem koppeln lassen. "Wir könnten zum Beispiel die Frage klären, ob Individuen von Großen Mausohren (Myotis myotis), die gegenüber den anderen Artgenossen besonders weite Strecken zurücklegen, Wanderburschen oder womöglich Wandermädels sind, indem wir gezielt die Wege beider Geschlechter vergleichen", erläutert Christine Meyer-Cords, Mitarbeiterin in der Beringungszentrale.

    Ob es überhaupt noch Vertreter einer Art gibt, erlaubt der historische Vergleich: Denn seit 1932 werden in Deutschland auf Initiative des Fledermausforschers Martin Eisentraut Fledermäuse mit Metallklammern am Unterarm markiert, die über eine Nummer eine eindeutige Identifikation ermöglichen. An der anschließenden Datenerhebung waren dezentral verteilt Hunderte von qualifizierten "Beringern", aber auch aufmerksame Finder beteiligt. In der Access-Datenbank ist daher die Beringungstätigkeit von über 70 Jahren zusammengefasst. "Die Daten liegen zum Teil ursprünglich in handschriftlicher Form vor, wie jener Brief eines Volkschülers aus dem Jahre 1967, der ein Tier in der Nähe der Wahnbachtalsperre gefunden und darüber Bericht erstattet hat. Den Ring hatte er sogar beigelegt", erinnert sich Hutterer.

    Durch die datentechnische Aufbereitung und die Koppelung mit Geoinformationssystemen erschließt sich der Datenbestand nun in einer Weise, wie dies zuvor nicht möglich war. Gefördert werden diese Arbeiten derzeit im Rahmen des Forschungs- und Entwicklungsvorhabens "Auswertung der Ergebnisse von Fledermaus-Markierungen als Beitrag zur Erforschung der Fledermauswanderungen in Europa" im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit.

    Grundsätzlich geben die Beringung und jeder Wiederfund Einblicke in die Lebensgeschichte des Tieres. Fledermaus-Weibchen wie Braune Langohren (Plecotus auritus) leben zum Beispiel im Sommer zur Aufzucht ihrer Jungen in so genannten Wochenstubengesellschaften zusammen. Werden viele Tiere einer Wochenstube beringt, so kann man durch die Kontrollen der beringten Tiere in nachfolgenden Jahren Kenntnisse über ihre Alterstruktur und ihrer Überlebenswahrscheinlichkeit erhalten. Das so ermittelte Höchstalter für eine europäische Fledermaus beträgt übrigens 33 Jahre. "Durch Beringungen und Wiederfunde wissen wir zum Beispiel auch, dass Fledermäuse sehr traditionsbewusste Tiere sind: Jeden Sommer werden die angestammten Quartiere von den Weibchen und ihren Töchtern und Enkelinnen erneut aufgesucht, um die nächste Generation groß zu ziehen", berichtet Hutterer. Jedes Fledermaus-Quartier ist durch das Bundesnaturschutzgesetz geschützt. Aufbauend auf die nunmehr digitalisiert vorliegenden Daten, lassen sich nun durch Korrelationen und Abgleiche eine Fülle neuer Erkenntnisse gewinnen. Durch standardisierte Eingabemasken für Beringer vor Ort und Online-Pflege der Daten könnte der Bestand kontinuierlich gepflegt werden. "Doch noch sind wir nicht soweit", schränkt Meyer-Cords ein. "Jetzt sind wir erst einmal froh, unsere historischen und aktuellen Bestände besser auswerten zu können."

    Nähere Informationen und Fotos bzw. Abbildungen zu diesem Projekt des ZFMK bei:

    Zoologisches Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig, Bonn (ZFMK)
    Dr. Rainer Hutterer
    Tel.: 02 28/91 22-2 65/-2 61
    Fax: 02 28/91 22-2 12
    E-Mail: beringungszentrale.zfmk@uni-bonn.de

    Kontakt Leibniz-Gemeinschaft:
    Dr. Frank Stäudner
    Tel.: 0 30/ 20 60 49 42
    Fax: 0 30/ 20 60 49 55
    E-Mail: staudner@wgl.de

    Das Zoologischen Forschungsinstitut und Museum Alexander Koenig (ZFMK) gehört zu den 80 außeruniversitären Forschungsinstituten und Serviceeinrichtungen für die Forschung der Leibniz-Gemeinschaft. Das Spektrum der Leibniz-Institute ist breit und reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften und Museen mit angeschlossener Forschungsabteilung. Die Institute beschäftigen rund 12.500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und haben einen Gesamtetat von 950 Millionen Euro. Sie arbeiten nachfrageorientiert und interdisziplinär und sind von überregionaler Bedeutung. Da sie Vorhaben im gesamtstaatlichen Interesse betreiben, werden sie von Bund und Länder gemeinsam gefördert. Näheres unter:www.leibniz-gemeinschaft.de


    Weitere Informationen:

    http://www.wgl.de


    Bilder

    Wochenstube Brauner Langohren (Plecotus auritus). Im Vordergrund unten kann man einen Ring erkennen. (Foto: H. Roer, ZFMK).
    Wochenstube Brauner Langohren (Plecotus auritus). Im Vordergrund unten kann man einen Ring erkennen. ...

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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Biologie, Informationstechnik, Meer / Klima, Umwelt / Ökologie
    überregional
    Forschungsergebnisse, Forschungsprojekte
    Deutsch


     

    Wochenstube Brauner Langohren (Plecotus auritus). Im Vordergrund unten kann man einen Ring erkennen. (Foto: H. Roer, ZFMK).


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