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18.02.2020 10:40

„Propaganda“ und Meinungsfreiheit in der Antike

Kristian Lozina Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Julius-Maximilians-Universität Würzburg

    Meisterwerke der Philosophie und des Dramas sind nur ein Teil der literarischen Antike. Auch die politische Rede zählte zum Repertoire. Seit Januar forscht hierzu Jan Stenger an der Uni Würzburg.

    Homer, Platon, Aristoteles. Jeder kennt die Namen der antiken griechischen Klassiker. Wir verbinden das antike Griechenland mit Weisheit, Philosophie, mit weißen Gewändern und majestätischen Bauten mit weißen Säulen. Doch dieses Klischee entspricht nicht immer den Tatsachen. Denn auch PR und politische Rhetorik gehörten zur Literatur der Antike. Wie es sich damit verhält und welche Formen der Rede- und Meinungsfreiheit in der antiken Welt existierten, erforscht der Gräzist Professor Jan Stenger. Seit Januar 2020 ist er dafür an die Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) gekommen und hat den Lehrstuhl für Klassische Philologie I übernommen.

    „Das Spannungsverhältnis zwischen Nah und Fern reizt mich besonders an der Antike“, erklärt Stenger. „Die Antike ist sehr präsent in unserer Kultur, sei es in Kunst, Architektur oder Philosophie.“ Gleichzeitig sei sie doch etwas ganz Fremdes und werde in der Literatur oft idealisiert. Stenger nennt als Beispiel die kulturellen Normen der damaligen Zeit, die sich stark von unseren unterscheiden. „So passen etwa die Einstellung zur Gewalt, die wir im antiken Epos finden, oder die Obszönität der griechischen Komödie nicht zu dem verbreiteten Bild einer makellosen Antike.“

    Alte Chorlyrik sowie Literatur, Kultur und Bildung der Spätantike

    Seine Begeisterung für die Antike ließ ihn ein Studium der Klassischen Philologie und Geschichte in Heidelberg und Tübingen beginnen. Es folgte 2003 die Promotion in Kiel. Sein Forschungsthema: Chorlieder, die der griechische Lyriker Bakchylides im 5. Jahrhundert vor Christus für Sieger in sportlichen Wettkämpfen komponiert hat. 2008 folgte die Habilitation für Klassische Philologie in Kiel. Das Thema hier: Identitätskonstruktionen „heidnischer“ griechischer Autoren in der Umbruchszeit der Spätantike (4. Jahrhundert nach Christus), am Übergang zu einem christlichen Römischen Reich.

    Die Spezialisierung auf diese beiden unterschiedlichen Zeitperioden begleiten Stenger auch noch in seiner heutigen Forschung. Neben der alten Chorlyrik beschäftigt er sich mit der Literatur und Kultur der Spätantike sowie Konzepten der spätantiken Bildung. Aktuell hat er ein Projekt zur textuellen Darstellung und der Terminologie von Kulträumen in antiken Kulturen begonnen.

    Ein Mittel der Propaganda

    Weitere Erfahrung in Forschung und Lehre sammelte der Gräzist im In- und Ausland: 2008 wurde er Juniorprofessor an der Freien Universität Berlin, 2012 erster Inhaber des neu eingerichteten Douglas MacDowell Chair of Greek an der University of Glasgow. Weitere Stationen führten ihn nach Finnland und Schweden. Im Sommer wird er zudem Margaret Braine Fellow in Classics and Ancient History an der University of Western Australia in Perth sein.

    Vor allem sein Interesse an der antiken Chorlyrik passt zur Klassischen Philologie an der JMU. Diese ist eng verknüpft mit Rhetorik, die auch in Würzburg einen hohen Stellenwert hat. Unter der griechischen Chorlyrik versteht man zum Beispiel Siegeslieder, als Auftragsdichtung für Sieger in sportlichen Wettkämpfen. „Das ist ein bisschen wie PR oder sogar Propaganda“, erklärt Stenger. „Die Texte wollten eine ganz bestimmte Botschaft verbreiten, sie wollten die Menschen von etwas überzeugen. Für uns ist es heute befremdlich, ein Gedicht zu nutzen, um eine Person zu verherrlichen. Bis in das 19. Jahrhundert gab es das aber auch bei uns.“

    Was durfte gesagt werden?

    Sein neustes Forschungsprojekt an der JMU befasst sich mit der freien und offenen Rede von der Klassischen Epoche (5. Jahrhundert vor Christus) bis zur christlichen Spätantike. „Die Meinungsfreiheit ist in den letzten Jahren ins Zentrum der medialen Aufmerksamkeit gerückt“, so Stenger. „Oftmals wird in Debatten über Meinungsfreiheit auf die griechische Antike, insbesondere die athenische Demokratie, Bezug genommen. Dabei sind aber auch falsche Vorstellungen von antiker Demokratie und Redekultur festzustellen. Auch wenn die freie Rede in Athen ein zentraler Wert war, wäre es verkehrt, sie als eine Art kodifiziertes Bürgerrecht aufzufassen.“ Außerdem wandelte sich das Konzept und die Praxis der offenen Rede beträchtlich in den Jahrhunderten bis zum Ende der Antike.

    Sein Projekt werde sich der Repräsentation, Problematisierung und Performanz der freien und offenen Rede in der antiken Gesellschaft, Literatur, Philosophie und Theologie widmen, erklärt Stenger. Er sieht die Redefreiheit in der Antike nicht als starres Recht, sondern will erforschen, wie sie in der Praxis aussah.

    Neben den zentralen und bekannten Autoren der griechischen Antike will Stenger auch sein Forschungsprojekt in die Gräzistik-Kurse einbetten. „Mir ist die Verzahnung von aktueller Forschung und Lehre ein großes Anliegen. Mein Ziel ist es daher, die Punkte freie Rede und Rhetorik verstärkt in die Lehre einfließen zu lassen.“


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Jan Stenger, Institut für Klassische Philologie, Lehrstuhl I (Gräzistik), T +49 931 31-86750, jan.stenger@uni-wuerzburg.de


    Bilder

    Jan Stenger ist seit Januar 2020 Professor am Institut für Klassische Philologie an der Uni Würzburg.
    Jan Stenger ist seit Januar 2020 Professor am Institut für Klassische Philologie an der Uni Würzburg ...
    Daniel Peter
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Geschichte / Archäologie, Sprache / Literatur
    überregional
    Personalia
    Deutsch


     

    Jan Stenger ist seit Januar 2020 Professor am Institut für Klassische Philologie an der Uni Würzburg.


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