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04.12.2003 10:09

Offene Ganztagsgrundschule braucht flexible Angebote

Claudia Braczko Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Institut Arbeit und Technik

    Institut Arbeit und Technik stellte auf dem Bildungsforum Ruhr erste Ergebnisse der Studie "Arbeitszeit und Kinderbetreuung" vor

    Die offenen Ganztagsgrundschulen brauchen flexiblere Angebote: für viele berufstätige Mütter reicht die Betreuung bis 16 Uhr nicht aus, andere wollen nur einzelne Wochentage "buchen" und sich an den anderen Tagen selbst um ihre Kinder kümmern. Das zeigt eine Studie zum Thema "Arbeitszeit und Kinderbetreuung", aus der Dr. Sybille Stöbe-Blossey vom Institut Arbeit und Technik (IAT/Gelsenkirchen) jetzt auf dem Bildungsforum Ruhr in Herne erste Ergebnisse vorstellte.

    Das Bildungsforum Ruhr ist eine Veranstaltungsreihe, die von der Projekt Ruhr GmbH, dem Institut Arbeit und Technik und einigen Ruhrgebietskommunen mit dem WDR als Medienpartner initiiert wurde und nun zum vierten Mal aktuelle Bildungsthemen zur Diskussion stellte. Unter dem Titel "Wir gehen aufs Ganze - Auf dem Weg zur offenen Ganztagsgrundschule" präsentierten Grundschulen erste Erfahrungen mit dem neuen Ganztagskonzept des Landes NRW, Experten aus Wissenschaft, Jugendhilfe, Städtetag und Politik diskutierten mit Bildungsministerin Ute Schäfer Probleme und Perspektiven der Weiterentwicklung.

    Für die von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie wurden über 1.200 Mütter mit Kindern unter 14 Jahren nach ihren Arbeitszeiten, ihrer Kinderbetreuungslösung und ihren diesbezüglichen Wünschen telefonisch befragt. Zentrales Ergebnis: Mütter arbeiten zu sehr unterschiedlichen Zeiten. Zwar gehen drei Viertel der erwerbstätigen Mütter mit Kindern im Grundschulalter einer Teilzeitbeschäftigung nach, jedoch hat nur ein knappes Drittel davon eine klassische Halbtagsstelle mit fünf Vormittagen in der Woche. Ein gutes Drittel der Teilzeitbeschäftigten arbeitet an mindestens einem Wochentag ganztags, mehr als die Hälfte an mindestens einem Tag hauptsächlich nachmittags. Und immerhin knapp die Hälfte der Teilzeit- und gut drei Viertel der Vollzeitbeschäftigten arbeiten an einigen Tagen auch am späten Nachmittag, also zwischen 16.30 und 19 Uhr. Teilzeitbeschäftigte mit etwa 15 bis 25 Wochenstunden sind übrigens mit ihren Arbeitszeiten am zufriedensten - viele Vollzeitbeschäftigte würden gern weniger, viele geringfügig Beschäftigte lieber mehr arbeiten.

    In der offenen Ganztagsgrundschule, ähnlich wie in den meisten bestehenden Betreuungsangeboten, ist eine Betreuung bis etwa 16.00 Uhr vorgesehen. "Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung", so Dr. Stöbe-Blossey, die am IAT den Forschungsschwerpunkt "Bildung und Erziehung im Strukturwandel" leitet. "Mittelfristig müssen wir aber darüber nachdenken, wie wir Lösungen für die späteren Zeiten finden. Insbesondere von Alleinerziehenden können wir nicht einerseits verlangen, sich auf die Anforderungen des Arbeitsmarktes einzustellen, und andererseits Betreuungsangebote nach 16 Uhr als kinderfeindlich abtun." Gerade bei solchen Angeboten wäre es besonders wichtig, dass sie flexibel für einzelne Wochentage "gebucht" werden können: Wenn eine teilzeitbeschäftigte Mutter beispielsweise an zwei Tagen bis 18.30 Uhr im Einzelhandel oder in der Arztpraxis arbeitet, gibt es keinen Grund dafür, dass ihr Kind die ganze Woche über so lange betreut werden muss.

    Flexibilität ist aber auch im Hinblick auf das Regelangebot der Offenen Ganztagsgrundschule gefragt. Mütter von Schulkindern, so ein Ergebnis der IAT-Studie, haben ein großes Interesse an Nachmittagsangeboten in der Schule: 46,2 % sind an einer allgemeinen Nachmittagsbetreuung interessiert, 58,0 % an Hausaufgabenbetreuung und Förderunterricht, 69,7 % an Freizeitangeboten wie Sport und Musik. Auch insofern ist die Offene Ganztagsgrundschule sicher auf dem richtigen Weg. Aber: Sehr viele Mütter wünschen diese Angebote nicht für die ganze Woche, sondern für einzelne Wochentage. Bei der allgemeinen Betreuung und den Fördermöglichkeiten trifft dies auf je knapp zwei Drittel der Interessierten zu, bei den Freizeitangeboten sogar auf gut drei Viertel. Sieht man sich die Arbeitszeiten an, ist dies nahe liegend: Viele Mütter brauchen zwar für einige Nachmittage eine Betreuung, möchten sich aber an anderen Tagen selbst um ihre Kinder kümmern.

    Dies jedoch ist bei der Offenen Ganztagsgrundschule eigentlich nicht vorgesehen - jedenfalls nicht in der Theorie. In der Praxis sieht dies anders aus: "Von unseren 65 Ganztagskindern sind in der Regel an jeden Tag etwa 45 anwesend", so ein Grundschulrektor. In Gesprächen mit dem IAT berichten einige Kommunen von Akzeptanzproblemen bei der Einführung der Ganztagsgrundschule, weil Eltern die Betreuung nicht für jeden Tag wünschen und bei einer "Alle-oder-nichts-Alternative" das Konzept ganz ablehnen - was dazu führt, dass Kinder sich an den "Arbeitsnachmittagen" ihrer Mütter stattdessen mit wenig geeigneten Betreuungslösungen begnügen: "Mittagessen bei der Nachbarin, dann eine Zeit allein zuhause, dann kommt der Vater, der an meinen Arbeitstagen versucht, früher Schluss zu machen", berichtete eine Mutter im Interview im Rahmen der IAT-Studie.

    Nun ist es sicher nicht sinnvoll, wenn es in der Offenen Ganztagsgrundschule nachmittags ein unverbindliches Kommen und Gehen gibt - ein Plädoyer für Flexibilität ist keineswegs ein Plädoyer für Beliebigkeit. Besser wäre es, die Eltern könnten ihre Kinder offiziell für bestimmte Wochentage anmelden - das gäbe den Schulen Planungssicherheit. "Es gibt viele Mütter, die aufgrund ihrer Arbeitszeiten für die ganze Woche eine Ganztagsbetreuung wünschen - das ist auch völlig in Ordnung", so Dr. Stöbe-Blossey, "und außerdem gibt es eine leider wachsende Gruppe von Kindern, die dringend jeden Tag eine Ganztagsbetreuung brauchen, weil die Familienstrukturen nicht funktionieren. Aber es gibt eben auch eine große Gruppe Mütter, die sich an einigen Nachmittagen selbst um ihre Kinder kümmern können und wollen. Warum sollten wir diese Mütter vor die Alternative stellen, entweder auf diese gemeinsamen Nachmittage oder auf die Nachmittagsbetreuung an ihren Arbeitstagen zu verzichten - und uns gleichzeitig darüber beklagen, dass viele Eltern ihre Erziehungsverantwortung nicht mehr wahrnehmen?" Und pädagogische Qualität macht sich allemal an den Inhalten der Angebote fest, nicht daran, ob immer alle Kinder gleichzeitig daran teilnehmen.

    Für weitere Fragen stehen
    Ihnen zur Verfügung:
    Dr. Sybille Stöbe-Blossey
    Durchwahl: 0209/1707-130
    Karin Esch
    Durchwahl: 0209/1707-283

    Pressereferentin
    Claudia Braczko
    Munscheidstraße 14
    45886 Gelsenkirchen
    Tel.: +49-209/1707-176
    Fax: +49-209/1707-110
    E-Mail: braczko@iatge.de
    WWW: http://iat-info.iatge.de


    Weitere Informationen:

    http://iat-info.iatge.de


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Gesellschaft, Pädagogik / Bildung, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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