"Herausforderungen an ein (Erfolgs-)Modell": Prof. Dr. Dieter Sadowski, Direktor des Instituts für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen in der Europäischen Gemeinschaft (IAAEG, Trier), hielt auf Einladung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institutes (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung den Eröffnungsvortrag auf dem diesjährigen WSI-Herbstforum vom 04./05. Dezember 2003 in Düsseldorf.
Das Herbstforum, das sich der Initiierung von produktiven Diskursen zwischen betrieblichen Interessenvertretern und Personalver-antwortlichen sowie Vertretern der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände widmet und somit an akademische Praktiker und auch Wissenschaftler richtet, befasste sich dieses Jahr mit dem Thema: "Betriebe unter Marktdruck: Zwischen Flexibilisierung und Regulierung". Aufweichung der Tarifautonomie, die gesetzliche Schaffung von Öffnungsklauseln sowie die Reduktion des Kündigungsschutzes waren Themen der Tagung.
Prof. Sadowski hielt hierzu fest: Wenn die Unternehmen heute weniger Wertschöpfung realisieren als früher - weil Absatzpreise verfallen oder Einstandspreise steigen, und wenn die Ansprüche der Kapitalgeber nicht entsprechend nachgeben (müssen), verringert sich die maximal von den Arbeitnehmern erzwingbare Lohnsumme. Wenn die Gewerkschaften, die im dualen System der Interessenvertretung in vieler Hinsicht das Verhandlungsgeschick - traditionell auch die Verhandlungsmacht - der Betriebsräte wesentlich stärken - wenn diese Gewerkschaften als Verhandlungsressource an Bedeutung verlieren, heißt dies, dass die Verhandlungsmacht der Arbeitnehmer abnehmen wird. Was der Verlust der Verhandlungsposition Tariflohn und des Rechts auf Streik bedeuten würde, ist evident - solange bei einer Dezentralisierung der Tarifverhandlungen nicht auch das Streikrecht auf die Betriebe verlagert würde. Der Verlust an Marktmacht, Organisationsmacht und Rechtsmacht wirkt in gleicher Weise.
Solche modellhaften "Sachzwänge" müssen in wirklichen Verhandlungsprozessen und Verteilungskonflikten mehr hergestellt als gefunden werden. Sachgerechte Lösungen stellen an die Sozialpartner jedoch die folgenden Herausforderungen:
· Festzustellen, wie sich die Verhaltensspielräume des Verhandlungspartners objektiv geändert haben, erfordert bessere Daten und die stärkere Einbeziehung der Produkt und Kapitalmärkte in arbeitspolitische Betrachtungen, als dies heute in Praxis und Theorie Standard ist.
· Statt der heute üblichen grenzproduktivitätstheoretische Begründung der Lohnfindung sollte der Kollektivgutcharakter von betrieblicher Wertschöpfung und die schwere Zurechenbarkeit von individuellen Leistungen zum Kooperationsertrag die Aushandlungen leiten: Ressource-Pooling-Sicht statt Shareholder-Value-Manie.
· Im Zuge symbolischen Aktionismus sollten nicht Elemente unserer Arbeitsverfassung zerstört werden, wenn sie über Konjunkturzyklen hinweg, also gerade unter wechselnden Aushandlungsbedingungen, den Verteilungskompromissen und den sie hervorbringenden Aus-handlungsverfahren und -institutionen Legitimität verschaffen konnten.
Weitere Informationen: www.iaaeg.de
Universität Trier
Pressemitteilung 276/2003
Pressestelle
Leitung: Heidi Neyses
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