idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
22.12.2003 15:53

Vortrag in München: Strafrecht und Medizin im Blickfeld des späten Storm

Martin Schütz Pressestelle
Bayerische Akademie der Wissenschaften

    Öffentlicher Vortrag von Walter Müller-Seidel,
    Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
    Emeritierter ordentlicher Professor für Neuere deutsche Literaturgeschichte,
    Ludwig-Maximilians-Universität München
    am 12. Januar 2004 um 19 Uhr im Plenarsaal der Bayerischen Akademie der Wissenschaften

    Strafrecht und Medizin im Blickfeld des späten Storm.
    Seine letzten Erzählungen

    Dem Sieg über Frankreich im Krieg von 1870/71 hat Nietzsche keine gute Zukunft vorausgesagt. Er war der Auffassung, dass dieser Sieg sich in sein Gegenteil verkehren könnte: "in die Niederlage, ja Exstirpation des deutschen Geistes zu Gunsten des 'deutschen Reiches'". Das ist so nicht geschehen. Der weithin sichtbare Aufstieg in Gesellschaft und Wissenschaft ist unbestritten. "Zwischen 1870 und 1914 ... verwandelte sich Deutschland von einer relativ rückständigen und agrarischen Nation zu einer der ersten Industriemächte der Welt" (Fritz K.Ringer). Aber wenigstens partiell hat Nietzsche recht behalten, sieht man auf die mit dieser Entwicklung einhergehende Siegermentalität, die humanem Denken wenig förderlich war. Gegengewichte entstehen vor allem in der Literatur, weniger unter den macht- und fortschrittsbewussten Naturalisten als unter Spätrealisten wie Storm, Fontane und Raabe. Diese Autoren sind Skeptiker auf ihre Art. Sie entdecken Schopenhauer, den Treitschke wie Freytag verachten. Sie befassen sich mit Richtern und Henkern und widersprechen der im Strafrecht verankerten Todesstrafe, die man 1870 beinahe abgeschafft hätte. Unter den genannten Schriftstellern ist Storm am nachhaltigsten am Fortgang der Wissenschaften interessiert. Mit namhaften Gelehrten wie Theodor Mommsen, Erich Schmidt oder dem jungen Ferdinand Tönnies steht er im Briefwechsel. Juristen wie Ärzte sind wiederkehrende Gestalten in seiner Verwandtschaft wie in seinem literarischen Werk. Aber das hindert ihn nicht, in seinen Erzählungen Fragen aufzuwerfen, die dem zeitgemäßen Erfolgsdenken nicht unbedingt entsprechen. Auch den nicht Erfolgreichen und Gestrauchelten gilt seine Aufmerksamkeit - wie in der Erzählung "Ein Doppelgänger", die von einer scheiternden Resozialisation handelt. Die Novelle "Ein Bekenntnis" bringt mit dem Problem "Tod auf Verlangen" medizinisch-juristisches Wissen zur Sprache. Nicht wenige dieser Erzählungen sind Abwärtsgeschichten, wie man sie nennen könnte, und wo es sich, wie in der letzten Erzählung "Der Schimmelreiter", noch einmal um eine gute alte Aufstiegsgeschichte zu handeln scheint, nimmt man Gebrochenheit wahr. Durch alle diese späten Erzählungen geistert das Phänomen des Unheimlichen, das an den Maler Johann Heinrich Füßli wie an den Erzähler E.T.A. Hoffmann erinnert und zugleich auf Freuds berühmten Traktat vorausweist. Aber vorausweisend erst recht ist das ausgeprägte Interesse für die Wissenschaften des Strafrechts und der Medizin - für dieselben, die aus dem Kontext moderner Literatur nicht mehr wegzudenken sind.

    BAYERISCHE AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN
    Pressereferentin: Julia Müller
    Marstallplatz 8
    D-80539 München
    Tel.: +49 (0)89 230 31 141
    Fax: +49 (0)89 230 31 281
    E-Mail: julia.mueller@badw.de
    Internet: http://www.badw.de


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Sprache / Literatur
    regional
    Buntes aus der Wissenschaft
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).