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12.01.2004 15:15

Presseerklärung

Dr.-Ing. Karl-Heinz Kutz Presse- und Kommunikationsstelle
Universität Rostock

    Presseerklärung
    der Rektoren der Hochschulen von Mecklenburg-Vorpommern
    gemeinsam mit der
    Landeskonferenz der Studierendenschaften MV

    Zukunft durch Bildung

    Bundeskanzler Schröder hat auf der Weimarer Klausurtagung der SPD eine Innovationsoffensive ausgerufen, um in Deutschland Eliteuniversitäten entstehen zu lassen, während landauf landab die Hochschulen ausgehungert werden. Die Etab-lierung einiger Eliteuniversitäten kann angesichts des bildungspolitischen Notstands, der Überbelegung und Unterfinanzierung aller deutschen Universitäten nur als grotesk angesehen werden. Schröder hat durchaus Recht, wenn er sagt: "Es geht um soziale Gerechtigkeit auf hohem Niveau. In der wissensbasierten Gesellschaft ist diese nur durch Bildung zu erreichen."

    Auch im OECD-Bericht 2003 wird deutlich gemacht, dass insbesondere ein höherer Bildungsstand der Bevölkerung zu einer deutlichen Steigerung der Arbeitsproduktivität beiträgt. Der unterdurchschnittliche Anstieg der Arbeitsproduktivität und der Rückgang des Beschäftigtenanteils der Bevölkerung in Deutschland sind daher alarmierende Zeichen. Bei den Bildungsausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt liegt Deutschland mit 5,3 Prozent deutlich unter dem Gesamtwert von 5,9 Prozent öffentlicher und privater Investitionen in der OECD. Die OECD-Länder geben 13 Prozent ihrer Gesamtausgaben für Bildungseinrichtungen aus, Deutschland lediglich zehn. Sieht man, wie sehr der wirtschaftliche Wohlstand vom Bildungsstand abhängt, so kann dies nur heißen, dass alle deutschen Universitäten international wettbewerbsfähig gemacht werden müssen, und nicht von der Wissensgesellschaft abgekoppelt werden dürfen. Deutschland braucht dringend eine wissenschaftliche Elite, aber nicht unbedingt eine Eliteuniversität. Wir brauchen, wie der Bundespräsident festgestellt hat, "auf Dauer mehr Spitzenleistung, wir brauchen mehr gut ausgebildete Frauen und Männer, wir benötigen dringend mehr Mittel für Bildung, Wissenschaft und Forschung." Durch breite Investitionen in Bildung, Forschung und Wissenschaft können wir die Grundlagen für Wohlstand und soziale Sicherheit erhalten.

    In Mecklenburg-Vorpommern findet stattdessen seit Jahren ein Raubbau am Hochschulsystem statt. Mit dem Versprechen der Planbarkeit und der Planungssicherheit der Entwicklungsprozesse in den Hochschulen haben die Hochschulen die Festlegung von Finanzierungskorridoren akzeptiert, die ihnen ab dem Jahr 2002 schmerzhafte Einsparverpflichtungen auferlegen, die zu massiven Struktureingriffen führen. Bereits jetzt sind die Hochschulen gezwungen in den nächsten Jahren fast 12% ihres Personals abzubauen und verlieren damit deutlich an Leistungsfähigkeit. Nunmehr sollen den Hochschulen zusätzliche Haushaltsrestriktionen ab-verlangt werden, ohne auch nur auf die Situation der in den Hochschulen deutlich gestiegenen studentischen Nachfrage Rücksicht zu nehmen. An den Universitäten und Hochschulen sollen 296 weitere Personalstellen eingespart werden, zusätzlich 127 im Bereich der Hochschulmedizin. Wenn in einer Situation, in der bis zu 50% höhere Anfängerzahlen zu verzeichnen sind, eine Haushaltssperre verhängt wird und ein weiterer drastischer Personalabbau verkündet wird, der sogar durch Kündigungen betrieben werden soll, so ist dies ein Bruch der Verabredungen des im Finanzkorridor beschlossenen Abkommens und ist niemanden in den Hochschulen und in der Öffentlichkeit zu vermitteln.

    Mehr noch als in den anderen Bundesländern sollte in einem rohstoff- und industriearmen, agrarisch strukturierten Bundesland wie Mecklenburg-Vorpommern Bildung als Zukunftsinvestition großgeschrieben werden. Eine Politik, die zum Ergebnis hat, Hochschulen als Bildungseinrichtungen nachhaltig zu beschädigen, ist ein Akt bildungspolitischen Vandalismus, der mit der Zukunft der kommenden Generationen spielt.

    Seit der Wende sind viele Fachbereiche nach wie vor in völlig maroder Baussubstanz untergebracht. Gerade die Natur- und Technikwissenschaften verlieren ohne entsprechende Labor- und Forschungsflächen und ohne erforderliche Ersatzbeschaffungen und Re-Investitionen von Geräten ihre Konkurrenzfähigkeit - sie sind wie die abgewirtschafteten Betriebe der DDR gezwungen, von der Substanz zu leben. Statt zu investieren, kommentiert die Finanzministerin die Forderung der Hochschulen, mehr in dringend notwendige Gebäude für Lehre und Forschung zu investieren, mit der abwegigen Behauptung, man propagiere damit nur "kostspielig Überkapazitäten", die es zu vermeiden gelte "weil diese Gebäude schon bald keiner braucht". Eine katastrophale Finanzpolitik richtet die Zukunftschancen unserer Hochschulen zugrunde, die auf diese Weise bis zur Funktionsunfähigkeit geschädigt werden. Statt zu investieren, werden die schon viel zu geringen Ansätze für Renovierung und Neubau wieder gestreckt und in Frage gestellt. Personalstellen werden gestrichen. Mit jedem Fach, das aus dem Leistungsspektrum der Hochschulen gebrochen wird, stirbt ein Stück von der Leistungsfähigkeit des Landes.

    Nach wie vor werden von den politisch Verantwortlichen Hochschulausgaben als konsumtive Kosten betrachtet, anstatt in ihnen die wichtigsten Investitionen für die Zukunft des Landes zu sehen. Wir fordern daher auf, den Irrweg dieser das Land und die Hochschulen schädigenden Finanzpolitik sofort aufzugeben, die Hochschulen zu entwickeln, anstatt sie zu demontieren und ihnen endlich auch im politischen Handeln die Bedeutung zuzumessen, die ihnen in Feierstunden von der Lan-desregierung immer wieder zugesprochen wird. Wir fordern die politisch Verantwortlichen auf: Betreiben Sie weiterblickende Finanzpolitik im Interesse der Entwicklung des Landes und nehmen Sie daher Verteilungen zugunsten und nicht zu Lasten der Hochschulen vor. Lösen Sie genau das Versprechen ein, das die Finanzministerin bei der Immatrikulationsfeier der Ernst-Moritz-Arndt Universität in Greifswald gegeben hat, nämlich "dass wir unsere beiden traditionsreichen Univer-sitäten und die fünf Fachhochschulen zu modernsten Studienanstalten ausbauen, die allen Anforderungen gerecht werden".

    Prof. Dr. Hans Jürgen Wendel
    Vorsitzender der Landeskonferenz der Hochschulrektoren von Mecklenburg-Vorpommern


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    fachunabhängig
    überregional
    Wissenschaftspolitik
    Deutsch


     

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