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30.03.2020 17:29

Pionierarbeit für die Ausstellung der Zukunft

Thomas Joppig Kommunikation
Deutsches Schifffahrtsmuseum - Leibniz-Institut für Maritime Geschichte

    Viele Schiffsmodelle aus dem Bestand des Deutschen Schifffahrtsmuseums / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte (DSM) könnten bald im Internet zu sehen sein – zu jeder Zeit, kostenlos und in aller Welt. Dabei muss viel Pionierarbeit geleistet werden, denn das Feld ist bisher wenig erschlossen. Dennis Niewerth beschäftigt sich seit zehn Jahren mit der Digitalisierung von Museen und hat auch seine Doktorarbeit dazu veröffentlicht. Er sieht in dem Vorgang keine Gefahr, sondern eine Chance für Museen.

    Von jeder Seite lässt sich das Halbmodell des Dienstfahrzeugs MÖVE ansehen. Es kann gedreht und gewendet, aus der Nähe und der Distanz untersucht werden. Ganz so, als halte der Betrachter es in der Hand. Nur ist es ein digitales Abbild des Modells auf einem Bildschirm. Dennis Niewerth hat es mit Hilfe von Studenten der Hochschule Bremerhaven erstellt. Rund 90 Fotos aus allen möglichen Blickwinkeln mussten von dem Halbmodell gemacht werden. „Die Fotoserien speisen wir in eine Software ein. Ein Großteil der Arbeit wird am Computer gemacht“, sagt Niewerth. Vier bis acht Stunden dauert es, ein Modell zu digitalisieren. Die Technik nennt sich Photogrammetrie.

    Mehr als 60 der Halbmodelle aus dem Bestand des DSM sind auf diese Weise bereits digitalisiert worden. Halbmodelle zeigen die Hälfte des Rumpfs eines Schiffes. Sie dienten auf Werften als Hilfsmittel zum Bau von Booten und Schiffen. Benötigt werden für die Photogrammetrie eine hochwertige Spiegelreflexkamera, ein Raum mit sehr gleichmäßigen Lichtbedingungen und das Programm Agisoft Metashape. Das Programm berechnet aus den Fotos die physikalische Form und das Aussehen der Oberfläche jedes Objekts. „Problematisch sind die Rückseiten der Halbmodelle. Das Programm findet hier nicht ausreichend prägnante Merkmale, um die mit der Vorderseite zusammenzubringen“, sagt Dennis Niewerth. „Hier arbeitet unsere studentische Hilfskraft Tobias Fiedler deshalb händisch an jedem einzelnen Modell nach.“

    Die Photogrammetrie ist nicht die einzige Möglichkeit, mit der diese Modelle digitalisiert werden können. Dennis Niewerth und seine studentischen Hilfskräfte konnten zum Beispiel einen Computertomografen der Universität Bremen dafür ausprobieren. Außerdem stand ihnen kurzzeitig ein sogenannter Streiflichtscanner zur Verfügung. Damit tastete Dennis Niewerth ein Modell des Walfängers RAU IX von allen Seiten ab. Mehr als zehn Millionen Dreiecke berechnete das Programm für das digitale Modell des Schiffs. „Der zur Verfügung gestellte Laptop für den Streiflichtscanner hatte nur 32 Gigabyte Arbeitsspeicher. Die reichte nicht für eine völlig lückenlose Erfassung“, sagt Dennis Niewerth. „Schiffsmodelle sind ein Anwendungsfall, den die Hersteller solcher Geräte typischerweise nicht auf dem Schirm haben. Die industriellen Abnehmer wollen meist sehr viel einfachere Werkstücke erfassen. Mit ihren vielen kleinen Details sind unsere Modelle ein regelrechter Stresstest für die Technik.“

    Das Projekt zur Digitalisierung ist in gewisser Weise Pionierarbeit. „Wir sind nicht die ersten, die Schiffsmodelle digitalisieren“, sagt der Wissenschaftler – aber die ersten, die es systematisch als umfangreiches Projekt angehen. Die 3D-Modelle sollen später für die Website des Museums und für die Ausstellung genutzt werden. Im Internet sollen die Modelle in allen gängigen Browsern ohne zusätzliche Programme betrachtet werden können – von PC, Tablet oder Smartphone. Die Software hierfür entsteht in enger Zusammenarbeit mit den Informatikern der Hochschule Bremerhaven.

    Dennis Niewerth versteht die Digitalisierung von Ausstellungsobjekten als eine Chance für die Museen. Andere Fachleute sehen die Gefahr, dass Gäste durch ein umfangreiches Online-Angebot nicht mehr ins Museum gehen würden. „Die Gefahr ist weitgehend herbeigeschrieben. Die Besucherforschung deutet darauf hin, dass ein gutes digitales Angebot die Leute eher ins Museum zu bringen scheint“, sagt er. Die klassischen Exponate in Ausstellungen ließen sich darüber hinaus mit digitalen Exponaten verknüpfen, was ganz neue Möglichkeiten schaffe. Eingeflossen ist dies etwa auch in die aktuellen Sonderausstellung „360° POLARSTERN – eine virtuelle Forschungsexpedition“ im DSM, die sowohl auf klassische Exponate als auch auf Virtual- und Augmented-Reality baut.

    Der promovierte Medienwissenschaftler hat an der Ruhr-Universität in Bochum studiert und befasst sich bereits seit 2009 mit der Virtualisierung von Museen. „Das Thema ist nicht nur spannend und in meiner Interessenlage, es hat auch praktische Anknüpfungspunkte“, sagt er. 2016 schrieb Dennis Niewerth seine Doktorarbeit, die inzwischen unter dem Titel „Dinge, Nutzer, Netze – von der Virtualisierung des Musealen zur Musealisierung des Virtuellen“ in Buchform und im digitalen Open Access erschienen ist.

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    Liebe Redaktionen,

    das DSM kann während der Corona-Krise bis auf Weiteres nicht besichtigt werden. Unsere Forschungsarbeit läuft jedoch weiter. Darüber möchten wir Sie auch künftig in Pressemitteilungen wie dieser informieren. Gern vermitteln wir Ihnen entsprechende Ansprechpartner. Bitte haben Sie jedoch Verständnis dafür, dass auch wir aufgrund der aktuellen Empfehlungen persönliche Außenkontakte momentan soweit wie möglich einschränken. Unsere Wissenschaftler*innen stehen für Ihre Rückfragen daher momentan vorzugsweise telefonisch oder per E-Mail zur Verfügung.

    Ihr DSM-Kommunikationsteam

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    Pressekontakt:

    Deutsches Schifffahrtsmuseum
    Leibniz-Institut für Maritime Geschichte
    Thomas Joppig
    Leitung Kommunikation
    T +49 471 482 07 832
    joppig@dsm.museum

    Das Deutsche Schifffahrtsmuseum / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte

    Die wechselvolle Beziehung zwischen Mensch und Meer zu erforschen und in Ausstellungen erlebbar zu machen – das hat sich das Deutsche Schifffahrtsmuseum / Leibniz-Institut für Maritime Geschichte (DSM) in Bremerhaven zur Aufgabe gemacht. Es ist eines von acht Leibniz-Forschungsmuseen in Deutschland. Mit seinen mehr als 80 Mitarbeitenden und Auszubildenden und rund 8000 Quadratmetern überdachter Ausstellungsfläche zählt es zu den größten maritimen Museen Europas. Zurzeit befindet sich das DSM im Wandel und verbindet eine Gebäudesanierung sowie den Bau eines Forschungsdepots mit einer umfassenden Neukonzeption aller Ausstellungs- und Forschungsbereiche.

    Forschungsprojekte am DSM werden durch namhafte nationale und internationale Förderprogramme unterstützt. Als attraktiver Arbeitsort für junge und berufserfahrene Talente in der maritimen Forschung unterhält das DSM vielfältige Kooperationen mit Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Unterstützung erfährt das Museum nicht zuletzt von den fast 3000 Mitgliedern des "Fördervereins Deutsches Schifffahrtsmuseum e.V." Dieser sowie das "Kuratorium zur Förderung des Deutschen Schifffahrtsmuseums e.V." hatten einst die Eröffnung des Hauses im Jahr 1975 vorangetrieben und begleiten es nun auf seinem Zukunftskurs.
    Weitere Informationen unter http://www.dsm.museum


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Dr. Dennis Niewerth: niewerth@dsm.museum


    Originalpublikation:

    https://www.transcript-verlag.de/media/pdf/77/a8/c9/oa9783839442326hCY39F7m1RZIx...


    Bilder

    Dennis Niewerth versteht die Digitalisierung von Ausstellungsobjekten als eine Chance für die Museen.
    Dennis Niewerth versteht die Digitalisierung von Ausstellungsobjekten als eine Chance für die Museen ...
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    Viele Schiffsmodelle aus dem Bestand des DSM könnten bald im Internet zu sehen sein.
    Viele Schiffsmodelle aus dem Bestand des DSM könnten bald im Internet zu sehen sein.
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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
    Geschichte / Archäologie, Informationstechnik, Kulturwissenschaften, Meer / Klima
    überregional
    Forschungs- / Wissenstransfer, Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

    Dennis Niewerth versteht die Digitalisierung von Ausstellungsobjekten als eine Chance für die Museen.


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