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03.04.2020 13:31

Einschnitte, Aufbrüche, Perspektivwechsel - Forscher aus vier Instituten beleuchten die Zeit der Veränderung nach 1989

Theresa Jacobs Wissenschaftliches Sekretariat
Sorbisches Institut / Serbski Institut

    Neuer Projektverbund erforscht die multiplen Transformationen seit 1989 in der Lausitz, Sachsen, Ostdeutschland und Ostmitteleuropa

    Die „Friedlichen Revolutionen“ in der DDR und den Staaten Ostmitteleuropas sowie die Wiedervereinigung Deutschlands vor rund 30 Jahren bedeuteten eine historische Zäsur, deren Folgen bis heute nachwirken. Neben den systemischen Veränderungen in Politik, Kultur, Wirtschaft und Recht stellten die Auflösung und das Ende der staatssozialistischen Alltagswelt eine einschneidende biografische Erfahrung für viele Menschen dar. In den neuen Bundesländern wie in Ostmitteleuropa ging damit die Notwendigkeit einer Umstellung auf neue gesellschaftliche Anforderungen, Freiheiten und Zwänge einher, die in ganz unterschiedlicher Weise – als Chance, als Niederlage oder als Notwendigkeit – bewältigt wurde. Die frühe Nachwendezeit war einerseits geprägt von Aufbruchseuphorie, Freiheitsrhetorik und der Freude über neu gewonnene persönliche wie auch politische Entfaltungsmöglichkeiten. Andererseits bestimmten Erschütterung über die „Abwicklung“ der volkseigenen Betriebe sowie die rasche Etablierung kapitalistischer Strukturen und die massenhaften „Privatisierungen“ nahezu alle Bereiche des täglichen Lebens. Der Wandel bot genauso Konsumverheißungen und neue kulturelle Handlungsspielräume, wie ihm auch Anpassungsschwierigkeiten und Unsicherheiten folgten, die die Lebensentwürfe und Erwerbsbiographien weiter Teile der Bevölkerung betrafen. Die langfristigen Folgen von Entfremdung, Entsolidarisierung und sozialer Spaltung beschäftigen uns noch heute.
    Vor diesem Hintergrund haben sich vier in Sachsen ansässige außeruniversitäre Forschungsinstitute im Projektverbund „Multiple Transformationen. Gesellschaftliche Erfahrung und kultureller Wandel in Ostdeutschland und Ostmitteleuropa vor und nach 1989“ zusammengeschlossen. Seit Anfang Februar 2020 erforschen vier WissenschaftlerInnen den Umbruch von 1989 sowie die Folgeerscheinungen des Transformationsprozesses in transdisziplinärer Perspektive in Deutschland und seinen ostmitteleuropäischen Nachbarländern. Im Fokus stehen zentrale Handlungs- und Bewältigungsstrategien (Aufmerksamkeitswandel, neue Vergemeinschaftungsformen, Freiwilligkeit und kulturelle Inwertsetzung), an denen sich die vielgestaltigen Verschränkungen von lebensweltlich-sozialem, künstlerisch-kulturellem und ökonomischem Wandel in den vier Untersuchungsregionen (Lausitz, Sachsen, Ostdeutschland und Ostmitteleuropa) zäsurübergreifend aufzeigen lassen. Die einzelnen Projekte werden auf einer heterogenen, breiten Methoden- und Quellenbasis realisiert: durch Experten- und lebensgeschichtliche Interviews, teilnehmende Beobachtungen, Auswertung schriftlicher, und (audio-)visueller Quellen aus Archiven, privaten Sammlungen und Museen, durch Analyse von Massen- und Sozialen Medien, von populärer oder von Bildender Kunst.

    Dr. Theresa Jacobs vom Serbski institut/Sorbischen Institut (SI) in Bautzen widmet sich der sorbischen Kultur- und Kreativwirtschaft in der Transformation. Sie untersucht die Bedeutung kulturellen Erbes zwischen ethnischer Selbstvergewisserung und ökonomischer Inwertsetzung bei der sorbischen Minderheit. Oliver Wurzbacher vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde (ISGV) in Dresden, das gleichzeitig die Koordination des Projektverbundes innehat, wendet sich Vereinigungen zu, die sich im Anschluss an das Ende der ehemaligen DDR-Betriebskollektive gegründet haben. Unter dem Begriff des „sozialen Erbes“ wird er erforschen, wie Aspekte der damaligen Arbeit traditionalisiert wurden und neue Formen der Vergemeinschaftung entstanden. Freiwilligkeit und Fürsorge in der Transformation ist das Thema von Dr. Maren Hachmeister vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung (HAIT) in Dresden. Lokales Engagement wird vergleichend im Dreiländereck untersucht. Dr. Beáta Hock vom Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) in Leipzig untersucht den Aufmerksamkeitswandel für die „Kunst im Osten“. Hierbei stehen Transformationen der Kunstförderung und der kulturellen Infrastruktur seit den späten 1980er-Jahren im Fokus.

    Der Projektverbund wird vom Sächsischen Ministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus gefördert.

    Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow betont: „Die Auseinandersetzung mit der jüngeren Geschichte sowie den Lebensbrüchen und grundlegenden gesellschaftlichen Veränderungen nicht nur hierzulande trägt dazu bei, Zusammenhänge und auch individuelle Lebenswege besser zu verstehen. Die Forschungen fördern sicherlich neue spannende Erkenntnisse zu Tage. Ich wünsche den Projektbeteiligten viel Erfolg!“

    Die Ergebnisse werden projektbezogen in unterschiedlichen Formaten wie Vorträgen, Aufsätzen, Monografien und (Foto-)Ausstellungen publiziert. Weiterhin sind für die kommenden drei Jahre regelmäßige Workshops zum interdisziplinären Austausch sowie für das letzte Jahr (2022) eine internationale Abschlusskonferenz zur Präsentation der Ergebnisse geplant.


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    PD Dr. Ira Spieker, Leiterin des Bereiches Volkskunde/Kulturanthropologie am Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde in Dresden: ira.spieker@mailbox.tu-dresden.de


    Weitere Informationen:

    http://Diese Medieninformation wurde durch das SMWK am 3.04.2020 veröffentlicht. Sie ist online aufrufbar unter: https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/235381.


    Bilder

    Anhang
    attachment icon PM als pdf mit Logos der Einrichtungen

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten, Wissenschaftler
    Kulturwissenschaften, Kunst / Design, Musik / Theater
    überregional
    Forschungsprojekte, Kooperationen
    Deutsch


     

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