Wie eine neue Studie zeigt, begannen die Menschen vor mehr als 10’000 Jahren im Südwesten des Amazonas mit dem Anbau von Maniok und Kürbissen, 8'000 Jahre früher als bisher angenommen. Das Gebiet ist somit eines der frühen holozänen Zentren der Pflanzendomestikation auf der Welt. Die Menschen veränderten dabei auch die Landschaft, indem sie Tausende von Erdhügeln anlegten, die sogenannten Waldinseln.
Forschende aus den Bereichen Archäologie, Geographie und Biologie argumentieren seit vielen Jahren, dass der Südwesten des Amazonas ein wahrscheinliches Zentrum der frühen Pflanzendomestikation war, weil viele wichtige Sorten wie Maniok, Kürbis, Erdnüsse und einige Sorten von Chili-Pfeffer und Bohnen genetisch den hier lebenden Wildpflanzen sehr nahe stehen. «Dies spricht dafür, dass die frühen Bewohnerinnen und Bewohner des südwestlichen Amazonas wilde Pflanzen kultivierten, um aus ihnen Nahrung zu gewinnen», wie Umberto Lombardo vom Geographischen Institut der Universität Bern erklärt. Er ist der Hauptautor der kürzlich im Journal Nature erschienen Studie, an der neben der Universität Bern auch die University of Exeter, die University Pompeu Fabra und die Pennsylvania State University beteiligt sind. «Bis zu unserer Studie hatten Forschende weder nach archäologischen Stätten in der Region, die die präkolumbische Domestikation dieser weltweit wichtigen Nutzpflanzen dokumentieren könnten, gesucht noch solche Stätten ausgegraben», erklärt Lombardo.
Pflanzenzucht auf künstlich angelegten Waldinseln
Bereits vor einigen Jahren konnte ein Forschungsteam unter der Leitung der Universität Bern nachweisen, dass die sogenannten Waldinseln, die die Landschaft der Moxos-Ebene im bolivianischen Amazonasgebiet durchziehen, von Menschenhand geschaffen wurden. Es zeigte sich, dass diese Stätten mehr als 10’000 Jahre alt sind. Die Moxos-Ebene wird jedes Jahr von Dezember bis März überflutet und ist von Juli bis Oktober extrem trocken. Bäume können diese Extreme nicht ertragen, und deshalb ist der größte Teil der Region von Savanne bedeckt. Aber die Tausenden von Hügeln, die die Vorkolumbianer (Bevölkerung vor der Entdeckung durch Christoph Kolumbus 1492) vor mehr als 10’000 Jahren angelegt haben, bleiben während der Regenzeit über dem Wasserspiegel, so dass auf ihnen Bäume wachsen können. Deshalb werden diese von der Savanne umgebenen Waldstücke Waldinseln genannt.
Pflanzliche Mikrofossilien als Zeugen des frühen Pflanzenanbaus
Wie Lombardo sagt, wurden für die aktuellen Studie archäologische und archäobotanische Daten von mehr als 30 dieser frühholozänen Waldinseln in der Moxos-Ebene ausgewertet. Die Forschenden untersuchten eine Art pflanzlicher Mikrofossilien, die Phytolithe genannt werden. Es handelt sich dabei um Kieselsäureteilchen, die auf verschiedenen taxonomischen Ebenen Hinweise auf bestimmte Pflanzen enthalten können: «Manchmal sagen diese Pflanzenüberreste nur etwas darüber aus, aus welcher Familie eine bestimmte Pflanze stammt, in einigen Fällen jedoch – insbesondere bei domestizierten Pflanzen – kann auf eine ganz bestimmte Art geschlossen werden», so Lombardo.
Ein wichtiges Merkmal der Pflanzenfossilien ist, dass sie im Boden über Zehntausende von Jahren erhalten bleiben können. Für die Studie wurden die Phytolithe aus Proben von den Waldinseln extrahiert und unter dem Mikroskop analysiert. Lombardo sagt: «Wir konnten zeigen, dass das früheste Alter für Maniok im Amazonas 10’350 Jahre ist, für Kürbis 10’250 Jahre und für Mais 6’850 Jahre.» Diese Daten lassen demnach vermuten, dass die ersten Bewohnerinnen und Bewohner der Moxos-Ebene bereits seit dem sehr frühen Holozän Pflanzen kultivierten und der südwestliche Amazonas eines der wenigen frühen holozänen Zentren weltweit für die Domestikation von Pflanzen war. Lombardo weiter: «Unsere Studie zeigt, dass kleine Gemeinschaften, die eine gemischte Wirtschaft betrieben, etwa 8’000 Jahre früher als bisher angenommen die Landschaft des Amazonasgebiets zu prägen begannen.»
Weitreichende Auswirkungen der Landwirtschaft auf die Umwelt
«Die sehr frühe Ausbreitung der Menschen in der Region hatte eine unvorhergesehene und weitreichende Auswirkung auf die Umwelt», so Lombardo. Die Siedlerinnen und Siedler legten schätzungsweise 4’700 künstliche Waldinseln an, die den ökologischen Charakter dieser saisonal überfluteten Savannen veränderten. «Unsere Studie hat das Potential, die Wahrnehmung und das Verständnis zu verändern, das die meisten Menschen – einschliesslich vieler im Amazonas tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler – über die Chronologie und Intensität des menschlichen Fussabdrucks im Amazonas haben,» zeigt sich Lombardo überzeugt.
Die Forschungsarbeit wurde finanziell unterstützt von den Horizon 2020 Marie Skłodowska-Curie Actions sowie dem Horizon 2020 Excellent Science Pillar der Europäischen Kommission, dem Schweizerischen Nationalfonds (SNF), dem Arts and Humanities Research Council (AHRC) der Research Councils UK, der TerraSAR-X/TanDEM-X Mission sowie der National Geographic Society.
Dr. Umberto Lombardo (Italienisch, Englisch)
Geographisches Institut der Universität Bern (GIUB)
E-mail: umberto.lombardo@giub.unibe.ch
Tel: +41 31 631 80 19
Prof. Heinz Veit (Deutsch)
Geographisches Institut der Universität Bern (GIUB)
E-mail: heinz.veit@giub.unibe.ch
Tel: +41 31 631 85 61
U. Lombardo, J. Iriarte, L. Hilbert, J. Ruiz-Pérez, JM Capriles and H. Veit. Early Holocene crop cultivation and landscape modification in SW Amazonia, Nature (08 April 2020) doi: 10.1038/s41586-020-2162-7
Die Siedlerinnen und Siedler legten schätzungsweise 4’700 künstliche Waldinseln an, was den ökologis ...
Umberto Lombardo
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Einblick in die archäologische Ausgrabungsstätten im Südwesten des Amazonas.
Javier Ruiz-Perez
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Geowissenschaften, Geschichte / Archäologie, Kulturwissenschaften
überregional
Forschungsergebnisse
Deutsch
Die Siedlerinnen und Siedler legten schätzungsweise 4’700 künstliche Waldinseln an, was den ökologis ...
Umberto Lombardo
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Einblick in die archäologische Ausgrabungsstätten im Südwesten des Amazonas.
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