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20.04.2020 09:30

Die deutsche Steuer- und Sozialpolitik lassen die Mittelschicht schrumpfen

Cathrin Justen Presse und Öffentlichkeitsarbeit
WHU - Otto Beisheim School of Management

    Dass immer weniger junge Menschen der deutschen Mittelschicht (Nettojahreseinkommen zwischen 17.000€ und 45.000€) angehören, ist schon lange kein Geheimnis mehr. Eine aktuelle Studie der WHU – Otto Beisheim School of Management legt nahe, dass der Schwund der Mittelschicht mit der Steuer- und Sozialpolitik zusammenhängen könnte.

    Prof. Dr. Martin Jacob, Inhaber des adidas Lehrstuhls für Finanzen, Rechnungswesen und Steuerlehre, untersucht mit Robert Vossebürger, Doktorand der WHU, und der Bachelorstudentin Constance Kehne in einem laufenden Projekt die persönliche Einkommenssteuer und Sozialabgaben von 30 europäischen Ländern. Erste Ergebnisse zeigen, dass sich Deutschlands Abgabenquote im oberen Drittel befindet und vor allem die Mittelschicht stark belastet wird.

    Besonders wenig Netto vom Brutto bleibt den Deutschen bei einer Gehaltserhöhung für Jahresbruttoeinkommen zwischen 20.000€ und 50.000€. Hier bleiben nur 38 Cent pro Euro zum Leben übrig. Zum Vergleich: Bei einem Jahresbruttogehalt von lediglich 10.000€, bleiben 64 Cent nach Abgang von Steuern und Sozialabgaben, auch bei 100.000€ sind es mit 56 Cent deutlich mehr als im Verdienstbereich der Mittelschicht. Erst ab ca. 265.000€ wird der Reichensteuersatz von 45 Prozent fällig. Besonders niedrige aber auch besonders hohe Einkommen werden somit im Vergleich zu mittleren Einkommen weniger stark belastet.

    Der Hauptgrund dafür ist das schlecht abgestimmte Zusammenspiel von persönlicher Einkommensteuer und Sozialabgaben. Werden nur die Einkommenssteuersätze betrachtet, befindet sich Deutschland im Durchschnittsbereich der europäischen Vergleichsländer. Zwar ist das Niveau der Einkommensteuer in Deutschland relativ hoch, doch die Steuer orientiert sich an den Grundsätzen des Leistungsfähigkeitsprinzips. Durch den progressiven Aufbau zahlen diejenigen, die mehr verdienen und somit mehr leisten können, auch mehr von ihrem Einkommen in die Staatskasse ein.

    Betrachtet man lediglich die Sozialabgaben, ergibt sich ein anderes Bild. 2019 zahlte jeder Arbeitnehmer der alten Bundesländer bis zu einer Einkommensgrenze von 54.450€ insgesamt rund 19,63 Prozent seines Einkommens für Sozialleistungen. Ab einem Jahresbruttoeinkommen von 80.400€ werden jedoch keine weiteren Beiträge erhoben.

    Das Problem ist also die Struktur der Sozialversicherungen. Es kommt zur Doppelbelastung der Mittelschicht mit hohen Sozialabgaben und bereits stark ansteigender Einkommensteuer. Die Tatsache, dass ab einem Einkommen von 80.400€ keine weiteren Sozialabgaben anfallen, widerspricht Prof. Dr. Jacob zufolge dem Solidaritätsprinzip. Eine solche Entlastung ist in den meisten europäischen Staaten nicht vorhanden. Im Gegenteil: Dort tragen höhere Einkommen auch mehr zu den Sozialversicherungen bei.

    Die Recherchen legen nahe, dass der Schwund der Mittelschicht also kein unerklärliches Phänomen ist. Eine Reform der Einkommensteuer und Sozialabgaben könnte den Forschern zufolge deren Zusammenspiel verbessern.

    WHU – Otto Beisheim School of Management:

    Die WHU – Otto Beisheim School of Management ist eine international ausgerichtete, privat finanzierte Wirtschaftshochschule im Universitätsrang mit Sitz in Vallendar und Düsseldorf. An der WHU forschen und lehren mehr als 50 Fakultätsmitglieder in den Bereichen Management, Finanz- und Rechnungswesen, Volkswirtschaftslehre, Unternehmertum und Innovation, Marketing und Vertrieb sowie Supply Chain Management. Die hohe Forschungskompetenz der WHU ist das Ergebnis einer Besinnung auf drei wesentliche Forschungsgrundsätze: Qualität, Internationalität und Anwendungsbezug für Lehre und Praxis.
    Die Strategie der WHU fußt auf vier Kernwerten: Exzellenz, Unternehmertum, ein starker Zusammenhalt und eine kosmopolitische Kultur. Eine Atmosphäre, die durch Offenheit, Neugierde, Vielfalt und Chancengleichheit geprägt ist, ist für die WHU von größter Bedeutung.

    Weitere Informationen unter: http://www.whu.edu/


    Wissenschaftliche Ansprechpartner:

    Prof. Dr. Martin Jacob

    Bitte senden Sie Ihre Anfragen an presse@whu.edu.


    Weitere Informationen:

    http://www.whu.edu


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    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Journalisten
    Gesellschaft, Politik, Recht, Wirtschaft
    überregional
    Forschungsergebnisse
    Deutsch


     

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