Ein Regenbogen mit 75.000 Farben
Chemnitzer Wissenschaftler entwickelt neuartiges Programm zum Messen von Farben
Rumms - schon wieder hat es an der Kreuzung gekracht. Zum Glück ist nicht viel passiert, nur der Kotflügel ist eingedrückt. Also ab in die Werkstatt, ein neuer Kotflügel samt neuer Lackierung ist fällig - schließlich soll das Auto wieder tipptopp aussehen. Keiner soll den Unfall merken, denn das mindert den Wiederverkaufswert. Und das heißt: Die Farbe des neuen Kotflügels muß genau so aussehen wie am Rest des Autos. Das Beispiel zeigt: Die genaue Messung von exakten Farbtönen ist wichtig - Abweichungen nehmen die Verbraucher heutzutage nicht mehr hin. Das ist bei Autos nicht anders als bei teuren und nicht ganz so teuren Textilien - eine Jeans ist nur dann eine "richtige" Jeans, wenn sie auch die "richtige" blaue Farbe hat. Doch nicht nur beim Färben von Textilien oder beim Lackieren von Autos spielt die Farbe eine Rolle, auch in der Druck- oder in der Lebensmittelindustrie, im Handwerk oder in der Chemie, müssen die Farben "stimmen", müssen Farben gemessen und miteinander verglichen werden. Mal soll so die Qualität gesichert, mal ein Herstellungsprozeß laufend kontrolliert werden.
Jetzt hat der Diplom-Ingenieur Ronald Neubert vom Lehrstuhl für Opto- und Festkörperelektronik der Chemnitzer Uni ein neuartiges Computerprogramm entwickelt, mit dem sich Farben besser messen und auswerten lassen als bisher. Das Programm arbeitet mit einem besonders kleinen und preiswerten Farbmeßgerät zusammen, das ebenfalls aus Chemnitz stammt. Das Gespann ist wegen seiner Größe und seinem Preis herkömmlichen Meßgeräten überlegen und zudem besonders benutzerfreundlich. Die neuartige Kombination wird erstmals auf der Innovation '98 vom 3. bis 6. November in Leipzig, Neues Messegelände, auf dem Gemeinschaftsstand der sächsischen Hochschulen "Forschungsland Sachsen", Halle 4, Stand B 02, vorgestellt.
Das Gerät arbeitet nach einem verbesserten Mehrbereichs-Meßverfahren. Praktisch alle uns umgebenden Farben setzen sich aus den drei Grundfarben Rot, Grün und Blau zusammen. Allein aus diesen Farben könnte man mit einem Malkasten alle anderen Farben zusammensetzen. Kennt man die jeweiligen Anteile der Grundfarben, kann man mithin jede beliebige Farbe charakterisieren. Um diese Anteile zu messen, wird die Probe - zum Beispiel ein Autolack, Papier während des Druckvorganges oder die Flüssigkeit in einem chemischen Reaktionsgefäß - über Lichtleitfasern mit einer Halogenlampe bestrahlt. Das zurückgestrahlte Licht wird zu einem Meß- und einem Vergleichskanal geleitet. Beide Kanäle sind jeweils mit einer roten, einer grünen und einer blauen Photodiode ausgestattet.
Jede dieser Photodioden erzeugt eine winzige Menge Strom, und zwar um so mehr, je höher der Anteil der entsprechenden Grundfarbe an der untersuchten Mischfarbe ist. Diese Ströme werden verstärkt, zu einem Computer geleitet und dort ausgewertet. Der Computer berechnet einen Zahlenwert, der die Mischfarbe genau beschreibt und prüft, ob sie von der gewünschten Farbe abweicht. Dies erkennt er, indem er den Zahlenwert mit dem einer zuvor eingelesenen Probe der gewünschten Farbe vergleicht. Selbstverständlich arbeitet das Gerät durchgängig, und kann so fortlaufend den richtigen Farbton messen und kontrollieren.
Mehr noch: Das Farbmeßgerät kann sogar bis zu vier Vergleichsfarben speichern. Das können vier verschiedene Farben sein, um nacheinander unterschiedliche Produktionsprozesse zu überwachen, aber auch vier ähnliche, die dann als Ober- und Untergrenzen für gerade noch erlaubte Farbabweichungen dienen. Die Abweichungen lassen sich aber auch gleich in Prozent eingeben - wird die Grenze überschritten, gibt das Gerät über einen Schaltausgang Alarm. Auch Farbumschläge, die bei chemischen Prozessen nicht selten das Ende einer Reaktion anzeigen, kann das Farbmeßgerät erkennen und dann zum Beispiel den Befehl geben "Ventil zu".
Noch präziser wird das Gerät durch den zusätzlichen Vergleichskanal. Die Halogenlampe, die zur Beleuchtung dient, altert nämlich und ändert dabei geringfügig ihre Farbe. Das würde die Messungen verfälschen. Auch Verschmutzungen und eine Änderung der Temperatur beeinflussen die Genauigkeit. Durch einen ständigen Vergleich mit dem Meßkanal werden diese Einflüsse selbsttätig korrigiert - eine hohe Stabilität der Meßwerte ist die Folge.
Kein Wunder, daß Gerät und Programm rund 75.000 verschiedene Farben erkennen und verarbeiten können. Mittlerweile wurden sie in der Druck- und der Textilindustrie ausgiebig getestet und haben dabei gezeigt, daß sie alle Erwartungen voll erfüllen. Die Firma Colour Control Farbmeßtechnik, eine der zahlreichen kleinen High-Tech-Firmen, die in den letzten Jahren in Chemnitz gegründet wurden, denkt bereits an eine Markteinführung.
Weitere Informationen: Technische Universität Chemnitz, Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik, Reichenhainer Str. 70, 09107 Chemnitz, Dipl.-Ingenieur Roland Neubert, Tel. 0371/531-3093, Fax 0371/531-3004, e-mail: ronald.neubert@infotech.tu-chemnitz.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Biologie, Chemie, Elektrotechnik, Energie, Maschinenbau, Werkstoffwissenschaften, Wirtschaft
überregional
Buntes aus der Wissenschaft, Forschungsprojekte
Deutsch
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