Schaumbasierte Verfahren haben sich in vielen Bereichen der Industrie durchgesetzt. Sie helfen bei der Aufbereitung von Kupfer und Seltenen Erden, der Lebensmittelproduktion, dem Recycling von Plastikabfall oder der Abwasserbehandlung. Als Leiter einer neuen Emmy Noether-Gruppe am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) will Dr. Sascha Heitkam Messtechniken speziell für fließende Schäume entwickeln. Die neuen Techniken sollen Einblicke in die Strömungsdynamik von Schäumen geben und auch dabei helfen, industrielle Prozesse zu optimieren. Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft erhält er dafür ab Mai 2020 für die nächsten sechs Jahre eine Förderung in Höhe von rund 1,3 Millionen Euro.
„Die Strömungsdynamik von Schäumen ist bisher kaum untersucht, weil es noch keine geeigneten Messmethoden gibt“, erläutert Heitkam. Mit der neuen Forschungsgruppe an der Schnittstelle zwischen TU Dresden und HZDR will er passende Messtechniken entwickeln und erproben. „An der TU Dresden gibt es sehr gut ausgebildete Studenten und wichtige Kooperationspartner in den relevanten Disziplinen der Strömungsdynamik, Messtechnik und Verfahrenstechnik. Das HZDR verfügt wiederum über weltweit einzigartige messtechnische Möglichkeiten und Erfahrung. Ich freue mich sehr über die Chance, in diesem Umfeld eine neue Gruppe aufzubauen“, erklärt Heitkam.
Die Faszination an Schäumen begleitet Heitkam bereits seit Schulzeiten – und seinem ersten Schaumexperiment bei „Jugend forscht“. „Schäume weisen faszinierende und bisher unerklärte Phänomene auf. Ihre Fließeigenschaften unterscheiden sich stark von Wasser oder Luft – sie ähneln eher Ketchup oder Zahnpasta“, beschreibt Heitkam. Seit seiner Promotion forscht der Wissenschaftler und Ingenieur auf diesem Spezialgebiet an der TU Dresden, zuletzt an der Professur für Transportprozesse an Grenzflächen unter Prof. Kerstin Eckert und zugleich auch als Gastwissenschaftler am Institut für Fluiddynamik des HZDR.
Erste dreidimensionale Messungen von Schäumen – der Turbulenz auf der Spur
Eine Frage, die ihn umtreibt, ist etwa, ob Schaumströmungen turbulent werden können. Um dies herauszufinden, sind dreidimensionale Messungen notwendig. Da Schäume undurchsichtig sind, können herkömmliche, optische Messmethoden jedoch nur deren Oberfläche erfassen. Ein Forschungsziel der Emmy Noether-Gruppe wird es unter anderem sein, röntgenbasierte Techniken weiter zu verfeinern und die elektrische Leitfähigkeit von Wasser zu nutzen, um den Flüssigkeitsgehalt von Schaum mittels Elektroden zu analysieren.
Sobald die neuen Techniken erprobt sind, stehen größere Experimente auf dem Plan der Forschungsgruppe, gibt Heitkam einen Ausblick: „In vertikalen Steigröhren können wir Schaumströmungen ähnlich wie die Luftströmungen in einem Windkanal unter kontrollierten Bedingungen studieren. Ein Vorgängerexperiment gibt es bereits. Für die erstmalige dreidimensionale Vermessung der Strömungsparameter müssen wir es jedoch in größerem Maßstab aufsetzen, sonst würden die Wände der Röhre den Fluss zu stark verfälschen.“ Weitere Experimente sollen die Dynamik von Verwirbelungen des Schaumes durch einen bewegten Zylinder oder hinter einer Düse analysieren.
Schaumverfahren in der Anwendung
Die Industrie nutzt Schäume für verschiedene Produktionsverfahren. So findet vor allem die Schaumflotation einen verbreiteten Einsatz, um feinkörnige Feststoffe voneinander zu trennen. Mehrere Milliarden Tonnen Gestein werden auf diese Weise jedes Jahr prozessiert. Hierbei transportieren Luftblasen nur ausgewählte, chemisch markierte Anteile an die Oberfläche eines Teilchen-Wasser-Gemischs. Das Problem: Je feiner das Material, desto eher gelangen auch unerwünschte Partikel über den Flüssigkeitsanteil des Schaums mit in das Extrakt. Optimierte Besprenkelungsanlagen, wie Heitkam sie in seinen Experimenten entwickelt, können diese Verunreinigungen noch während des Prozesses ausspülen und so die Reinheit der Auslese erhöhen.
Weltweit wurden 2018 etwa 21 Millionen Tonnen Kupfer mit einem Wert von 88 Milliarden Euro mittels Schaumflotation aufbereitet. Schon Detailverbesserungen hätten daher einen großen wirtschaftlichen Effekt. Das Forschungsvorhaben der Emmy Noether-Gruppe ist somit auch eine enorme Bereicherung für das EU-Projekt „FineFuture“, das gemeinsam vom Institut für Fluiddynamik und dem Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie – beides Institute des HZDR – koordiniert wird und neue Technologien für verbesserte Flotationsverfahren zum Ziel hat.
Weitere Informationen:
Dr. Sascha Heitkam
Institut für Fluiddynamik am HZDR
Mail: s.heitkam@hzdr.de
Medienkontakt:
Simon Schmitt | Wissenschaftsredakteur
Tel.: +49 351 260-3400 | Mobil: +49 175 874 2865 | E-Mail: s.schmitt@hzdr.de
Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR)
Bautzner Landstr. 400, 01328 Dresden | www.hzdr.de
Das Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) forscht auf den Gebieten Energie, Gesundheit und Materie. Folgende Fragestellungen stehen hierbei im Fokus:
• Wie nutzt man Energie und Ressourcen effizient, sicher und nachhaltig?
• Wie können Krebserkrankungen besser visualisiert, charakterisiert und wirksam behandelt werden?
• Wie verhalten sich Materie und Materialien unter dem Einfluss hoher Felder und in kleinsten Dimensionen?
Das HZDR entwickelt und betreibt große Infrastrukturen, die auch von externen Messgästen genutzt werden: Ionenstrahlzentrum, Hochfeld-Magnetlabor Dresden und ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlenquellen.
Es ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, hat fünf Standorte (Dresden, Freiberg, Grenoble, Leipzig, Schenefeld bei Hamburg) und beschäftigt knapp 1.200 Mitarbeiter – davon etwa 500 Wissenschaftler inklusive 170 Doktoranden.
Dr. Sascha Heitkam
Institut für Fluiddynamik am HZDR
Mail: s.heitkam@hzdr.de
Dr. Sascha Heitkam entwickelt spezielle Messtechniken für fließende Schäume, um deren Strömungsdynam ...
HZDR / A. Wirsig
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