Die Produktivität sowie die Vor- und Nachteile von Home-Office gegenüber der Arbeit im Büro wurden bereits vor der Corona-Krise von Unternehmen und Politik diskutiert. Studien und die Praxis zeigen, dass Arbeitnehmer durchaus selbst in der Lage sind, einzuschätzen, ob sie durch die Möglichkeit des Home-Office produktiver werden. Juniorprofessorin Dr. Elena Shvartsman von der WHU – Otto Beisheim School of Management fasst diese Erkenntnisse zusammen und stellt Überlegungen zu den Auswirkungen des Home-Office und zur Gestaltung des Arbeitens nach Corona an. Laut Shvartsman sollten Unternehmen bei ihren Entscheidungen auch den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Mitarbeiter Gehör schenken.
Das Recht auf Home-Office hat schon vor längerer Zeit den Weg in die öffentliche Debatte gefunden, doch die Corona-Krise hat diese Arbeitsform ins Rampenlicht und in den Alltag vieler deutscher Arbeitnehmer und Firmen gebracht. Dabei prägten die Nachteile dieses Arbeitsformats bis zuletzt die Vorstellung vieler Chefs: Wie koordiniere ich ein Team, wenn die Leute gar nicht da sind? Dient Home-Office nicht als Ausrede, um einen lockeren Tag zu Hause zu verbringen? Daher ist es nicht verwunderlich, dass laut zweier führender deutscher Wirtschaftsforschungsinstitute viel Home-Office Potenzial ungenutzt bleibt. Es gibt aber auch Argumente, die für das Home-Office sprechen. So schätzen viele Arbeitnehmer den ruhigeren Arbeitsplatz zu Hause ohne die Ablenkungen des Büros oder die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie aufgrund größerer zeitlicher Flexibilität und den Wegfall des Pendelns. Darüber hinaus gibt es auch direkte Vorteile aus der Sicht des Arbeitgebers, wie zum Beispiel Einsparung bei Büromieten aufgrund des geringeren Bedarfs an physischen Räumlichkeiten.
Die Corona-Krise hat nun viele Unternehmen dazu gezwungen, Home-Office im Schnelldurchlauf einzuführen. Wie zu erwarten, hat dies zu gewissen Abstimmungsproblemen geführt, da nicht immer genügend Zeit zur Verfügung stand, um das eigene Heim für das perfekte Home-Office aufzurüsten – sei es technisch oder räumlich. Die derzeitige Ausnahmesituation lässt sich auch nur schwer als Maßstab für die Beurteilung der Auswirkungen von Home-Office auf Produktivität oder die Mitarbeitermotivation heranziehen. Dennoch dürften viele Unternehmen bereits erkannt haben, dass die meisten Koordinationsprobleme mithilfe digitaler Tools überwunden werden können. Schon vor einiger Zeit konnten Wissenschaftler mittels einer repräsentativen Stichprobe der deutschen Bevölkerung sogar zeigen, dass Mitarbeiter durch die räumliche Trennung und die damit einhergehende erhöhte Eigenverantwortung eine größere Motivation und Eigeninitiative an den Tag legen.
Aus Sicht der Arbeitnehmer gestaltet sich die Lage komplexer. Die Evaluation dieser neuen Arbeitserfahrung wird wohl vor allem entlang der Kinderbetreuungslinie verlaufen. Zurzeit finden sich in den sozialen Medien viele Referenzen zu den großen Fortschritten, die die Menschheit in Zeiten der Isolation gemacht hat. Zum Beispiel soll Newton während der pestbedingten Schließung von Cambridge im Jahre 1665 unter anderem die Gravität entdeckt haben. Dieser Erwartungshaltung der Selbstoptimierung durch die Entschleunigung und Ruhe halten andere entgegen, dass solche Arbeitsbedingungen nur jenen nützen, die keine Kinder betreuen müssten. Ein weiterer und durchaus relevanter Punkt, der insbesondere für diejenigen gilt, die allein und vermutlich in Ruhe zu Hause arbeiten können, ist die soziale Isolation. Ein vielzitiertes, großräumig angelegtes, Experiment in einem chinesischen Reiseunternehmen gibt darüber Aufschluss. Zu Beginn des Experiments wurde mittels Los entschieden, welche Mitarbeiter für mehrere Monate an vier Werktagen pro Woche ins Home-Office dürfen und wer weiterhin wie gewohnt im Büro arbeitet. Die Befunde dieser Studie zeigen, dass trotz durchschnittlich größerer Produktivität im Home-Office viele Mitarbeiter am Ende des Experiments die Rückkehr ins Büro wünschten. Viele gaben an, dass sie den Austausch mit Kollegen vermissten. Mehr noch: Trotz der eben durchschnittlich besseren Leistungen, wurden jene, die im Home-Office arbeiteten, seltener befördert. Hier vermuten die Forscher, dass dies vor allem der schlechteren Sichtbarkeit der Arbeitnehmer gegenüber den sich im Büro befindenden Vorgesetzten geschuldet war.
Dennoch kann dieses Experiment aber durchaus richtungsweisend für unsere Erwartungen im Hinblick auf die Entwicklung des Home-Office nach Corona sein. Am Ende des Experiments durften alle Mitarbeiter – vorausgesetzt, sie verfügten über das nötige Equipment und die räumlichen Möglichkeiten – selbst entscheiden, ob sie überwiegend im Büro oder von zu Hause arbeiten möchten. Überraschenderweise führte dies zu viel größeren Produktivitätszuwächsen als während der zufälligen Zuteilung während des Experiments, da sich jene für das Home-Office entschieden, deren Leistung in der Heimarbeit auch besser ausfiel.
Jun.-Prof. Dr. Elena Shvartsman
ist seit dem 1. Januar 2020 Juniorprofessorin für Business Economics an der WHU – Otto Beisheim School of Management. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich unter anderem mit der Frage, wie die sich wandelnden Arbeitsbedingungen auf das Wohlbefinden der Arbeitnehmer auswirken.
E-Mail: elena.shvartsman@whu.edu
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Wie wird Home-Office nach Corona aussehen?
WHU / Kai Myller
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Deutsch
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