idw – Informationsdienst Wissenschaft

Nachrichten, Termine, Experten

Grafik: idw-Logo
Science Video Project
idw-Abo

idw-News App:

AppStore

Google Play Store



Instanz:
Teilen: 
19.01.2004 15:51

Psychologie im Sport

Homfeldt Sascha Pressestelle
Hochschule Vechta

    Die Rolle der Psyche für die sportliche Leistung wird im Leistungssport mehr und mehr beachtet. Durch Fälle wie die von Sebastian Deisler oder Jan Simak wird der Öffentlichkeit vor Augen geführt, welch starken Belastungen der Leistungssport mit sich bringen kann. Auch, wenn sich bekannte Sportler in Leistungstiefs befinden, wird die Frage nach psychischen Faktoren gestellt. So sehr dieses größere Bewusstsein Psychologen erfreuen müsste, so erschreckend ist es jedoch, welche Früchte die aktuelle Diskussion trägt. Denn die Erkenntnis, dass neben Technik, Taktik, Kondition, Ernährung etc. auch an der Psyche gearbeitet werden muss, führt leider oftmals eben nicht in eine vernünftige sportpsychologische Beratung und Betreuung. Dieser Umstand wird durch verschiedene Probleme bedingt.
    So herrschen in der Bevölkerung erhebliche Vorurteile. Wie in fast jedem anderen Lebensbereich existiert auch bei Sportlern eine große Hemmung, die Unterstützung eines Psychologen zu suchen. Nach wie vor haftet der Psychologie die Vorstellung an, nur für psychisch Kranke zuständig zu sein. Aus diesem Grund weigern sich viele Sportler, zu einem Psychologen zu gehen ("Ich bin doch nicht verrückt!"). Wenn sie dennoch Kontakt zu einem Psychologen aufgenommen haben, möchten sie nicht, dass dies öffentlich wird, um in der Öffentlichkeit nicht als "verrückt" zu gelten und einen Imageschaden hinnehmen zu müssen. Hier ist also Aufklärungsarbeit seitens der Sportpsychologie notwendig: Es muss in das Bewusstsein von Sportlern, Trainern, Eltern und der Öffentlichkeit gelangen, dass es völlig normal ist - oder sein sollte -bestimmte Lebensphasen und Aufgaben psychologisch begleiten zu lassen.
    Das z.T. sehr schlechte Image der Sportpsychologie wird leider auch durch das Auftreten fragwürdiger "Fachleute" gefördert, von daher ist den Athleten nicht einmal ein Vorwurf zu machen, wenn sie skeptisch sind. Da sich ein jeder als "Mentaltrainer" o.ä. bezeichnen darf und das Wissen vieler Sportler über die psychologische Ausbildung generell eher gering ist, finden sich immer wieder angebliche Fachleute, die bei näherem Hinsehen eine fundierte psychologische Ausbildung vermissen lassen. Diese Personen, die dann in der Öffentlichkeit mit z.T. spektakulären Methoden präsent sind, fördern nicht gerade das Image der seriösen Sportpsychologie. Der Unterschied zwischen Psychologen und Psychiatern, Beratern, Therapeuten uvm. wird oft nicht erkannt - eine Tatsche, die man grundsätzlich niemandem vorwerfen kann. Kritisch wird es jedoch, wenn Hilfe gesucht werden soll. Hier greifen Sportler oftmals auf Angebote zurück, die jedem Diplom-Psychologen die Haare zu Bergen stehen lassen. Auf Empfehlung von Bekannten ("Ich kenne jemanden, der kannte mal jemanden...") oder durch Angebote von "Scharlatanen" wird jemand konsultiert, über dessen Ausbildung und wissenschaftliche Fundierung man nicht informiert ist. Ob die Person überhaupt Psychologie studiert hat, auf welche Ansätze sie sich beruft, wie sie schwerpunktmäßig arbeitet - all dies ist vielen nicht bekannt. Die Absurdität dieses Umstands wird besonders deutlich, wenn man ihn z.B. auf den medizinischen Bereich überträgt. Würde man sich von jemandem operieren lassen, der nicht Medizin studiert hat, sondern vielleicht einmal eine Ausbildung zum Physiotherapeuten angefangen hat? Würde man auf einen Konditionstrainer zurückgreifen, dessen Qualifikation darin besteht, selbst Joggen zu gehen?
    Nur, wenn es um die eigene Psyche geht, wird oftmals nicht ausreichend hinterfragt, welche wissenschaftliche Fundierung der Berater mit sich bringt. Zu unterscheiden, wie ein Orthopäden, ein Allgemeinmediziner oder ein Hals-Nasen-Ohren-Arzt arbeitet, fällt vielen Menschen leichter, als die unterschiedliche Wirkweise und Notwendigkeit verschiedenster psychologischer Ansätze einzuschätzen, oder diese von spektakulären Methoden wie Feuerlaufen abzugrenzen. Um Missverständnissen vorzubeugen: Man kann Menschen nicht vorwerfen, sich in der Psychologie nicht auszukennen, da natürlich niemand jedes Fachgebiet durchschauen kann und muss. Wer aber Hilfe im mentalen Bereich in Anspruch nehmen will, sollte sich zumindest fragen, welche Qualifikation der Fachmann mitbringt. So lässt sich die Gefahr eindämmen, an einen selbsternannten Experten für die Psyche zu geraten. Es sollte eine selbstverständliche Forderung sein, dass ein psychologischer Experte zumindest einen Abschluss in Psychologie haben, also Diplom-Psychologe sein sollte. Unabhängig von dem Schaden für den einzelnen Sportler, den die Konsultation eines selbsternannten Experten nach sich ziehen kann, führen diese erfolglosen Versuche dann dazu, dass das ursprüngliche Bild von der mysteriösen Psychologie, die mit seltsamen Methoden arbeitet, bestätigt wird und in Zukunft kein Psychologe mehr konsultiert wird. Dies führt zum nächsten Problem, welches durch folgende Aussage besonders deutlich wird: Auf die Frage, ob ein Psychologe einem prominenten deutschen Sportler bei seinen aktuellen Leistungsproblemen helfen könne, antwortet sein Trainer lt. Presse: "Nein, das haben wir vor drei Jahren mal versucht und es hat nichts gebracht." Auch hier sei der Übertrag in einen anderen Bereich erlaubt: Welcher Trainer würde sagen, man habe vor einigen Jahren mal einige Zeit erfolglos mit einem Konditionstrainer zusammengearbeitet, und verzichte deshalb in Zukunft auf Konditionstraining? Psychologische Unterstützung darf nicht erst dann gesucht werden, wenn das sprichwörtliche Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern muss karrierebegleitend angeboten werden. Denn sportpsychologische Beratung und Betreuung ist mehr als das Vermitteln bestimmter Methoden der Mentalen Fitness um momentane Leistungstiefs zu überwinden. So wird an der Sportpsychologischen Arbeitsstelle am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie an der Hochschule Vechta unter der Leitung von Prof. Dr. Martin Schweer von einem ganzheitlichen Beratungs- und Betreuungskonzept ausgegangen. Das bedeutet vor allem, dass sportpsychologische Beratung und Betreuung nicht erst dann für notwendig erachtet wird, wenn bereits gravierende Probleme bestehen, sondern sie karrierebegleitend in allen Phasen implementiert werden soll. Sie umfasst sowohl psychologische Unterstützung bei der Bewältigung von Aufgaben, denen sich speziell jugendliche Leistungssportler stellen müssen (wie z.B. Vereinbarkeit von Schule/Beruf und Leistungssport, Pflegen von Freundschaften trotz Leistungssport, Entwicklung einer alternativen Berufsperspektive), als auch eine ständige psychologische Unterstützung für erwachsene Leistungssportler, so dass Motivation, Konzentration und verschiedenste individuelle Probleme bearbeitet werden können. Zentral ist hierbei das gegenseitige Vertrauen von allen an der sportlichen Karriere beteiligten Personen. Nur, wenn eine vertrauensvolle Beziehung zum Trainer herrscht, können auftretende Probleme (z.B. Überforderung) frühzeitig offen thematisiert werden und es kann nach einer Lösung gesucht werden. Befunde, die im Zentrum für Vertrauensforschung gewonnen werden, welches ebenfalls dem Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie angegliedert ist, sind für die Arbeit der Sportpsychologischen Arbeitsstelle von entscheidender Bedeutung.

    Kontakt:
    Sportpsychologische Arbeitsstelle am Lehrstuhl für Pädagogische Psychologie Tel.: 04441 / 15-534 / -531 / -541
    Handy Prof. Schweer: 0171 / 1212635


    Bilder

    Merkmale dieser Pressemitteilung:
    Psychologie, Sportwissenschaft
    überregional
    Forschungsprojekte, Organisatorisches
    Deutsch


     

    Hilfe

    Die Suche / Erweiterte Suche im idw-Archiv
    Verknüpfungen

    Sie können Suchbegriffe mit und, oder und / oder nicht verknüpfen, z. B. Philo nicht logie.

    Klammern

    Verknüpfungen können Sie mit Klammern voneinander trennen, z. B. (Philo nicht logie) oder (Psycho und logie).

    Wortgruppen

    Zusammenhängende Worte werden als Wortgruppe gesucht, wenn Sie sie in Anführungsstriche setzen, z. B. „Bundesrepublik Deutschland“.

    Auswahlkriterien

    Die Erweiterte Suche können Sie auch nutzen, ohne Suchbegriffe einzugeben. Sie orientiert sich dann an den Kriterien, die Sie ausgewählt haben (z. B. nach dem Land oder dem Sachgebiet).

    Haben Sie in einer Kategorie kein Kriterium ausgewählt, wird die gesamte Kategorie durchsucht (z.B. alle Sachgebiete oder alle Länder).