Bakterien besiedeln Stellen, an denen kein Mensch lange überleben könnte: Salzseen, Geysire und die Polregionen beispielsweise. Das gelingt ihnen unter anderem, weil sie natürliche Schutzstoffe herstellen, die ihr Inneres vor Schaden bewahren. Wissenschaftler und Unternehmen suchen nun gemeinsam nach Wegen, solche schützenden Stoffe im großen Maßstab herzustellen, um sie auch für Menschen nutzbar zu machen. Der Bund fördert das Vorhaben für drei Jahre mit über zwei Millionen Euro.
Sie sind klein, aber oho: Bakterien und andere Kleinstlebewesen können unter Umweltbedingungen überleben, die Menschen nicht sehr lange ertragen könnten. So gibt es beispielsweise Mikroorganismen, die unter extremen Temperaturbedingungen – sei es in kochend heißen Geysiren oder in der klirrenden Kälte der Polregionen – oder auch in extrem salziger Umgebung, zum Beispiel in „Salzgärten“ zur Gewinnung von Meersalz, überleben können. Die winzigen Extremkünstler tragen nicht von ungefähr Namen wie Pyrococcus furiosus, Dynococcus radiodurans oder Halomonas titanicae. Letzteres wurde 2016 im Wrack der gesunkenen Titanic entdeckt, wo es sich mit der Bildung des Schutzmoleküls Ectoin gegen die salzhaltigen Umweltbedingungen schützt.
Biowissenschaftler nennen die kleinen organischen Moleküle, mit denen sich Mikroorganismen in der Natur effektiv vor extremen Umweltfaktoren wie Hitze, Kälte, Trockenheit oder Strahlung schützen, Extremolyte. Sie werden im Inneren der Mikroben angereichert, wo sie Wassermoleküle zu einem Schutzfilm um Eiweiße und andere empfindliche Zellbestandteile zusammenlagern und diese stabilisieren. Da Extremolyte auch für menschliche Zellen und Gewebe ihre schützende Wirkung erzielen, sind sie mittlerweile von großem Interesse. Ectoin als Vorzeige-Extremolyt wird bereits großtechnisch gewonnen. Wissenschaftler wie Christoph Wittmann richten angesichts des großen Potentials ihr Augenmerk nun auf weitere Extremolyte aus der Natur.
Der Professor für Systembiotechnologie koordiniert ein Forschungskonsortium aus Wissenschaft und Industrie, um herauszufinden, wie man Extremolyte im großen Maßstab biotechnologisch herstellen und sie damit auch wirtschaftlich nutzbar machen kann, um sie zum Beispiel wie Ectoin in Cremes, Nasensprays und Inhalationspräparaten einzusetzen.
„Vielversprechend für die zukünftige biotechnologische Gewinnung neuer Extremolyte sind maßgeschneiderte Zellfabriken des Bodenbakteriums Corynebacterium glutamicum. Das Bakterium braucht keine extremen Bedingungen zum glücklich sein“, erläutert Prof. Wittmann den wissenschaftlichen Ansatz, der im Forschungsprojekt namens „EXTRA“ ( EXTRemolytes for HeAlth) untersucht werden soll. „Corynebacterium glutamicum wird seit Jahrzehnten erfolgreich unter anderem zur Herstellung von Zusätzen für Lebens- und Futtermittel eingesetzt und gilt aufgrund seiner Vielseitigkeit als ‚Arbeitspferd‘ der Biotechnologie. Wie wir vor kurzem zeigen konnten, wird Corynebacterium glutamicum zu einer effizienten Minifabrik für Ectoin, wenn man die Erbinformation gezielt verändert. Damit zeigt es auch großes Potential für neuartige Extremolyte“, so der Biowissenschaftler weiter (Der Artikel über den Nachweis der Rolle des Corynebacteriums glutamicum findet sich hier: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/31106985).
Um nun neue Syntheseverfahren und auch eine wirtschaftliche Nutzung neuartiger Extremolyte zu erforschen, arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Instituts für Systembiotechnologie von Christoph Wittmann mit dem Forschungsteam um Rolf Müller vom Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) sowie den Industriepartnern „MyBiotech“ aus Überherrn und „bitop“ aus Dortmund zusammen. bitop ist Weltmarktführer zur Herstellung von Ectoin und soll im Konsortium spätere Herstellungsverfahren entwickeln. Dem saarländischen Start-Up MyBiotech fällt die Aufgabe zu, effiziente Verfahren zur Aufreinigung der teuren Produkte zu erforschen.
EXTRA wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) mit 2,1 Millionen Euro gefördert. 1,3 Millionen Euro entfallen dabei auf die beiden Arbeitsgruppen der Universität bzw. des HIPS. Die Laufzeit beträgt drei Jahre (2020-2023).
Prof. Dr. rer. nat. Christoph Wittmann
Tel.: (0681) 302-71971
E-Mail: christoph.wittmann@uni-saarland.de
Mikrobielle Zellfabriken ermöglichen die zielgenaue Synthese neuer Extremolyte. Ihre maßgeschneidert ...
Foto: iSBio
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten
Biologie, Ernährung / Gesundheit / Pflege, Medizin, Umwelt / Ökologie
regional
Forschungsprojekte, Kooperationen
Deutsch
Mikrobielle Zellfabriken ermöglichen die zielgenaue Synthese neuer Extremolyte. Ihre maßgeschneidert ...
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