Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Würzburg haben ein Programm entwickelt, das Kindern beim Lesenlernen hilft. In mehreren Studien wurde seine Wirksamkeit belegt.
Was tun, wenn ein Kind noch immer nicht flüssig liest und, obwohl es alle Buchstaben kennt, diese nur schwer zu Wörtern verknüpfen kann? Was tun, wenn ein Kind Schwierigkeiten hat, Wörter genau zu lesen und gerade bei längeren Wörtern immer wieder ins Stocken gerät?
Antworten auf diese Fragen bietet ein neues Trainingsprogramm, das an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) entwickelt wurde. "Lesen mit Willy Wortbär – Ein silbenbasiertes Lesetraining zur Förderung der Worterkennung beim Lesen" richtet sich an Schülerinnen und Schüler mit schwachen Leseleistungen. Die Entwickler sind Dr. Bettina Müller und Professor Tobias Richter, Lehrstuhl für Psychologie IV, sowie die Lerntherapeutin Gabriele Otterbein-Gutsche. Erschienen ist das Training soeben im Hogrefe-Verlag.
Lesegeschwindigkeit trainieren
„Ein typisches Merkmal schwacher Leserinnen und Leser im Deutschen ist eine verlangsamte Lesegeschwindigkeit“, erklärt Tobias Richter. Der Grund dafür: Die Kinder verharren in einem Stadium, in dem sie Wörter Buchstabe für Buchstabe einlesen. Wer gut lesen kann, schafft es hingegen, Wörter zunehmend anhand größerer Einheiten wie Silben und Morphemen zu lesen. Das gelingt etwa ab der zweiten Klasse und ist deutlich schneller und effektiver.
An diesem Punkt setzt das Training „Lesen mit Willy Wortbär“ an. Dessen Ziel ist es, Genauigkeit und Geschwindigkeit der Worterkennung explizit zu trainieren. Durch zahlreiche silbenbasierte Übungen und Spiele sollen die Kinder lernen, Wörter auf Basis der darin enthaltenen Silben einzulesen, statt sich Wörter mühsam Buchstabe für Buchstabe zu erarbeiten.
Das Lesetraining
Das Trainingsprogramm ist für die Förderung von Grundschulkindern der zweiten bis vierten Klasse konzipiert, deren Leseprobleme durch ineffiziente Worterkennungsprozesse gekennzeichnet sind. Das Lesetraining soll unter anderem im Rahmen der Leseförderung an der Schule eingesetzt werden. „Es war uns ein Anliegen, bewährte Elemente aus der lerntherapeutischen Einzelförderung von Kindern mit Lesestörungen für die innerschulische Förderung in Kleingruppen zugänglich zu machen“, sagt Bettina Müller. Mit dem Programm sollen Schülerinnen und Schüler möglichst frühzeitig in der Schule gefördert werden, so dass einer Manifestation der Schwierigkeiten, die sich negativ auf alle schulischen Lernbereiche ausüben können, entgegengewirkt werden kann, so die Psychologin.
Die Besonderheit des Lesetrainings? Sämtliche Materialien, die gelesen werden, wurden aus den 500 häufigsten Schreibsilben des kindlichen Grundwortschatzes zusammengesetzt. Damit werden die häufigsten Silben, die Kinder in diesem Alter lesen, wieder und wieder gelesen und somit gefestigt.
Zwei Versionen für unterschiedliche Altersstufen
Das Training liegt in zwei Versionen vor: Version 1 ist für Kinder in der zweiten Klasse konzipiert und basiert auf dem Grundwortschatz der Sechs- bis Achtjährigen. Version 2 wird für die Förderung von Kindern in der dritten und vierten Klasse empfohlen und basiert auf dem Grundwortschatz der Neun- bis Zwölfjährigen.
Beide Versionen bestehen aus jeweils 24 Trainingssitzungen, die jeweils auf 45 Minuten ausgelegt sind. Zentrale Methoden sind die genaue Aussprache und das Silbenschwingen beim lauten Lesen, das Markieren des Silbenkerns und das Eintragen von Silbenbögen beim leisen Lesen sowie zahlreiche silbenbasierte Spiele. Beide Versionen sind für die Arbeit in Kleingruppen von vier bis sechs Kindern ausgelegt und sollten zweimal wöchentlich durchgeführt werden. Das Lesetraining kann auch für die lerntherapeutische Einzelförderung adaptiert werden, wenn ein Erwachsener die Silbenspiele begleitet.
Die Evaluationsergebnisse
Vier Jahre hat die Entwicklung des Lesetrainings gedauert. Inzwischen wurde seine Wirksamkeit in zwei experimentellen Studien erprobt. Insgesamt 251 Kinder aus zweiten Klassen und 186 aus vierten Klassen mit unterdurchschnittlichen Worterkennungsleistungen haben dafür mit dem Programm trainiert.
Die Ergebnisse zeigen, dass das Training die Effizienz steigert, mit der Wörter erkannt werden. „In beiden Studien fanden wir in den zweiten Klassen signifikante Effekte auf die Fähigkeit, Wörter durch den Abgleich mit größeren Einheiten von Buchstaben zu erkennen. Auch in den vierten Klassen konnten wir diesen Effekt nachweisen“, so Bettina Müller.
Basierend auf den Rückmeldungen der studentischen Trainerinnen haben die Wissenschaftler das Programm fortlaufend überarbeitet. In einer weiteren Studie wurde das Training von Lehrkräften mit 93 Kindern angewendet. Nach Einschätzung der Lehrkräfte ist das Training zur innerschulischen Förderung in Kleingruppen geeignet und gut umsetzbar.
Prof. Dr. Tobias Richter, T: +49 931 31-83755, tobias.richter@uni-wurzburg.de
Dr. Bettina Müller, T: +49 931 31-85493, bettina.mueller@uni-wuerzburg.de
Willy Wortbär hilft beim Lesenlernen.
(Bild: Lehrstuhl Psychologie IV / Universität Würzburg)
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Merkmale dieser Pressemitteilung:
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Pädagogik / Bildung, Psychologie
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Deutsch
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