Flächendeckende Antikörpertests gegen das neue Coronavirus SARS-CoV-2 könnten dabei helfen, realistische Werte über die Infektionshäufigkeit mit dem Erreger zu erhalten. Forschende der etablierten Screening-Studie „Fr1da plus“, die Kinder in Bayern auf ein Frühstadium von Typ-1-Diabetes testen, beziehen diese Test nun direkt in ihre Untersuchungen mit ein. Gemeinsam mit einem bestehenden Netzwerk aus rund 600 Kinder-und Jugendärztinnen und -ärzten und unter der Leitung des Helmholtz Zentrums München könnten sie bis zu 65.000 Blutproben aus der Fr1da-plus-Studie nun auch auf das Vorhandensein von Antikörpern gegen SARS-CoV-2 testen.
Fr1da plus sammelt Blutproben von Kindern in Bayern im Alter von 2-5 und 9-10 Jahren zur Typ-1-Diabetes-Früherkennung. Diese Proben sollen nun rückwirkend von August 2019 bis heute (rund 15.000 Proben) und fortführend über die nächsten zwei Jahren hinweg (im Optimalfall rund 50.000 Proben – je nach finanziellen Mitteln) auch auf Antikörper gegen SARS-CoV-2 getestet werden. Die bereits bestehende Probensammlung und die enge Zusammenarbeit mit mehr als 600 Arztpraxen ermöglicht es den Fr1da-plus-Forschenden, die Tests umgehend und in großem Maßstab durchzuführen.
Die Tests werden unter der Annahme durchgeführt, dass das Vorhandensein von Antikörpern gegen das immundominante Epitop des SARS-CoV-2-Proteins, nämlich der Rezeptorbindungsdomäne des S-Proteins, eine Aussage über die individuelle Immunität ermöglichen könnte. Einen Beleg für die Immunität gegenüber SARS-CoV-2 aufgrund vorhandener spezifischer Antikörper gibt es noch nicht. Sobald dieser vorliegt, könnten mit den Tests relevante Informationen zur Immunitätslage von Kindern in Bayern bereitgestellt werden.
Wichtige epidemiologische Erkenntnisse erwartet
Neben der Häufigkeit von SARS-CoV-2-Infektionen bei Kindern in Bayern könnten die Tests Erkenntnisse über das Verbreitungsmuster liefern sowie eventuelle Unterschiede in Region, Alter und Geschlecht erfassen. Besonders interessant für die Forschenden von Fr1da plus ist auch, ob ein Zusammenhang zwischen dem Vorhandensein und der Anzahl von Antikörpern, die auf präsymptomatischen Typ-1-Diabetes hinweisen, und Antikörpern gegen SARS-CoV-2 besteht – sprich, ob das Risiko der Kinder, an der Autoimmunkrankheit Typ-1-Diabetes zu erkranken mit einem erhöhten Risiko einer COVID-19-Erkrankung einhergehen könnte.
Prof. Anette-Gabriele Ziegler, Leiterin der Fr1da-plus-Studie und Direktorin des Instituts für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München: „Unser bereits bestehendes großes Netzwerk von Kinderarztpraxen in Bayern bietet beste Voraussetzungen, um die epidemiologische Forschung zur Expositionshäufigkeit gegenüber COVID-19 voranzutreiben und damit einen wichtigen Beitrag zur Corona-Forschung zu leisten. Wir rechnen damit, erste Testergebnisse im Herbst 2020 liefern zu können.“
Zur Methodik
Das Forschungsprojekt wird in Kooperation mit den Wissenschaftlern Vito Lampasona und Dr. Lorenzo Piemonti des San Raphaele Hospitals in Mailand durchgeführt, die den nicht-kommerziellen Antikörpertest entwickelt haben. Der Test ist ein Luciferase-Immunopräzipitations-Test (LIPS Assay) gegen SARS-CoV-2, der nach einem sehr ähnlichen Prinzip funktioniert wie der bereits existierende Insulinantikörper-Test der Fr1da-plus-Studie.
Einschränkungen der Studie
Die hier beschriebenen Antikörpertests gegen SARS-CoV-2 sind nur mit Teilnahme an Fr1da plus möglich. Sie eignen sich nicht zur frühen Diagnostik einer akuten Infektion, da Antikörper im Laufe einer Erkrankung erst langsam auftreten.
Weitere Informationen zur Fr1da-plus-Studie: https://www.typ1diabetes-frueherkennung.de
Helmholtz Zentrum München
Das Helmholtz Zentrum München verfolgt als Forschungszentrum die Mission, personalisierte medizinische Lösungen zur Prävention und Therapie von umweltbedingten Krankheiten für eine gesündere Gesellschaft in einer sich schnell verändernden Welt zu entwickeln. Der Hauptsitz des Zentrums liegt in Neuherberg im Norden Münchens. Das Helmholtz Zentrum München beschäftigt rund 2.500 Mitarbeitende und ist Mitglied der Helmholtz-Gemeinschaft, der größten Wissenschaftsorganisation Deutschlands mit mehr als 40.000 Mitarbeitenden in 19 Forschungszentren.
Institut für Diabetesforschung
Das Institut für Diabetesforschung (IDF) befasst sich mit der Entstehung und Prävention von Typ-1-Diabetes. Ein vorrangiges Projekt des Instituts ist die Entwicklung einer antigen-basierten Therapie zur Erzeugung einer Immuntoleranz. In groß angelegten Langzeitstudien untersucht das IDF den Zusammenhang von Genen, Umweltfaktoren und Immunsystem für die Pathogenese von Typ-1-Diabetes. Mit den Daten der Geburtskohorte BABYDIAB, die 1989 als weltweit erste prospektive Diabetes-Geburtskohorte etabliert wurde, konnte die Anfälligkeit für die Entstehung einer mit Typ-1-Diabetes assoziierten Autoimmunität in den ersten zwei Lebensjahren aufgedeckt werden. Das im Jahr 2015 vom IDF initiierte Pilotprojekt Fr1da war weltweit das erste bevölkerungsweite Screening auf Inselautoimmunität in der Kindheit, die als Frühstadium des Typ-1-Diabetes zu werten ist. Das IDF ist Teil des Helmholtz Diabetes Center (HDC).
Prof. Anette-Gabriele Ziegler
Institut für Diabetesforschung
Helmholtz Zentrum München
Email: anette-g.ziegler@helmholtz-muenchen.de
Merkmale dieser Pressemitteilung:
Journalisten, Wissenschaftler, jedermann
Biologie, Gesellschaft, Medizin
überregional
Forschungsprojekte
Deutsch
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